Rückblick und aktuelle Situation - Der Restbetrieb des Kurzwellenrundfunks in England
Auch in England (die anderen Länder von Großbritannien blieben hier stets außen vor) beschränkt sich der Kurzwellenrundfunk heute auf einen Restbetrieb. Anfang des vergangenen Jahrzehnts wurden drei Viertel der bis dahin vorhandenen Kapazitäten stillgelegt.
Noch keine spürbaren Einschnitte brachte 1992 die Schließung der Station Daventry. Nachdem der Mittelwellenbetrieb hier bereits 1978 sein Ende fand, war noch die Kurzwelle mit zuletzt sechs Sendern verblieben. Deren Aufgaben konnten die anderen, größeren Sendeanlagen mit übernehmen.
Der wirkliche Rückbau begann 2011 mit der Schließung der Station Rampisham, ganz im Süden von England. In ihrem letzten Ausbaustand verfügte sie über zehn Sender mit einer Leistung von jeweils 500 kW.
Die 1941 eröffnete Station war ursprünglich zur Verstärkung der Ausstrahlungen nach Deutschland bestimmt. Somit zeigte sich hier die Ironie der Geschichte in besonderer Vollendung, denn die allerletzten Töne, die jemals aus Rampisham gesendet wurden, kamen – von der Deutschen Welle, deren deutsches Radioprogramm selbst in diesem Moment endete.
Diese denkwürdige Konstellation bahnte sich an, als 2006 der bestehende Vertrag mit der Deutschen Telekom über den Betrieb der Großsendeanlage Wertachtal bei Buchloe endete.
Eine Ausschreibung der Deutschen Welle für die weitere Kurzwellenausstrahlung ihres Hörfunks gewann der privatisierte Senderbetrieb des BBC World Service. Das dürfte, nachdem bei der BBC der Ausstieg aus diesem Verbreitungsweg bereits in vollem Gang war, das Leben der Station Rampisham verlängert haben.
Es blieb indes bei wenigen Jahren, da 2011 neben dem deutschen Programm auch zahlreiche fremdsprachige Radiosendungen der Deutschen Welle entfielen. Die technische Abwicklung des kleinen Restes, der jetzt noch übrig ist, liegt wieder in den Händen der heutigen Media Broadcast.
Ob die DW mit der Neuvergabe für nur fünf Jahre überhaupt Geld gespart hat, ist fraglich. Denn um tatsächlich den kompletten Auftrag auszuschreiben, kündigte man auch vorzeitig die erst 1997 bei Nauen neu errichtete, bis heute aktive Sendetechnik. Das kostete die Deutsche Welle eine Abstandszahlung von 14 Millionen Euro.
Schon wenige Monate nach der Einstellung des Betriebs in Rampisham wurden die Technikräume in ein Trümmerfeld mit ausgeweideten Gerippen der Sender verwandelt. Ein erster Teil der Türme verschwand aus der Landschaft, indem man sie gleich mit den an ihnen montierten Antennenvorhängen umstürzen ließ.
Eigentlich sollte das Antennengelände als Solarpark genutzt werden. Das scheiterte jedoch an dessen Bewertung als ökologisch wertvolle Trockenwiese. Ein Ersatzgrundstück in unmittelbarer Nähe wurde unter der Maßgabe bereitgestellt, auch noch die restlichen Antennen zu eliminieren.
Das Senderhaus und die Nebengebäude sind heute, mit markenrechtlich fast schon bedenklicher Beschilderung, ein Gewerbeobjekt.
Über die älteren Streetview-Bilder ist auch gleich nachzuvollziehen, wem die Sendeanlagen des BBC World Service zeitweise gehörten: Was im ersten Schritt als „Merlin Communications“ ausgegliedert wurde, kam dann zum Rüstungskonzern Vosper Thornycroft, der 2010 von Babcock geschluckt wurde.
Schon nichts mehr zu tun hatte die Station Rampisham mit der Bereinigung des Portfolios, die der Konzern 2018 vornahm. Er verkaufte das Mediengeschäft an den Fernsehtechnik-Dienstleister Encompass, der seine Aktivitäten damit auf traditionelle Hörfunkdistribution ausweitete.
