Mittelwelle in Sankt Petersburg abgeschaltet - Radio Radonesh nicht mehr auf 684 kHz

Olgino
Blick von Sankt Petersburg zum Gaskraftwerk und den Sendeanlagen in Olgino | © CGP Grey, CC-BY-SA

Zumindest vorerst ist der AM-Rundfunk nun auch in Sankt Petersburg beendet: Das Radio Radonesh der russisch-orthodoxen Kirche hat die Mittelwelle 684 kHz, auf der es ohnehin nur fünf Stunden am Abend gesendet hatte, zum 16. März abgekündigt.

Die 10 kW starke Frequenz kam aus der Sendestation Olgino, am Nordufer der Newabucht. Der Sender von Tesla Hloubětín strahlte über jene am 205 Meter hohen Hauptmast angebrachte Reuse, von der bis 2013 die Langwelle 198 kHz kam.

Ursprünglicher Senderstandort war eine 2016 geschlossene Station im Stadtgebiet von Sankt Petersburg, unweit der Wolodarski-Brücken. Davon kündet eine alte Reichweitenskizze, die auch jetzt noch auf den Internetseiten von Radio Radonesh zu sehen ist.

Erster Nutzer der Frequenz war ab 1992 das kurzlebige Radio Ala mit seinen „poslednije nowosti i pesni bardow“: Nachrichten, aus dem Moskauer Funkhaus mit klassisch großem Besprechungsabstand von einem knarrenden Stuhl aus gelesen, ansonsten teils hörbar von Schallplatten singende Liedermacher.

Dieses Programm breitete sich quer über das russische AM-Sendernetz aus, so auch auf Kurzwelle und, dies jeweils nach dem Ende des deutschen Programms von Radio Moskau die Nacht hindurch, die Kaliningrader Mittelwelle 1386 kHz. Auf die offensichtlichen Fragen gab es keine Antworten. In den Worten von Wolf Harranth: „Der obskurste unter den Obskuren.“

Auch Radio Radonesh startete aus dem Funkhaus in der Moskauer Pjatnizkaja-Straße 25 und blieb ihm bis heute treu. Für schnelle Bekanntheit in Mitteleuropa sorgte zwar nicht der Sendeplatz auf der Mittelwelle 864 kHz (sie war seinerzeit noch mit hoher Leistung aus Rom belegt), aber ein anfangs ebenfalls genutzter auf den Kurzwellensendern in Jekaterinburg.

2013 wechselte Radio Radonesh in Moskau noch auf die kleinere Mittelwelle 612 kHz. Nach nur sechs Jahren war es durch einen Rauswurf aus der Sendestation Kurkino auch damit vorbei. Begründet wurde das seinerzeit mit einer Verwertung des Grundstücks als Bauland, von der allerdings bis heute nichts zu sehen ist.

Radio Radonesh, FM 72,92 MHz, AM 612 kHz
Archivbild: „Sie erreichen das Sendegebiet“ | © Radio Radonesh

Damit verblieb Radio Radonesh einzig die seit 2011 genutzte UKW-Großfrequenz 72,92 MHz des einstigen ersten Programms des Allunionsradios, soweit bekannt sogar mit Stereobetrieb im sowjetischen Polarmodulations-Verfahren (den es hier früher nicht gab; Radio Odin sendete bis zuletzt nur in Mono).

Das nützt aber immer weniger, denn Empfangsgeräte für das OIRT-Band sind längst auch aus dem russischen Einzelhandel verschwunden. Deshalb wollte Radio Radonesh seinerzeit noch an der Parallelausstrahlung auf Mittelwelle festhalten, um insbesondere für Autoradios erreichbar zu bleiben.

Bekanntlich hat die russisch-orthodoxe Kirche mittlerweile einen staatstragenden Charakter. Das ist nicht ohne historisches Vorbild: In Rumänien stand die orthodoxe Kirche selbst dem Ceaușescu-Regime nahe.

Wer sich deshalb über die Art und Weise der Behandlung durch den staatlichen Sendernetzbetreiber RTRS in Moskau wundert, teilt das durchaus mit Radio Radonesh selbst. Dessen Leiter äußerte sich 2022 so:

» Feinde Russlands schätzen die Effektivität unserer Aktivitäten hoch ein, was man von den staatlichen Strukturen, die zu ihrer Unterstützung aufgerufen sind, nicht sagen kann. «
Radio Maria, srednije wolny 1053 kHz
Das Petersburger Sendestudio | © Radio Maria
Radio Maria: The SOS
2024: Diese Kommunikation war selbstironisch gemeint. | © vk.com

Eigentlich gibt es in Olgino noch eine weitere Mittelwelle: Die 1053 kHz der 1999 gegründeten Petersburger Station von Radio Maria, einem weltweiten Netzwerk katholischer Sender (es ist in Deutschland mit Radio Horeb vertreten, während das reaktionäre Radio Mariya in Polen ihm nicht angehört).

