Aktuelle Lage - Der Kurzwellenbetrieb in Nauen

Rundfunksendestelle Nauen
Im Vordergrund eine der in den 90er Jahren aufgebauten Sendeeinheiten | © Christian Schubert

Die Nachricht von der Abkündigung aller externen Sendekapazitäten durch Adventist World Radio brachte Anfragen, was diese Entwicklung für die Kurzwellensender bei Nauen bedeutet. Für die gerade angebrochene Wintersaison bis zum 25. März 2025 kann das konkret beantwortet werden: Die Ausstrahlungen anderer Programmveranstalter laufen weiter.

Vom Sendevolumen her größter Kunde ist weiterhin eine Missionsgesellschaft, und zwar jetzt High Adventure Canada mit der Marke Bible Voice Broadcasting.

Das ist eine der Nachfolgestrukturen jener High Adventure Ministries, die in Europa vor allem für ihre Sendungen aus dem Süden des Libanon bekannt waren. Andere Nachfolger betreiben bis heute einen Kurzwellensender in Sambia.

Bible Voice Broadcasting pflegt ein extrem kleinteiliges Programmschema mit Sendungen nach Nahost sowie auch Asien, Afrika und (dies auf 6150 kHz) Spanien:

Fr 06.00-06.15 Uhr: 9450 kHz
Tägl. 07.00-07.15 Uhr: 9440 kHz
Sa 15.00-16.00 Uhr: 17650 kHz
Tägl. 15.30-16.00 Uhr: 17550 kHz
So 15.30-16.00 Uhr: 17650 kHz
Mo, Di, Do, Fr 17.00-17.30 Uhr: 15310 kHz
Sa 17.30-18.30 Uhr: 15310 kHz
Di-Do 18.00-18.30 Uhr: 15310 kHz
Fr 19.00-19.15 Uhr: 9715 kHz
Sa 19.00-20.30 Uhr: 9715 kHz
Mo, Di, Do, Fr, So 19.00-19.30 Uhr: 7295 kHz
So 19.30-20.00 Uhr: 6150 kHz
So 19.30-21.15 Uhr: 9715 kHz
So 20.15-20.30 Uhr: 5935 kHz

Auf den zweiten Platz vorgerückt ist die Deutsche Welle. Hier kommt das Programm in amharischer Sprache für Äthiopien von 17.00 bis 18.00 Uhr auf 11830 kHz wieder aus Nauen. Nach Frankreich ausgelagert bleibt nur dessen andere Frequenz 15275 kHz.

Für ein weiteres halbes Jahr verlängert wurde im vergangenen Sommer die wöchentliche Sendung in den Sudan am Mittwoch. Sie läuft damit mindestens bis Weihnachten, in bekannter Weise mit einer ersten Ausstrahlung aus Frankreich von 13.15 bis 14.00 Uhr auf 15390 und 17570 kHz sowie der Wiederholung aus Nauen ab 19.30 Uhr auf 11830 und 15275 kHz.

Drittgrößter Sendekunde ist jetzt der japanische Rundfunk NHK, obwohl der Ausstieg aus dem Kurzwellenrundfunk auch dort in vollem Gang ist und die täglichen vier Sendestunden in Richtung Nahost, die ab 2018 aus Nauen kamen, schon 2022 wieder entfielen.

Verblieben ist eine Ausstrahlung des russischen Programms; inzwischen wieder täglich von 5.30 bis 5.50 Uhr auf 6165 kHz.

Dieter Waldner, Evangeliums-Radio Hamburg
Der 2003 verstorbene Gründer des Evangeliums-Radio Hamburg, Dieter Waldner

Einer der beiden nächstgrößeren Nauen-Kunden sind die Evangelischen Missions-Gemeinden. Mit ihnen kann hier erstmals eine Sendung in deutscher Sprache für Mitteleuropa genannt werden: Jeweils am Sonnabend und Sonntag von 12.30 bis 13.00 Uhr auf 6055 kHz.

