Kein Polnisch auf 1467 kHz mehr - Trans World Radio verließ Mittelwelle in Europa
Acht Jahre nach der Kurzwelle hat Trans World Radio in den außerhalb der früheren Sowjetunion liegenden Ländern von Europa jetzt auch die Mittelwelle verlassen. Mit der Sommerzeit endete die letzte noch verbliebene Sendung, arbeitstägliche 30 Minuten in polnischer Sprache.
Damit ist die Frequenz 1467 kHz aus dem südfranzösischen Roumoules insgesamt nur noch von 22.15 bis 24.00 Uhr mit der Abstrahlrichtung Nordafrika aktiv. Übertragen werden Programme in Berbersprache (Kabylisch, dies in der ersten halben Stunde) und Arabisch.
Der 50. Geburtstag dieser Sendestation war gerade mit einem Besuch des Fürsten von Monaco begangen worden, obwohl er nichts mehr damit zu tun hat: Das einstige Radio Monte Carlo bildet heute mit dem Fernsehsender BFM eine Mediengruppe im Besitz des Logistikunternehmens CMA CGM, und seit 2020 sendet RMC nicht mehr aus Roumoules.
Die Anlage entstand, weil der erste Langwellensender (siehe unten) kein ausreichend starkes Signal in Paris erzeugen konnte. Auch fast fünf Jahre nach der Abkündigung durch RMC ist eine Demontage der Langwellenantennen in Roumoules nicht beabsichtigt.
Stand vom 03.11.2024
Angefangen hatte Radio Monte Carlo mit der Sendestation Fontbonne. Auch sie stand schon in Frankreich, 1600 Meter außerhalb von Monaco.
1960 kam es hier zur maßgeblichen Verstärkung der Kurzwellentechnik. Dazu führte eine Entscheidung der Regierung von Marokko, dem Vorgänger von Trans World Radio die ab 1954 aus Tanger abgestrahlten Sendungen nicht weiter zu gestatten.
Für TWR erhielt die Station zwei zusätzliche Kurzwellensender mit jeweils 100 kW. 1982 folgte noch eine Großanlage mit 500 kW.
Von hier aus begannen 1961 auch die Sendungen des Evangeliums-Rundfunks in Wetzlar. Deren Ausstrahlung kostete ursprünglich 65.000 D-Mark pro Monat – das wären nach heutiger Kaufkraft nur wenig unter 200.000 Euro.
Fast in den Ruin stürzte den ERF dann die sofortige Nutzung einer weiteren Option, die sich 1966 eröffnete: Radio Monte Carlo stellte auch Sendeplätze auf Mittelwelle zur Verfügung.
Dazu kam es, nachdem RMC sich mit der neuen Sendestation Col de la Madone die Langwelle erschlossen hatte.
An ihrem ursprünglichen Standort verblieb die Ausstrahlung allerdings nur neun Jahre. Dann folgte der ganz große Umzug, 100 Kilometer weg von Monaco, heraus aus der für AM-Sender wenig geeigneten Gebirgslandschaft. Auf halber Strecke nach Avignon, bei Roumoules, entstand eine leistungsfähige Sendeanlage.
Aufgebaut wurden eine Hauptantenne aus drei Masten, welche die Sendeenergie in Richtung des zentralen Frankreichs bündelten, und als Reserve ein vierter Mast. Das Signal erzeugten ursprünglich zwei gekoppelte, nicht voll ausgefahrene Sender mit jeweils 1000 kW Nennleistung.
Der Standort Col de la Madone wurde damit nicht etwa aufgegeben, sondern auf Mittelwellenbetrieb umgebaut. So konnte einerseits die von 1978 an 1467 kHz lautende Frequenz verstärkt und andererseits mit 702 kHz eine zweite, auf Italien zielende Mittelwelle hinzugenommen werden.
Doch auch TWR wollte von den erweiterten Möglichkeiten profitieren. Vom Col de la Madone kam die Mittelwelle 1467 kHz ab 1987 somit nur noch tagsüber mit 40 kW für anderweitige Programme.
Die überregionalen Raumwellensendungen übernahm neu installierte Technik in Roumoules: Ein Sender mit 1000 kW und eine Antenne, die auf fünf verschiedene Abstrahlrichtungen umgeschaltet werden kann.
Alle ursprünglichen Veröffentlichungen über den Aufbau zusätzlicher, für TWR bestimmter Sendetechnik bei Radio Monte Carlo sprachen von deren exklusiver Überlassung.
Es war deshalb eine Überraschung, was 2001 geschah: Radio Vatikan mietete täglich zwei Stunden auf 1467 kHz, um eine drastische, von italienischer Seite rigoros durchgesetzte Absenkung der Leistung des eigenen Mittelwellensenders zu kompensieren.