Sie rutscht jedoch immer weiter in wirtschaftliche Schwierigkeiten und kann auch die Senderechnungen kaum noch bezahlen. Üblicherweise unterbricht RTRS die Ausstrahlung, auch auf einer zusätzlichen UKW-Stadtfrequenz in Wyborg, wenn die Schulden eine Million Rubel erreicht haben.

2022 blieb es noch bei etwas weniger als zwei Monaten Abschaltung. 2023 war es ein halbes Jahr. 2024 bestand die Funkstille von Juli bis Oktober.

Diesmal folgte schon im Januar die nächste, angekündigt für wiederum zwei Monate. Dieser Zeithorizont dürfte eher Wunschdenken sein. Mittlerweile erscheint die Frage angebracht, ob das Petersburger Radio Maria überhaupt noch eine Zukunft hat.

Red Radio Maria
Archivbild von 2015: Radio Maria Nederland in wirtschaftlichen Schwierigkeiten

Völlig außergewöhnlich ist diese Situation für das Maria-Netzwerk nicht. Auch dessen niederländische Station war vor Jahren in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.

W Peterburge na tschastote 73.1 FM. C 1 no 31 awgusta 2022 g. westschanija net. Westschanije w Tichwine prekrastscheno. Bestschanije w Wyborge prekrastscheno.
Die gesammelten Abschaltmeldungen von 2022 | © grad-petrov.ru

Ähnliches zu berichten ist von Grad Petrow, dem 1996 gegründeten Sender der Petersburger Diözese der russisch-orthodoxen Kirche. Er konnte 2010 in Olgino von der Mittelwelle auf UKW wechseln, allerdings wiederum nur eine der immer weniger nützenden Frequenzen im OIRT-Band.

2022 hatte Grad Petrow seine Ausstrahlungen wegen Geldmangel ebenfalls unterbrechen müssen. Die damals veröffentlichten Spendenaufrufe sind inzwischen verschwunden, die zusätzlichen UKW-Frequenzen in Tichwin und Wyborg allerdings auch, und zwar endgültig.

Bei der Räumung der Sendestationen im Stadtgebiet war mit 828 kHz auch noch eine dritte Mittelwelle nach Olgino umgezogen. Dieser Sender hat jedoch schon mit Ablauf des Jahres 2021 den Betrieb eingestellt.

Dazu führte das Ende von Radiogaseta Slowo, einem der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation nahestehenden Programm, das mit dem Tod seines Gründers sang- und klanglos verschwand. Danach konnte sich auch dessen Frequenzpartner, das wiederum orthodoxe Prawoslawnoje Radio, nicht mehr halten.

Bereits 2016 wurde in Sankt Petersburg die Ausstrahlung von Radio Teos, einer Station der protestantischen Far East Broadcasting Company, beendet. Grund war hier das Auslaufen der Lizenz, die stillschweigend keine Verlängerung mehr erfuhr, als offene Verbote noch nicht opportun waren.

Krasny Bor 1089 kHz
Krasny Bor: Sender 1089 kHz (Tesla Hloubětín, modernisiert); rechts einer der Kurzwellensender (Sneg-MU)
1.) und 4.) Fernsehturm St. Petersburg, andere Krasny Bor: 2.) Antenne 1494 kHz, 3.) Kurzwellenantennen, 5.) Sender 234/549/801/1494 kHz

Die betreffende Frequenz 1089 kHz kam aus Krasny Bor, im Südosten von Sankt Petersburg. Mit ihrem Wegfall endete der Sendebetrieb dort insgesamt, nachdem es mit den Übertragungen auf Kurzwelle und der letzten Großmittelwelle 1494 kHz bereits seit Ablauf des Jahres 2012 vorbei ist.

Im Satellitenbild (mit einer Beschriftung, deren Urheber leider falsch geraten hat) ist die Station auch jetzt noch zu sehen. Das Grundstück ist jedoch inzwischen verkauft und somit ein baldiger Abbruch der Antennen zu erwarten.

Wenn das eintritt, bleibt noch eine Erinnerung: Der örtliche Haltepunkt der Eisenbahn ist nach dem russischen Funkpionier Popow benannt, was in einer Referenzschleife wieder zur mitunter verwendeten Bezeichnung der Sendeanlagen wurde.

Die Sendestation Olgino ihrerseits ist auch dafür erwähnenswert, bis zum 1. März 2022 auf 91,5 MHz Echo Moskwy abgestrahlt zu haben. Seit dem 9. März 2022 läuft auf dessen UKW-Kette stattdessen das als „Radio Sputnik“ präsentierte Programm der Struktur Rossija Segodnja, die eigentlich für den Betrieb von Online- und Hörfunk-Auslandsmedien zuständig ist.

2023 übernahm Rossija Segodnja die Rechte an der Marke Echo Moskwy. Damalige Vermutungen, der Name könnte künftig für die UKW-Verbreitung im Inland genutzt werden, haben sich nicht bestätigt.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 16.03.2025