Täglich dreieinhalb Stunden - Adventist World Radio aus Nauen

Rundfunksendestelle Nauen
Im Vordergrund eine der in den 90er Jahren aufgebauten Sendeeinheiten | © Christian Schubert

Zum 27. Oktober 2024 hatte Adventist World Radio alle extern angemieteten Kurzwellen-Sendeplätze gekündigt und damit die endgültige Schließung der Sendestationen Moosbrunn (Österreich) sowie wahrscheinlich auch Trincomalee (Sri Lanka) ausgelöst. In Nauen hingegen ist man inzwischen wieder der vom Sendevolumen her größte Kunde.

Zwar handelt es sich bei weitem nicht mehr um den früheren Umfang mit bis zu drei gleichzeitig belegten Sendern.

Nach wenigen Wochen Unterbrechung wieder bestellt sind dennoch ein Programmblock für Äthiopien und Eritrea (mit den Sprachen Oromo, Tigray und Amharisch) von 18.30 bis 20.00 Uhr auf 15460 kHz und ein direkt anschließender, bis 22.00 Uhr auf 11700 kHz laufender Block für Nigeria (mit Haussa, Igbo, Yoruba und Nigeria-Pidgin).

Auch auf die frühere Station von Radio Nederland Wereldomroep in Madagaskar ist AWR nach kurzer Zeit mit zwei Sendungen für das Inland zurückgekehrt: Von 4.00 bis 5.00 und von 15.00 bis 16.00 Uhr jeweils auf 6065 kHz.

Stand vom 02.02.2025



„Nur noch“ zweitgrößter Sendekunde in Nauen ist damit wieder High Adventure Canada mit der Marke Bible Voice Broadcasting.

Das ist eine der Nachfolgestrukturen jener High Adventure Ministries, die in Europa vor allem für ihre Sendungen aus dem Süden des Libanon bekannt waren. Andere Nachfolger betreiben bis heute einen Kurzwellensender in Sambia.

Bible Voice Broadcasting pflegt ein extrem kleinteiliges Programmschema mit Sendungen nach Nahost sowie auch Asien, Afrika und (dies auf 6150 kHz) Spanien:

Fr 06.00-06.15 Uhr: 9450 kHz
Tägl. 07.00-07.15 Uhr: 9440 kHz
Sa 15.00-16.00 Uhr: 17650 kHz
Tägl. 15.30-16.00 Uhr: 17550 kHz
So 15.30-16.00 Uhr: 17650 kHz
Mo, Di, Do, Fr 17.00-17.30 Uhr: 15310 kHz
Sa 17.30-18.30 Uhr: 15310 kHz
Di-Do 18.00-18.30 Uhr: 15310 kHz
Fr 19.00-19.15 Uhr: 9715 kHz
Sa 19.00-20.30 Uhr: 9715 kHz
Mo, Di, Do, Fr, So 19.00-19.30 Uhr: 7295 kHz
So 19.30-20.00 Uhr: 6150 kHz
So 19.30-21.15 Uhr: 9715 kHz
So 20.15-20.30 Uhr: 5935 kHz

Die Deutsche Welle nutzt die Sender in Nauen nach jüngsten Angaben nicht mehr für ihr Amharisch-Programm. Es kommt demnach auf beiden Frequenzen (von 17.00 bis 18.00 Uhr auf 11830 und 15275 kHz) wieder aus Frankreich.

In Nauen verblieb hingegen jeweils am Mittwoch von 19.30 bis 20.15 Uhr auf 11830 und 15275 kHz eine Wiederholung der wöchentlichen Sendung in den Sudan, deren Erstausstrahlung am Mittag wiederum aus Frankreich abgewickelt wird (um 13.15 Uhr auf 15390 und 17570 kHz).

