Gut verkaufte Papstentscheidung - Sendestation von Radio Vatikan erhält Photovoltaik-Anlage
Nach mehr als einem Jahrzehnt schafften es die Sendeanlagen von Radio Vatikan wieder einmal in die Berichterstattung über das allgemeine Zeitgeschehen – diesmal mit einem Thema, das die katholische Kirche in ein vorteilhaftes Licht rückt.
Auf dem Gelände der Sendestation bei Santa Maria di Galeria soll eine Photovoltaik-Anlage entstehen. Vorgesehen ist eine Bauform, bei der unter den Panelen weiterhin Landwirtschaft betrieben werden kann.
Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht mitgeteilt. Somit bleibt abzuwarten, ob Panele ausreichender Kapazität und auch eine Speicheranlage vorgesehen sind, um tatsächlich, wie es die Kommunikation suggeriert, den Bedarf sowohl der Sender als auch der Vatikanstadt voll zu decken.
Zusätzlicher Platz ließe sich im Ostteil des Geländes damit schaffen, die Reste der 2012 stillgelegten Mittelwellenanlagen zu beseitigen: Das Senderhaus, bei dem auch die beiden Masten der nicht offiziell dem Rundfunk zugeteilten Frequenz 1611 kHz standen, und der Standplatz der Antenne 1530 kHz.
Diese Mittelwellensender waren Gegenstand einer harten Auseinandersetzung mit der Republik Italien, da die außerhalb der Station erzeugten Feldstärken einschlägige Grenzwerte überschritten.
Der Vatikan versuchte zunächst, das Thema mit Verweisen auf den exterritorialen Status des Geländes auszusitzen. Die italienische Seite reagierte mit der Anklage von Verantwortlichen (Tatbestand, bezogen auf die HF-Strahlung: „Werfen gefährlicher Gegenstände“) und der Drohung, das Objekt vom Stromnetz zu trennen.
Im Vorgriff auf die Einstellung der AM-Verbreitung in Europa reduzierte Radio Vatikan schließlich die Sendeleistung auf 1530 kHz von 600 auf nur noch 75 kW. Da in weiter entfernten Gebieten, so auch in Deutschland, damit kein brauchbarer Empfang mehr möglich war, mietete man als Ersatz zeitweise Sendezeit auf Frequenzen von Radio Monte Carlo.
Eigentlich sollte in Santa Maria di Galeria inzwischen auch der Kurzwellenbetrieb beendet sein. Hintergrund ist eine Umstrukturierung, die das Radio mit der Zeitung Osservatore Romano und dem vatikanischen Fernsehdienst (CTV) in einer neuen Struktur aufgehen ließ, dem heutigen „Dikasterium für Kommunikation“.
Der Intendant Federico Lombardi wurde schleichend abgesetzt, indem er nacheinander die Zuständigkeiten für das Presseamt, den Fernsehdienst und Radio Vatikan verlor. Seine öffentlichen Äußerungen zum Thema beschränkten sich auf nicht zitierwürdige, von Loyalität geprägte Allgemeinplätze.
An die Stelle von Lombardi trat Dario Viganò, ein – nicht mit dem Erzbischof Viganò zu verwechselnder – Geistlicher aus der Lombardei, der als Chefredakteur auch gleich noch sich selbst einsetzte.
Viganò entschied, die ihm unterstellten elektronischen Medien einheitlich als „Vatican News“ auftreten zu lassen – in allen Sprachen und auch im Radio, was sich einigermaßen unbeholfen anhörte. Selbst die eigenen Redaktionen scheinen den Termin dafür erst drei Tage vorher aus der Zeitung erfahren zu haben.
Der Präfekt hatte eine kurzfristige Umsetzung zum 17. Dezember 2017 angeordnet, da es ein Geburtstagsgeschenk für den Papst werden sollte. An den Start ging die neue Plattform Vaticannews.va deshalb als Baustelle, die von toten Links und ähnlichen Fehlern strotzte.
Völlig unvermutet war es drei Monate später mit der Allmacht des Monsignore Viganò vorbei. Zu Fall brachte er sich, indem er stolz einen Brief des früheren Papstes Benedikt XVI. präsentierte und dabei eine Anmerkung, die das harmonische Bild störte, unkenntlich machte.
Das geschah, während sich die Meinungen über Joseph Ratzinger zusehends verdunkelten. Dabei gab es auch eine ganz direkte Verbindung zu Radio Vatikan: In seiner Zeit als Chef der Glaubenskongregation ist Ratzinger dort regelmäßig aufgetreten.
Mit dem plötzlichen Abgang von Viganò war dessen Entscheidung, die AM-Sender stillzulegen, vom Tisch. Durchsetzen konnte er nur noch die Einstellung der letzten Ausstrahlungen innerhalb von Europa (für Flüchtlinge gedachte Zusatzfrequenzen des Arabisch-Dienstes sowie die Rosenkranz-Sendungen, deren Abstrahlrichtung man auf Nahost änderte).
