Wie lange noch? - AM-Sendungen der USA aus Deutschland

Sender Biblis
Die Sendeanlagen bei Biblis | © Kai Ludwig

Es ist wohl fast schon vergessen: Bis heute betreibt der Auslandsrundfunk der USA ganz im Süden von Hessen, bei Biblis und bei Lampertheim, zwei Kurzwellenstationen. Inzwischen stellt sich aber konkret die Frage, wie lange das noch so sein wird.

Vor einem Jahr gab es in Biblis noch 32,5 und in Lampertheim 39 Frequenzstunden am Tag. Im Winterhalbjahr 2024/25 ist das Betriebsprogramm auf diesen Rest geschrumpft:

Biblis
07.30-21.30 Uhr: 12005 kHz; RFE/RL Iran
11.00-14.00 Uhr: 17880 kHz; VOA Pakistan
15.00-16.00 Uhr: 15270 kHz; VOA Kurdisch
15.00-17.00 Uhr: 11965 kHz; RFE/RL Turkmenistan
17.00-20.00 Uhr: 7495 kHz; VOA Paschtun.
18.00-19.00 Uhr: 7475, 9820 kHz; VOA Kurdisch

Lampertheim
04.30-05.00 Uhr: 9825 kHz; VOA Somalia
11.30-12.00 Uhr: 17775 kHz; VOA Somalia
16.00-18.00 Uhr: 13590 kHz; VOA Paschtun.
17.00-19.00 Uhr: 11905 kHz; VOA Somalia
17.30-18.00 Uhr: 11850 kHz; VOA Afghanistan
18.00-18.30 Uhr: 9975 kHz; VOA Afghanistan
18.00-19.00 Uhr: 9760 kHz; VOA Kurdisch
18.00-20.00 Uhr: 12040 kHz; VOA Äthiopien
20.00-21.00 Uhr: 13590 kHz; VOA Englisch

Bei den mit der Sendesprache Paschtunisch bezeichneten Ausstrahlungen handelt es sich um ein gesondertes Programm für das Siedlungsgebiet dieser Ethnie in Pakistan, entlang des nordwestlichen Abschnitts der Grenze zu Afghanistan.

Die in Biblis und Lampertheim genutzten Frequenzen sind auf die jeweiligen Sendegebiete in Asien bzw. Ostafrika abgestimmt. Durch das Phänomen der Ausbildung „toter Zonen“ können sie innerhalb von Mitteleuropa nur sehr eingeschränkt empfangen werden.

Stand vom 17.11.2024


Voice of America, January-February 1950
© drmna.info

Die Anfänge dieser Sendungen finden sich in Übernahmen von der Voice of America, die es in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf den Rundfunksendern der amerikanischen Besatzungszone gab.

Kein Fehler im abgebildeten Programmheft war die Ausweisung der Kurzwelle 48,47 Meter, also 6190 kHz, unter Frankfurt (statt, wie in späteren Jahren, Bremen). In der Tat betrieb hier von 1948 bis 1954 der Hessische Rundfunk einen Kleinsender, da auf Mittelwelle zunächst nur mit geringer Leistung gesendet werden durfte.

Das klärte sich erst mit der Entscheidung, die extremen Beschränkungen, die Deutschland im „Kopenhagener Wellenplan“ auferlegt wurden, nicht weiter zu akzeptieren. Dazu kam es, als offensichtlich war, wie andere Länder, insbesondere Spanien, das gerade erst von ihnen selbst unterschriebene Dokument ignorierten.

Skala eines Radios, ca. 1950
Berlin auf 782 kHz, Leipzig auf 1043 kHz, Leipzig II auf 1322 kHz, Königs Wusterhausen auf 263 kHz. | © Kai Ludwig

Besonders augenfällig ist das Ausmaß der, wie man sie seinerzeit nannte, „Wellendemontage“ beim Blick auf die DDR. Hier sollten nur noch die Frequenzen 782 und 1043 kHz mit auf 70 kW beschränkter Leistung verbleiben.

Dabei wurde von der sowjetischen Seite (Deutsche waren von der Konferenz in Kopenhagen von vornherein ausgeschlossen) auch noch so getan, als sei die erstgenannte Frequenz für ihre Zwecke bestimmt, so wie die für die VOA in Ismaning bei München reservierte 1196 kHz.

Doch das war ein Trick. Die Ausstrahlung von Radio Moskau aus Wiederau bei Leipzig lief auf der Frequenz 1322 kHz, eingetragen unter „Ushgorod“, also mit fingierter Standortangabe am Ostrand der Sowjetunion. Somit stand die Frequenz 782 kHz dem Sender Berlin-Tegel zur Verfügung, während der Mitteldeutsche Rundfunk aus Wiederau auf 1043 kHz senden konnte.

Teil 2 des Tricks war, auf der eigentlich aus Deutschland überhaupt nicht mehr zu nutzenden Langwelle zunächst einen Sender in Königs Wusterhausen ebenfalls auf sowjetischer Frequenz zu etablieren.

Das alles ist inzwischen ebenso Geschichte wie die Aktivitäten des Auslandsrundfunks der USA in Bayern (außer in Ismaning auch am berühmt-berüchtigten Standort Oberlaindern bei Holzkirchen). Hier kann fast schon von einem Umzug nach Kuwait gesprochen werden.

Lampertheim Station
2002: Einfahrt der Sendestation Lampertheim mit der seinerzeit aktuellen Bezeichnung „International Broadcasting Bureau“ | © Kai Ludwig

Bis heute aktiv sind hingegen die beiden Kurzwellenstationen, die ab 1950 für Radio Free Europe und für Radio Liberty in Hessen entstanden.