Dieses immer wieder verlängerte Projekt ist jetzt für den ganzen Rest der laufenden Wintersaison eingeplant. Neben Radio Dabanga dürfte die DW mittlerweile der einzige säkulare Veranstalter sein, der noch arabischsprachige Hörfunksendungen für den Sudan abstrahlt. Die Kurzwellenübertragung des US-amerikanischen Alhurra scheint wieder entfallen zu sein.

Täglich aus Nauen zu hören ist darüber hinaus der japanische Rundfunk NHK, obwohl der Ausstieg aus dem Kurzwellenrundfunk auch dort in vollem Gang ist und die täglichen vier Stunden in Richtung Nahost, die es ab 2018 gab, schon 2022 wieder gestrichen wurden.

Verblieben ist eine Übertragung der russischen Sendung: Von 5.30 bis 5.50 Uhr auf 6165 kHz.

Dieter Waldner, Evangeliums-Radio Hamburg
Der 2003 verstorbene Gründer des Evangeliums-Radio Hamburg, Dieter Waldner

Einer der beiden nächstgrößeren Nauen-Kunden sind die Evangelischen Missions-Gemeinden. Mit ihnen kann hier erstmals eine Sendung in deutscher Sprache für Mitteleuropa genannt werden: Jeweils am Sonnabend und Sonntag von 12.30 bis 13.00 Uhr auf 6055 kHz.

Diese Sendungen gibt es seit 2000. Ausgestrahlt wurden sie zunächst über die Mittelwelle von RTL in Luxemburg sowie im Kurzwellenprogramm des damaligen Evangeliums-Radio Hamburg, das 2003 mit dem Tod seines Gründers verschwand.

Die Gründung der Evangelischen Missions-Gemeinden war einst so erläutert worden:

» Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland viele Kreise, die außerhalb und teilweise auch innerhalb der Landeskirche stehen und keinen geistlichen Anschluß an ein größeres Werk, Verband oder Gemeinde haben. Sie drohen in der Masse und im religiösen und ökumenischen Durcheinander unterzugehen. «

Dazu der Kommentar von Hansjörg Biener, der die Szene der traditionellen Missionssender seit Jahrzehnten beobachtet:

» Dem zitierten Informations-Rundschreiben wurde auch Material der landeskirchlichen Bekenntnisbewegung beigelegt, das damit aber natürlich nicht mehr deren innerkirchlichen Auseinandersetzung diente, sondern der Werbung für eine neue Gemeinschaft.

Tatsächlich grenzt man sich nicht nur gegen die ökumenische Bewegung ab, sondern auch stark gegen die Deutsche Evangelische Allianz, in der sich konservative Christen und Christinnen aus den Volkskirchen, Freikirchen wie der Evangelisch-methodistischen Kirche und missionarischen Werken zusammenfinden und auf deren Basis etwa auch der Evangeliums-Rundfunk arbeitet.

Die Evangelischen Missions-Gemeinden wurden 1987 in Filderstadt-Bonlanden (Württemberg) gegründet. Der Ort war mit Bedacht gewählt, denn rund 140 Jahre zuvor war eben in Bonlanden die methodistisch geprägte Evangelische Gemeinschaft gegründet worden.

Die Evangelische Gemeinschaft ist 1968 weltweit in der Evangelisch-methodistischen Kirche aufgegangen. Unterstützung haben die Evangelischen Missions-Gemeinden von der Synode von Nordwest-Kanada, die die Gründung der Evangelisch-methodistischen Kirche abgelehnt hatte und das geistliche Erbe der Evangelischen Gemeinschaft für sich beansprucht. Enge Verbindungen gibt es auch zu Gemeindegründungsarbeit in Rumänien und Russland. «

Ebenfalls eine Stunde pro Woche sendet aus Nauen Reach Beyond, eine der Nachfolgestrukturen des einstigen Radio HCJB. Sofern es in den letzten Jahren nicht zu konzeptionellen Änderungen kam, zielt dieses Programm speziell auf Tschetschenien. Die Ausstrahlung am Sonnabend läuft von 16.30 bis 17.30 Uhr auf 9500 kHz.