Diese Sendungen gibt es seit 2000. Ausgestrahlt wurden sie zunächst über die Mittelwelle von RTL in Luxemburg sowie im Kurzwellenprogramm des damaligen Evangeliums-Radio Hamburg, das 2003 mit dem Tod seines Gründers verschwand.

Die Gründung der Evangelischen Missions-Gemeinden war einst so erläutert worden:

» Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland viele Kreise, die außerhalb und teilweise auch innerhalb der Landeskirche stehen und keinen geistlichen Anschluß an ein größeres Werk, Verband oder Gemeinde haben. Sie drohen in der Masse und im religiösen und ökumenischen Durcheinander unterzugehen. «

Dazu der Kommentar von Hansjörg Biener, der die Szene der traditionellen Missionssender seit Jahrzehnten beobachtet:

» Dem zitierten Informations-Rundschreiben wurde auch Material der landeskirchlichen Bekenntnisbewegung beigelegt, das damit aber natürlich nicht mehr deren innerkirchlichen Auseinandersetzung diente, sondern der Werbung für eine neue Gemeinschaft.

Tatsächlich grenzt man sich nicht nur gegen die ökumenische Bewegung ab, sondern auch stark gegen die Deutsche Evangelische Allianz, in der sich konservative Christen und Christinnen aus den Volkskirchen, Freikirchen wie der Evangelisch-methodistischen Kirche und missionarischen Werken zusammenfinden und auf deren Basis etwa auch der Evangeliums-Rundfunk arbeitet.

Die Evangelischen Missions-Gemeinden wurden 1987 in Filderstadt-Bonlanden (Württemberg) gegründet. Der Ort war mit Bedacht gewählt, denn rund 140 Jahre zuvor war eben in Bonlanden die methodistisch geprägte Evangelische Gemeinschaft gegründet worden.

Die Evangelische Gemeinschaft ist 1968 weltweit in der Evangelisch-methodistischen Kirche aufgegangen. Unterstützung haben die Evangelischen Missions-Gemeinden von der Synode von Nordwest-Kanada, die die Gründung der Evangelisch-methodistischen Kirche abgelehnt hatte und das geistliche Erbe der Evangelischen Gemeinschaft für sich beansprucht. Enge Verbindungen gibt es auch zu Gemeindegründungsarbeit in Rumänien und Russland. «

Ebenfalls eine Stunde pro Woche sendet aus Nauen Reach Beyond, eine der Nachfolgestrukturen des einstigen Radio HCJB. Sofern es in den letzten Jahren nicht zu konzeptionellen Änderungen kam, zielt dieses Programm speziell auf Tschetschenien. Die Ausstrahlung am Sonnabend läuft von 16.30 bis 17.30 Uhr auf 9500 kHz.

Eigentlich gäbe es bei der Sendezeit in Nauen einen anderen vierten Platz, und zwar die wöchentlichen anderthalb Stunden der äthiopischen Oromo-Befreiungsfront, Sagalee Bilisumma Oromoo.

Hier ist eine Klärung der aktuellen Situation erforderlich. Die SBO findet sich zwar nach wie vor in der Kundenliste, jedoch nicht mehr in der Tabelle der Sendeplätze.

Radio Nederland Wereldomroep – Onderweg
Archivbild: Die für Lkw-Fahrer bestimmte Sendung des 2012 abgeschalteten Radio Nederland Wereldomroep

Außerdem verbleiben in Nauen zwei monatliche Sendefolgen auf der Frequenz 6095 kHz. Sie war von 2012 bis 2016 täglich mit Programm aus den Niederlanden aktiv, darunter eine Sendung für Lkw-Fahrer, die nach der faktischen Schließung von Radio Nederland Wereldomroep hier noch weitergeführt wurde.