Fast schon ein Synonym für den englischen Kurzwellenrundfunk schlechthin war Skelton, ein kleiner Ort bei Penrith im Norden von England. Das hatte seinen Grund: Auf dieser Station waren im letzten Ausbaustand nicht weniger als 18 Sender aktiv.
Nahezu parallel zur Abschaltung der Station Rampisham endete in Skelton der Betrieb in diesem Haus. Die dort installierte, noch aus den 60er Jahren stammende Technik wurde verschrottet. Einige Teile konnten für ein Museum sichergestellt werden.
2013 fanden auch die Ausstrahlungen aus dem anderen, erst Anfang der 90er Jahre neu ausgestatteten Komplex ihr Ende. Dessen Ausrüstungen blieben erhalten, da der Standort Skelton ohnehin weiter mit dem militärischen Längstwellensignal GBR (16 kHz) aktiv ist. Die dafür errichtete Antenne ist mit 365 Metern das höchste Bauwerk von Großbritannien.
Eine nochmalige Nutzung der Kurzwellensender galt jedoch von vornherein als äußerst unwahrscheinlich. Nach einem Jahrzehnt wäre es auch nicht mehr damit getan, die Sender wieder mit Röhren und Vakuumkondensatoren auszustatten. So ist, obwohl das Wasser abgelassen wurde, inzwischen mit Korrosionsschäden an den Kühlungen zu rechnen.
Zu fast 100 Prozent endgültig ist somit die Beschränkung auf einen Standort: Woofferton im Westen von England. Die dortige Kurzwellenstation war, zusammen mit den ursprünglichen Sendern in Skelton, 1943 in Betrieb gegangen.
Nach 2005 erhielt die Station vier neue Sender einer Firma aus Zagreb, um die Nutzung der auch hier noch vorhandenen alten Bauart auf ein Minimum zu reduzieren. Vermeiden wollte man insbesondere Wechsel des Frequenzbandes, bei denen schwere Komponenten auf Schienenwagen auszutauschen waren.
Ein solcher neuer Sender ist außerdem nach Skelton geliefert worden. Später erhielt ihn die BBC-Station in Singapur, die seit Juli 2023 nun ebenfalls Geschichte ist. Von dort traf der Sender, in Einzelteilen verpackt, inzwischen in Woofferton ein und wartet darauf, noch ein drittes Mal installiert zu werden.
Die Spezialität des alten Senderkomplexes in Skelton waren Ausstrahlungen im 75-Meterband. Zwar sind deutschsprachige Programme auf 3975 kHz seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert Geschichte. Die andere 75-Meterfrequenz, 3955 kHz, wird hingegen auch heute noch nachgefragt.
Um diese Sender aufgeben zu können, war somit auch in Woofferton das erforderlich, was schon im Wertachtal geschah, als sich die Deutsche Welle von der Station Jülich zurückzog: Der Neuaufbau einer Antenne für diesen Frequenzbereich.
Eine wirkliche Besonderheit ist in Woofferton die zusätzliche Verbreitung lokaler Programme. In der Vergangenheit gab es hier eine Kleinmittelwelle für die BBC, heute einen UKW-Sender des privaten Sunshine Radio.
Bis vor kurzem war Sunshine Radio auch auf Mittelwelle aktiv. Der einige Kilometer entfernte Sender wurde ebenfalls von den Woofferton-Technikern betreut, was seiner Stillsetzung eine ungewöhnlich große Aufmerksamkeit bescherte.
Bildmaterial sowohl dazu also auch zur Kurzwellentechnik in Wofferton findet sich in diesem Kanal.
Schaut man sich nun die heute noch verbliebene Nutzung dieser Anlagen an, dann ist eine nur noch untergeordnete Rolle der BBC zu konstatieren. Deren Buchungen sind inzwischen auf weniger als sieben Frequenzstunden am Tag zurückgegangen.