Noch zu klären bleibt, was aus den wöchentlichen anderthalb Stunden der äthiopischen Oromo-Befreiungsfront Sagalee Bilisumma Oromoo geworden ist. Diese findet sich in einer Aufstellung aus dem Herbst zwar nach wie vor in der Liste der Kunden, ist aber mit keinen Sendeplätzen mehr verzeichnet.

Radio Nederland Wereldomroep – Onderweg
Archivbild: Die für Lkw-Fahrer bestimmte Sendung des 2012 abgeschalteten Radio Nederland Wereldomroep

Außerdem verbleiben in Nauen zwei monatliche Sendefolgen auf der Frequenz 6095 kHz. Sie war von 2012 bis 2016 täglich mit Programm aus den Niederlanden aktiv, darunter eine Sendung für Lkw-Fahrer, die nach der faktischen Schließung von Radio Nederland Wereldomroep hier noch weitergeführt wurde.

Jetzt kommt jeweils am ersten Sonntag des Monats von 10.00 bis 11.00 Uhr Welle 370. Am 9. Februar und 9. März jeweils von 13.00 bis 14.00 Uhr vorgesehen ist SM Radio Dessau.

Kurzwellenantenne von RBI / Funkhaus Berlin
Der Sonderbriefmarkenblock zum 25. Geburtstag des Rundfunks der DDR

Die meisten der Ausstrahlungen aus Nauen laufen über vier Sendeeinheiten, die von 1995 bis 1997 aufgebaut wurden.

Das gilt jedoch nicht für die Frequenz 6095 kHz. Sie kommt von der einzigen Antenne von Radio Berlin International, die noch existiert und es als Wahrzeichen bis auf eine Briefmarke geschafft hatte.

Nicht mehr im Einsatz ist dabei der alte Sender KWZ 1, den die Deutsche Welle im Jahre 2000 abgekündigt hatte. Zuletzt wurde er außer mit Eigenprogramm auch mit einer englischen Sendung von Radio Nederland Wereldomroep bespielt.

Nach mehreren Jahren für andere Kunden wieder in Betrieb ging die Antenne vielmehr mit einem Sender, der aus der untergehenden Station Jülich herausgeholt wurde. Auch das bestehende Technikgebäude blieb aufgegeben; der Ersatz ist direkt an der Antenne untergebracht.

Dreh- und schwenkbare Antenne in Nauen
Die Antenne des einstigen Senders KWZ 1 mit ihrer heutigen Senderanlage | © Haveljung, CC

Der 1964 in Betrieb genommene KWZ 1 war nicht der erste Rundfunksender in Nauen. Den Anfang gemacht hatte fünf Jahre vorher ein in die museale Sammlung aufgenommener, unter der Bezeichnung HF-B geführter Sender mit 50 kW und noch sehr bescheidenen Antennen.

1972 kam der erste 500 kW starke, aus der Schweiz importierte Sender. Er diente zunächst mit einer Quadrantantenne den Europa-Programmen, die sich bei der vor allem abends immer massiveren Überbelegung der Kurzwelle nur mit dieser hohen Sendeleistung überhaupt noch Gehör verschaffen konnten.

Um auch das Chile-Programm von RBI mit 500 kW abstrahlen zu können, entstand nach Pinochets Machtergreifung kurzfristig eine erste Vorhangantenne, mit entsprechender Abstrahlrichtung und einem Frequenzbereich von 6 bis 12 MHz.

Ab 1978 folgte ein umfangreicher Antennenkomplex für Ausstrahlungen in alle Weltgegenden, mit dem der Rundfunk der DDR fortan auch den Reisenden der Transitzüge Berlin – Hamburg seine Visitenkarte gab. Dazu entstanden zwei weitere Sender mit 500 kW, wie die Antennen von sowjetischen Lieferanten.

Nicht mehr zur Ausführung kam der angedachte weitere Ausbau, der möglicherweise den Standort Wiederau bei Leipzig einbezogen hätte. Dort wie auch in Königs Wusterhausen gab es nur Sender mit 100 kW, dazu einfache Dipol- und Rhombusantennen, die den Ansprüchen kaum noch genügen konnten.