Jetzt kommt jeweils am ersten Sonntag des Monats von 10.00 bis 11.00 Uhr Welle 370. Am 24. November von 13.00 bis 15.00 Uhr, am 15. Dezember von 12.00 bis 13.00 Uhr sowie am 12. Januar, 9. Februar und 9. März jeweils von 13.00 bis 14.00 Uhr vorgesehen ist SM Radio Dessau. Für den 25. Dezember von 10.00 bis 11.00 Uhr verzeichnet ist eine erneute Sendung SE-TA 2.

Die Planungen der Media Broadcast sehen auch 2024 für den Heiligabend wieder die jährliche Kurzwellensendung des Norddeutschen Rundfunks von 19.00 bis 22.00 Uhr vor. Dabei soll aus Nauen diesmal nur die in das Gebiet um Afrika gerichtete Frequenz 13830 kHz betrieben werden.

Auf 9635 kHz soll die Sendung hingegen, wie schon bis 2021 praktiziert, noch einmal aus Moosbrunn kommen. Das dürfte die erste und zugleich letzte Nutzung der Drehstandantenne für diesen Zweck sein, zugleich auch der einzige nochmalige Einsatz dieser Antenne nach dem Ende der Ausstrahlungen von Adventist World Radio.

Ansonsten ist wieder das bekannte Schema vorgemerkt: Übertragung aus Frankreich auf 6030 und 11650 kHz, aus Usbekistan auf 6080 kHz und aus den USA auf 15770 kHz.

Kurzwellenantenne von RBI / Funkhaus Berlin
Der Sonderbriefmarkenblock zum 25. Geburtstag des Rundfunks der DDR

Die meisten der Ausstrahlungen aus Nauen laufen über vier Sendeeinheiten, die von 1995 bis 1997 aufgebaut wurden.

Das gilt jedoch nicht für die Frequenz 6095 kHz. Sie kommt von der einzigen Antenne von Radio Berlin International, die noch existiert und es als Wahrzeichen bis auf eine Briefmarke geschafft hatte.

Nicht mehr im Einsatz ist dabei der alte Sender KWZ 1, den die Deutsche Welle im Jahre 2000 abgekündigt hatte. Zuletzt wurde er außer mit Eigenprogramm auch mit einer englischen Sendung von Radio Nederland Wereldomroep bespielt.

Nach mehreren Jahren für andere Kunden wieder in Betrieb ging die Antenne vielmehr mit einem Sender, der aus der untergehenden Station Jülich herausgeholt wurde. Auch das bestehende Technikgebäude blieb aufgegeben; der Ersatz ist direkt an der Antenne untergebracht.

Dreh- und schwenkbare Antenne in Nauen
Die Antenne des einstigen Senders KWZ 1 mit ihrer heutigen Senderanlage | © Haveljung, CC

Der 1964 in Betrieb genommene KWZ 1 war nicht der erste Rundfunksender in Nauen. Den Anfang gemacht hatte fünf Jahre vorher ein in die museale Sammlung aufgenommener, unter der Bezeichnung HF-B geführter Sender mit 50 kW und noch sehr bescheidenen Antennen.

1972 kam der erste 500 kW starke, aus der Schweiz importierte Sender. Er diente zunächst mit einer Quadrantantenne den Europa-Programmen, die sich bei der vor allem abends immer massiveren Überbelegung der Kurzwelle nur mit dieser hohen Sendeleistung überhaupt noch Gehör verschaffen konnten.

Um auch das Chile-Programm von RBI mit 500 kW abstrahlen zu können, entstand nach Pinochets Machtergreifung kurzfristig eine erste Vorhangantenne, mit entsprechender Abstrahlrichtung und einem Frequenzbereich von 6 bis 12 MHz.

Ab 1978 folgte ein umfangreicher Antennenkomplex für Ausstrahlungen in alle Weltgegenden, mit dem der Rundfunk der DDR fortan auch den Reisenden der Transitzüge Berlin – Hamburg seine Visitenkarte gab. Dazu entstanden zwei weitere Sender mit 500 kW, wie die Antennen von sowjetischen Lieferanten.