Wieder in den Vordergrund gerückt ist somit die Voice of America, die von 1961 bis 1997 die Station komplett angemietet hatte. Die beiden Modernisierungsrunden, die es in dieser Zeit gab, wurden zwar von der BBC mit der englischen Firma Marconi als Lieferant realisiert, jedoch von der US-amerikanischen Seite bezahlt.
Eine andere Frage ist, wie lange die VOA noch im jetzigen Umfang aus Woofferton zu hören sein wird. Auch in Washington wird inzwischen laufend geprüft, ob sich die Nutzung der Kurzwelle noch lohnt.
Darüber hinaus verfolgt man die Strategie, die Anmietung fremder AM-Kapazitäten nach Möglichkeit abzulösen. Die Ausstrahlungen über Anlagen der Media Broadcast wurden bereits vor Jahren beendet, und Radio Free Europe / Radio Liberty hat sich aus Woofferton inzwischen ebenfalls zurückgezogen.
Bis zum 30. März 2024 gibt es, bezogen auf Mitteleuropäische Zeit, folgende Übertragungen von VOA-Programmen:
15.00-16.00 Uhr: 15595 kHz; Kurdisch
15.30-17.30 Uhr: 9835 kHz; Afghanistan
17.00-19.00 Uhr: 11610 kHz; Somali
17.30-18.00 Uhr*): 13865 kHz; Englisch
17.30-18.00 Uhr: 15260 kHz; Suaheli
18.30-19.00 Uhr*): 9480 kHz; Oromo
19.00-20.00 Uhr*): 9485 kHz; Amharisch
21.30-22.00 Uhr: 9765 kHz; Haussa
*) Nur Montag bis Freitag.
Ein recht großer Kunde ist bis heute die südkoreanische Rundfunkgesellschaft KBS mit täglichen fünf Frequenzstunden.
In bemerkenswerter Weise spart KBS das Geld dafür beim Programm. Erneut getroffen hat das die Sendungen in deutscher Sprache, die ab 29. Januar unter anderem statt neuer Sprach- und Literaturbeiträge nur noch Wiederholungen enthalten.
IBRA-Radio, ein schwedischer Missionssender, nutzt den Standort Woofferton für Programme in arabischer Sprache, derzeit von 18.00 bis 19.00 Uhr auf 9775 und 15260 kHz sowie von 18.30 bis 20.00 Uhr auf 11965 und 15510 kHz.
Von 22.00 bis 22.15 Uhr, sonntags bis 22.45 Uhr, sind aus Woofferton jene Nachfolger des einstigen Radio HCJB zu hören, die heute als Reach Beyond auftreten.
Ausgestrahlt wird eine Sendung für Berber in Marokko. Erfahrungsgemäß dürfte mit dem Beginn der Sommerzeit am 31. März zwar die Sendezeit aus hiesiger Sicht auf 23.00 Uhr rücken, die Frequenz 7300 kHz jedoch unverändert bleiben.
Weiterhin aus Woofferton abgestrahlt wird das im Tschad produzierte Radio Ndarason: Derzeit von 6.00 bis 7.00 Uhr auf 7425 kHz, anschließend bis 8.00 Uhr auf 9535 kHz sowie von 19.00 bis 20.00 Uhr auf 12050 kHz.
Nicht mehr in Frequenzunterlagen zu finden sind Sendeplätze für das im vergangenen August mit großspurigen Ankündigungen gestartete „Yoruba Nation Radio“. Sollte es tatsächlich eine Eintagsfliege geblieben sein, war das allerdings auch nicht anders zu erwarten.
Zeitweise zu Radio Vatikan ausgelagert hatte Encompass eine der arabischsprachigen Sendungen des Missionswerks Follow the Bible. Inzwischen werden sie wieder durchweg mit eigenen Kapazitäten abgewickelt.
Dennoch bleibt der Umfang dieser Ausstrahlungen aus Woofferton bescheiden: Nur sonntags, derzeit von 19.30 bis 20.00 Uhr auf 9585 kHz sowie von 21.00 bis 21.30 Uhr auf 7315 oder/und 7380 kHz.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 28.01.2024