In Lampertheim machte den Anfang ein fahrbarer Sender mit 7,5 kW Leistung, der bald nach Portugal umsetzte. Dort wurde er zur Keimzelle der Station Glória do Ribatejo.

Sender Lampertheim
Hauptsenderraum in Lampertheim | © Kai Ludwig

Ihre heutige Gestalt erhielten die Kurzwellenstationen Lampertheim und Biblis in drei Ausbaustufen, realisiert um 1977, 1986 und 1990. Bei den ersten beiden ging der Auftrag an ein Unternehmen aus den USA. Die zuletzt installierten Sender stammen hingegen aus Frankreich.

Seit 1994 stehen die technischen Infrastrukturen der US-amerikanischen Auslandssender unter einem Dach. Schon im Vorgriff darauf übernahm Radio Free Europe / Radio Liberty von 1991 bis 1993 die Ausstrahlung von Programmen der VOA für Deutschland.

Hintergrund war der Rückzug der US-amerikanischen Seite aus dem RIAS. Deshalb startete nach Jahrzehnten noch einmal ein deutsches Programm der VOA.

Bei dessen Verbreitung wollte man sich nicht allein auf die Mittelwelle 1197 kHz stützen. Die in Ismaning noch von der Reichsrundfunkgesellschaft übernommene Kurzwellentechnik war inzwischen völlig überaltert und durch eine Mitnutzung der Großstation Wertachtal bei Buchloe abgelöst worden.

Für die deutschen Sendungen gefragt war eine kostengünstige Lösung. Gefunden wurde sie mit einer Ausstrahlung aus Biblis, auf der Frequenz 3980 kHz im 75-Meterband, die auch in Winternächten einen Empfang innerhalb von Deutschland garantierte.

Sender Glória do Ribatejo
Sendersaal Glória do Ribatejo im letzten Ausbauzustand | © SIC Notícias

Hinzu kam noch eine zweite Frequenz aus Glória. Als die VOA hier im Winter mit ihrer deutschen Sendung die bereits vom Süddeutschen Rundfunk genutzte 6030 kHz belegte, lautete der Kommentar aus Stuttgart, natürlich nur hinter vorgehaltener Hand: Besatzungsmacht.

Diese Wiederaufnahme hielt ganze zwei Jahre; in der Formulierung der letzten Sendung: Sie landete im Sparschwein des amerikanischen Fiskus. Kurz danach entfielen auch die anderen Sendungen der VOA für West- und Mitteleuropa.

Das mündete 1996 in die Schließung der Station Glória. Ihre Antennen verschwanden 2005 von der Bildfläche. Die ausgeräumten Gebäude blieben verwüstet zurück.

Für die erst in den 80er Jahren ersetzte Technik in Glória fanden sich Nachnutzungen.

So gelangten drei Sender zunächst nach Sri Lanka. Als es 2016 auch mit der dortigen Station vorbei war, wurden sie noch einmal umgesetzt, und zwar zur letzten verbliebenen Sendeanlage der VOA in den USA, die jetzt noch in erster Linie für das Kuba-Programm Radio Martí in Betrieb ist.

Weitere Sendegeräte erhielt der griechische Rundfunk ERT. Eines davon wurde auch tatsächlich installiert und blieb im Einsatz, bis 2022 die Ausstrahlungen von ERT auf Kurzwelle entfielen.

Glória selbst wurde zur Legende, von Netflix verarbeitet zu einer Geschichte über „Spionage, Lügen und Geheimnisse“.

Sender Lampertheim
Lampertheim: Die nachträglich errichteten Jugoslawien-Antennen, davor die Koaxialleitungen zu den Bestandsantennen | © Kai Ludwig

Den Anlagen in Deutschland brachte hingegen der Untergang von Jugoslawien eine neue Aufgabe, die sogar zu einer nochmaligen Investition in Lampertheim führte: Es entstanden zwei Antennen für das neue Sendegebiet.

Lampertheim, Thomson-CSF
Zwei französische Kurzwellensender in Lampertheim | © Kai Ludwig

Inzwischen ist es nicht nur damit wieder vorbei. Auch von den Ausstrahlungen in die ursprünglichen Zielgebiete ist nur noch eine Sendung für Turkmenistan übrig, seit 2016 die russischen und weißrussischen Programme von der Kurzwelle genommen wurden und in der Zwischenzeit auch die Sendungen für Usbekistan sowie Tadschikistan folgten.

Zwar gab es im Januar 2022 Sendeversuche, mit denen man sich auf erneute Anforderungen für Osteuropa vorbereiten wollte. Doch diese kamen nie – zur sogar öffentlich geäußerten Verwunderung des Betriebsdirektors.

Es blieb bei der ergänzenden Übertragung von Programmen für jene der verbliebenen Zielgebiete, die sich mit den in Biblis und Lampertheim vorhandenen Antennen erreichen lassen. Das sind naturgemäß die Regionen neben und hinter der früheren Sowjetunion sowie, dank der nachträglichen Ergänzung in Lampertheim, auch noch Ostafrika.

Von Nutzen sind diese sehr eingeschränkten Möglichkeiten, weil es sich auf beiden Stationen um „kleine“ Sender mit 100 kW handelt, die sich entsprechend kostengünstig betreiben lassen.

Zur bislang jüngsten Reduzierung des Sendevolumens im vergangenen Sommer hatte eine nominell geringfügige Budgetkürzung geführt.

Jetzt geht es bei der Frage, was aus den Stationen Biblis und Lampertheim wird, um mehr als die Wirtschaftlichkeit des aktuellen Restbetriebs. Nach den Wahlen in den USA stehen beim Auslandsrundfunk drastischere Einschränkungen bis hin zu weitreichenden Abwicklungen im Raum.

 

Beitrag von Kai Ludwig