Nicht mehr zur Ausführung kam der angedachte weitere Ausbau, der möglicherweise den Standort Wiederau bei Leipzig einbezogen hätte. Dort wie auch in Königs Wusterhausen gab es nur Sender mit 100 kW, dazu einfache Dipol- und Rhombusantennen, die den Ansprüchen kaum noch genügen konnten.

„Abstimmung mit der Deutschen Welle“
Notiz zu unverbindlichen Abstimmungen mit der DW vom 25.09.1990
„Ab 2.10.1990 um 23.00 UTC Sendebetrieb für die Deutsche Welle aufgenommen“
Niederschrift vom 04.10.1990

In welcher Art und Weise mit den Menschen von RBI umgegangen wurde, zeigen neben den damaligen Aushängen im Funkhaus auch die Unterlagen der Sendestellen: Selbst eine Woche vor „Null“ konnten nur unverbindliche Vorabsprachen mit der Deutschen Welle festgehalten werden.

Erst am 4. Oktober 1990 wurde nachträglich dokumentiert, was keine 40 Stunden zuvor im Rundfunkknotenamt Berlin-Lichtenberg geschah und von den Technikern in Nauen als gruselig empfunden wurde: Eine sehr schlichte Umschaltung um Mitternacht.

In der so eingeführten Form lief der Sendebetrieb noch drei Jahre. 1993 kündigte die Deutsche Welle alle Ausstrahlungen aus Königs Wusterhausen und Wiederau. Die dortige Kurzwellentechnik wurde stillgelegt und verschrottet.

Die weitere Entwicklung in Nauen zeigt ein Film über den Untergang der Firma Telefunken. Dessen Formulierungen und Inszenierungen sollte man nicht auf die Goldwaage legen und als Dokument damaliger Befindlichkeiten nehmen.

Der Beitrag enthält Bildmaterial von den Altanlagen. Zu sehen sind ab 7'42 der Antennenkomplex, ab 8'38 das Notstromaggregat, ab 9'01 der Sender KWZ 2 aus der Schweiz, ab 9'09 einer der beiden sowjetischen Sender KWZ 3 oder KWZ 4 und ab 10'25 der Sender KWZ 1 mit Antenne.

Der Teil 2 des Films zeigt ab Minute 5, wie die Neuausstattung um ein Haar komplett an französische Auftragnehmer gegangen wäre. Telefunken gelang es gerade noch, wenigstens die Sender beistellen zu dürfen. Dafür entwickelte man eine völlig neue Bauart, von der anschließend nur noch ein weiteres Exemplar nach Norwegen verkauft werden konnte.

Die Antennenkonstruktion mit integrierten Sendern ist als „ALLISS“ bekannt, weil sie an beiden Bestandsstandorten in Frankreich errichtet werden sollte. Letztlich wurde der Kurzwellenbetrieb in Allouis jedoch eingestellt. Die zwölf neuen Sendeeinheiten für Radio France Internationale fanden ihren Platz alle in Issoudun.

Der eher bescheidene Neuaufbau in Nauen war ein Politikum. Entsprechend befand sich unter den Gästen der Einweihungsfeier der Staatssekretär der brandenburgischen Staatskanzlei.

2007 war es mit alldem schon wieder vorbei: Die Deutsche Welle kündigte vorzeitig den eigentlich bis 2016 geschlossenen Ausstrahlungsvertrag, der Grundlage für die Investitionen war. Dafür nahm sie eine Abstandszahlung von 14 Millionen Euro in Kauf.

Hintergrund war, ein günstigeres Angebot aus England wahrzunehmen. Dabei erscheint als zweifelhaft, ob unter dem Strich mit diesem Vorgehen wirklich Geld gespart wurde, denn schon 2010/2011 kam es beim Kurzwellenhörfunk der Deutschen Welle zu den ersten umfangreichen Einstellungen.

Inzwischen konnte die Media Broadcast diesen Kunden zurückgewinnen. Viel zu holen gibt es dabei nicht mehr, weil – siehe oben – nur noch ein winziger Rest des einstigen Sendevolumens übrig ist.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 27.10.2024