Wegen der erheblichen Kosten blieb das eine Episode von fünf Jahren. 2012 gab Radio Vatikan auch die eigenen Mittelwellen endgültig auf. Die Antenne der Frequenz 1530 kHz wurde zunächst durch Teilabbruch symbolisch unbrauchbar gemacht und inzwischen vollständig beseitigt.
Heute ist die Sendestation von Radio Vatikan nur noch auf Kurzwelle aktiv. Auch dabei sind 2012 die Ausstrahlungen für West- und Mitteleuropa entfallen (die wenigen Ausnahmen, die es anfangs noch gab, sind inzwischen ebenfalls gestrichen).
Der ERF seinerseits beendete 2007 die Nutzung der Sender des früheren Radio Monte Carlo. Damals wurden sie noch durch die Mittelwelle 1539 kHz aus Mainhausen (unter der Bezeichnung des unweit befindlichen Langwellenstandorts Mainflingen) ersetzt.
Dazu hatte man 3 Millionen Euro in eine neue Antenne gesteckt. Das war eine Fehlinvestition; nach nur fünf Jahren wurde die Mittelwellenanlage 2011 stillgelegt und ist inzwischen komplett abgerissen.
Für die Fontbonne-Sender fand sich noch ein anderer Kunde: Ab 2007 liefen hier einige Programme von Polskie Radio, das seinerzeit die Media Broadcast mit der Kurzwellenverbreitung seines Auslandsdienstes beauftragte. Nach nur einem Jahr hatte sich das aber schon wieder erledigt.
Mit dem Wegfall immer weiterer Kurzwellensendungen von TWR war 2011 mit 17,5 Frequenzstunden pro Woche der Punkt erreicht, an dem die Anlage sich nicht mehr halten ließ. Der Einstellung des Betriebs folgte im Jahr darauf die Demontage der Antennen.
Mit der Mittelwelle 702 kHz ihrerseits war es 2015 vorbei. Nachdem 1996 die AM-Verbreitung des italienischen RMC-Programms ihr Ende fand, hatte sich hier noch eine ganze Reihe von Programmveranstaltern, darunter auch die Deutsche Welle, die Klinke in die Hand gegeben. Zeitlich längster und zugleich letzter dieser Kunden war ab 2007 das damalige China Radio International.
2016 folgte das Ende des Tagbetriebs auf 1467 kHz und damit die völlige Einstellung der Mittelwellensendungen vom Col de la Madone. Letzter Kunde dafür, ebenfalls von 2007 an, war das Frankreich-Programm von Radio Maria.
Damit verblieb einzig die Station Roumoules. Der 40. Jahrestag der Inbetriebnahme war dort noch gefeiert worden. Am 24. März 2020 folgte man jedoch dem Beispiel von Europe 1 und beendete die Ausstrahlung des RMC-Programms auf 216 kHz.
2022 tauchte das Sendesignal nochmals kurzzeitig auf. Die Meinung, es handele sich um Vorbereitungen für eine Reaktivierung, war aber wohl reines Wunschdenken. Es sah so aus, als sollten die Einschaltungen lediglich illegale Besteiger der 300 Meter hohen Langwellenmasten abschrecken.
Die Station ist ohnehin bis heute, betreut von vier Mitarbeitern, in Betrieb – eben für Trans World Radio, auch wenn dessen Ausstrahlungen auf 1467 kHz fast schon vergessen sind und bei zufälligem Antreffen teils für Erstaunen sorgen.
Zur Verstärkung der Sendungen nach Marokko, Algerien und Tunesien bezahlte TWR 2009 einen Umbau der Antenne.
Die Nutzung der Frequenz für Europa war 2015 mit dem Wegfall der AM-Sendungen nach Großbritannien und Irland schon einmal ganz beendet worden. Eine kleine Rückkehr folgte, als TWR sich zum Ende des Jahres 2016 von den Sendern in Albanien zurückzog, was die Schließung und Demontage dieser Anlagen nach sich zog.
Den größten Teil der zuvor über die Sender bei Durrës abgestrahlten Programme verlagerte TWR zur Sendestation Grigoriopol, direkt an der moldawisch-ukrainischen Grenze. Deren Nutzung endete mit dem September 2024.
Einzige Ausnahme war die Sendung in Polnisch. Sie wechselte nach Roumoules – nicht zurück, sondern erstmals, denn in der Vergangenheit kam das Programm nur über die Fontbonne-Sender auf Kurzwelle.
Am Nachmittag und frühen Abend auf 1467 kHz erscheinende Programme von TWR kommen nicht aus Roumoules, sondern von ganz woanders: Aus Kirgistan, wo dafür eine Anlage mit gebrauchten Sendern aus Deutschland aufgebaut wurde.
Hierzulande ist, trotz der Sendeleistung von 500 kW, davon allerdings kaum etwas zu hören. Das liegt an der Kombination aus der Entfernung von fast 5000 Kilometer und einer Antenne, die weg von Europa nach Afghanistan, Pakistan und Indien strahlt.
Beitrag von Kai Ludwig