Der Nachfolger von Dario Viganò ist Paolo Ruffini, der zuvor den Fernsehsender der katholischen Kirche in Italien, TV 2000, geleitet hatte. Damit wurde Ruffini zum ersten Nichtkleriker überhaupt, der einer Behörde der Kurie vorsteht.
Zur schweren Vertrauenskrise, in der sich die katholische Kirche in Deutschland befindet, leistet Ruffini gerade einen Beitrag: Er lehnt es ab, auf die Verwendung von Kunstwerken des tief in Missbrauchsvorwürfe verstrickten Marko Rupnik zu verzichten.
Schon 2019 kam es zum Skandal, nachdem das als Beilage zum Osservatore Romano herausgegebene Frauenmagazin Donne Chiesa Mondo das Totschweigen des bis zur Zwangsprostitution gegangenen Missbrauchs von Ordensfrauen kritisiert hatte.
Wenige Wochen später erklärte die Gründerin des Magazins, Lucetta Scaraffia, ihren Rückzug. Begründung: Die Redaktion werde zunehmend „von oben“ mit Journalistinnen besetzt, die „Gehorsam garantieren“. Dem folgte ein Ringen um die Deutungshoheit darüber, ob diese Redaktion mit zurückgetreten war oder nicht.
Die Zusammenstellung des Frauenmagazins wurde jedenfalls neu organisiert. Zugleich hatte der Osservatore einen Umzug in das Funkhaus von Radio Vatikan anzugehen, da er, so stellten es zumindest italienische Presseberichte dar, aus den 90 Jahre lang genutzten Räumen in der Vatikanstadt regelrecht herausgeworfen wurde.
Radio Vatikan selbst erhielt nach knapp zwei Jahren seinen Namen zurück. Parallel endete überraschend die Tätigkeit des langjährigen Leiters der deutschen Redaktion, dem Jesuitenpater Bernd Hagenkord.
2021 verstarb Hagenkord. Bis in seine letzten Tage hatte er sich noch bei den Reformbemühungen der katholischen Kirche in Deutschland („Synodaler Weg“) engagiert.
Danach erschien eine Bemerkung, die nach kurzer Zeit wieder aus dem betreffenden Text verschwand:
„Er durfte Rom verlassen, ehe es bitter wurde mit der Zentralisierung, Verflachung und Re-Italianisierung der Vatikanmedien.“
Anfang 2020 hatte eine Redakteurin von Radio Vatikan diese Einschätzung notiert:
„Im Vergleich zu anderen im Haus genießt die deutschsprachige Redaktion, so empfinden wir das immer noch, etwas größere Freiheiten. [...] Unbehagen an uns wird dann bevorzugt mit dem Kostenargument verquickt. Wir seien zu viele und zu teuer, heißt es im Vatikan hinter nicht sehr vorgehaltener Hand.“
In der Tat ließ man zum Beispiel 2021 nicht unerwähnt, wie deutlich der Papst bei einem Besuch seine Unzufriedenheit mit den Vatikan-Medien (damit natürlich auch mit der von ihm selbst eingesetzten Leitung) geäußert hatte.
Unangenehm fiel dagegen die Verkleisterung der Realität im Beitrag der englischen Redaktion auf. Schwer zu erkennen ist, ob dessen Überschrift von besonderer Unempfindlichkeit zeugte oder im Gegenteil etwas zwischen den Zeilen mitteilen wollte: Der Papst habe seine Journalisten „ermutigt, sich immer auf die Suche nach der Wahrheit zu machen“.
Dazu, wie es dennoch selbst um den deutschen Sprachdienst steht, äußerte sich ebenfalls 2020 der Magdeburger Bischof Gerhard Feige im hier dokumentierten Interview, als es vordergründig um die Berichterstattung aus den ostdeutschen Bistümern ging:
„Inzwischen befragt man nicht mehr nur den vertrauten ‚Onkel in der Kolonie‘ nach seiner Einschätzung, sondern hört sich die ‚Einheimischen‘ selbst an. Vieles ist also authentischer geworden.
Andererseits kann man sich aber auch wundern, dass zum Beispiel die ‚Katholische Sonntagszeitung‘ mit dem Anspruch ‚für Deutschland‘ den Ostbistümern kaum einmal ein paar Zeilen widmet, und auch dann nur, wenn es einigermaßen den eigenen redaktionellen Vorstellungen entspricht.
Und bei Vatican News fällt neuerdings auf, dass manche kritischen Äußerungen sowohl west- wie ostdeutscher Zunge leicht systemkonform ‚zurechtgebügelt‘ werden.“
Wirft man nun noch einen Blick auf die Technik, dann erweist sich die jetzt mit Solarpanelen zu bebauende Station als wohl letzter Rest des Sendernetzbetriebs von Radio Vatikan. Die AM-Sender in der Vatikanstadt sind 2012 mit abgeschaltet und ihre Antennen 2016 demontiert worden.
2018 verschwand auch die auffällige UKW-Anlage. Womit sie ersetzt wurde, wäre ein Thema für Kenner der UKW-Infrastruktur in Rom. Übrig ist vom Antennenträger jedenfalls nur noch ein Stummel mit der Richtfunktechnik zur Anbindung der 19 Kilometer entfernten Station Santa Maria di Galeria.