„Abstimmung mit der Deutschen Welle“
Notiz zu unverbindlichen Abstimmungen mit der DW vom 25.09.1990
„Ab 2.10.1990 um 23.00 UTC Sendebetrieb für die Deutsche Welle aufgenommen“
Niederschrift vom 04.10.1990

In welcher Art und Weise mit den Menschen von RBI umgegangen wurde, zeigen neben den damaligen Aushängen im Funkhaus auch die Unterlagen der Sendestellen: Selbst eine Woche vor „Null“ konnten nur unverbindliche Vorabsprachen mit der Deutschen Welle festgehalten werden.

Erst am 4. Oktober 1990 wurde nachträglich dokumentiert, was keine 40 Stunden zuvor im Rundfunkknotenamt Berlin-Lichtenberg geschah und von den Technikern in Nauen als gruselig empfunden wurde: Eine sehr schlichte Umschaltung um Mitternacht.

In der so eingeführten Form lief der Sendebetrieb noch drei Jahre. 1993 kündigte die Deutsche Welle alle Ausstrahlungen aus Königs Wusterhausen und Wiederau. Die dortige Kurzwellentechnik wurde stillgelegt und verschrottet.

Die weitere Entwicklung in Nauen zeigt ein Film über den Untergang der Firma Telefunken. Dessen Formulierungen und Inszenierungen sollte man nicht auf die Goldwaage legen und als Dokument damaliger Befindlichkeiten nehmen.

Der Beitrag enthält Bildmaterial von den Altanlagen. Zu sehen sind ab 7'42 der Antennenkomplex, ab 8'38 das Notstromaggregat, ab 9'01 der Sender KWZ 2 aus der Schweiz, ab 9'09 einer der beiden sowjetischen Sender KWZ 3 oder KWZ 4 und ab 10'25 der Sender KWZ 1 mit Antenne.

Der Teil 2 des Films zeigt ab Minute 5, wie die Neuausstattung um ein Haar komplett an französische Auftragnehmer gegangen wäre. Telefunken gelang es gerade noch, wenigstens die Sender beistellen zu dürfen. Dafür entwickelte man eine völlig neue Bauart, von der anschließend nur noch ein weiteres Exemplar nach Norwegen verkauft werden konnte.

Die Antennenkonstruktion mit integrierten Sendern ist als „ALLISS“ bekannt, weil sie an beiden Bestandsstandorten in Frankreich errichtet werden sollte. Letztlich wurde der Kurzwellenbetrieb in Allouis jedoch eingestellt. Die zwölf neuen Sendeeinheiten für Radio France Internationale fanden ihren Platz alle in Issoudun.

Der eher bescheidene Neuaufbau in Nauen war ein Politikum. Entsprechend befand sich unter den Gästen der Einweihungsfeier der Staatssekretär der brandenburgischen Staatskanzlei.

2007 war es mit alldem schon wieder vorbei: Die Deutsche Welle kündigte vorzeitig den eigentlich bis 2016 geschlossenen Ausstrahlungsvertrag, der Grundlage für die Investitionen war. Dafür nahm sie eine Abstandszahlung von 14 Millionen Euro in Kauf.

Hintergrund war, ein günstigeres Angebot aus England wahrzunehmen. Dabei erscheint als zweifelhaft, ob unter dem Strich mit diesem Vorgehen wirklich Geld gespart wurde, denn schon 2010/2011 kam es beim Kurzwellenhörfunk der Deutschen Welle zu den ersten umfangreichen Einstellungen.

Inzwischen konnte die Media Broadcast diesen Kunden zurückgewinnen. Viel zu holen gibt es dabei nicht mehr, weil – siehe oben – nur noch ein winziger Rest des einstigen Sendevolumens übrig ist.

 

Beitrag von Kai Ludwig