In dem Gebäude um den markanten Turm fanden ursprünglich Produktion und Sendeabwicklung von Radio Vatikan statt. Ein starker Ausbau der Programme machte dafür 1979 die Auslagerung erforderlich.
Zurück blieb der Schaltraum. Die Schließung des Technikstandorts führte 2018 auch zu dessen Auszug. Vollzogen wurde er als Zusammenlegung mit dem Fernsehstützpunkt, der im Gegensatz zur Zeitungsredaktion offenbar weiter in der Vatikanstadt verbleiben soll.
Die Kurzwellentechnik der Sendestation Santa Maria di Galeria ihrerseits betreibt Radio Vatikan nicht nur für eigene Zwecke.
Schon länger üblich ist hier ein Austausch von Sendezeit mit anderen Rundfunkgesellschaften (darunter waren bereits zwei heute nicht mehr existierende: Stimme Russlands und Radio Canada International). Seit 2019 werden darüber hinaus auch Ausstrahlungen als bezahlte Dienstleistung abgewickelt.
Wie ein näherer Blick auf das bis zum 26. Oktober 2024 geltende Sendeschema zeigt, spielen die Eigenprogramme keine herausragende Rolle mehr. Die mit einem Stern markierten, nur sonntags laufenden Übertragungen sind liturgische Sendungen ohne redaktionelle Inhalte.
Radio Vatikan
00.00-00.30 Uhr: 7410 kHz; Chinesisch
06.40-07.20 Uhr: 9710, 11815 kHz; Ukr./Russ.
So 07.20-08.00 Uhr: 15595 kHz; Latein*
Mo-Fr 08.00-08.10 Uhr: 15595 kHz; Italien.
So 08.05-09.00 Uhr: 9710, 11815 kHz; Ukr.*
Mo-Sa 08.10-08.45 Uhr: 15595 kHz; Arab./Engl./Franz.
So 09.10-10.20 Uhr: 7250, 9710 kHz; Rumän.*
So 10.30-11.50 Uhr: 15595, 17790 kHz; Latein*
Fr 13.30-14.00 Uhr: 15595, 17790 kHz; Englisch
17.30-18.00 Uhr: 13830, 15565 kHz; Amharisch
17.30-18.00 Uhr: 15595, 17790 kHz; Arabisch
18.00-18.30 Uhr: 15595 kHz; Französ./Engl.
18.00-19.00 Uhr: 9710, 11815 kHz; Armen./Russ./Ukr.
18.00-19.00 Uhr: 15565 kHz; Suaheli/Somali/Engl.
19.00-19.20 Uhr: 9710 kHz; Weißrussisch
19.00-20.00 Uhr: 13830, 15565 kHz; Französ./Tigre
20.00-20.30 Uhr: 15565 kHz; Portugiesisch
So 20.40-21.00 Uhr: 11870, 13830, 15595 kHz; Latein*
22.00-23.00 Uhr: 9705, 11870 kHz; Engl./Französ.
23.00-23.30 Uhr: 11870 kHz; Portugiesisch
Voice of America
05.30-06.00 Uhr: 7260 kHz; Somali
07.00-07.30 Uhr: 9725 kHz; Haussa
Mo-Fr 07.30-08.00 Uhr: 9885 kHz; Französ.
09.00-09.30 Uhr: 15185 kHz; Haussa
12.30-13.00 Uhr: 15730, 17775 kHz; Somali
Sa 13.00-13.30 Uhr: 17540 kHz; Französ.
15.00-16.00 Uhr: 17530 kHz; Somali
16.00-17.00 Uhr: 15610 kHz; Kurdisch
17.00-17.30 Uhr: 17700 kHz; Haussa
19.00-20.00 Uhr: 17655 kHz; Portugiesisch
Mo-Fr 23.30-24.00 Uhr: 11900 kHz; Bambara
BBC
02.30-03.00 Uhr: 7295 kHz; Dari
Sa 07.00-08.00 Uhr: 17815 kHz; Kinyarwanda/Kirundi
So 07.29-08.00 Uhr: 17815 kHz; Kinyarwanda/Kirundi
14.00-14.30 Uhr: 17535 kHz; Französisch
Mo-Fr 16.00-16.30 Uhr: 25700 kHz; Haussa
So 17.30-19.30 Uhr: 21470 kHz; Englisch
Mo-Fr 19.30-20.30 Uhr: 15685 kHz; Amhar./Oromo/Tigre
20.00-20.30 Uhr: 9750, 11875 kHz; Französ.
Mo-Fr 20.30-21.30 Uhr: 12095 kHz; Amhar./Oromo/Tigre
Radio Dabanga
18.00-19.00 Uhr: 15550 kHz
Follow the Bible
So 20.30-21.00 Uhr: 9585 kHz
Bei der letztgenannten Ausstrahlung handelt es sich um arabischsprachige Produktionen eines Missionswerks aus dem Kundenkreis des Technikdienstleisters Encompass.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 30.06.2024