Erinnerungen - Indien und Radio Berlin International
Das neuerliche Interesse an den vor drei Jahrzehnten mit der DDR verschwundenen Rundfunkaktivitäten beschränkt sich nicht auf Deutschland. Auch Erinnerungen an die Sendungen nach Indien werden jetzt verstärkt geteilt. Dabei gibt es einen entscheidenden Unterschied zu früheren Wellen der Beschäftigung.
In der englischsprachigen Welt lag das Augenmerk bislang auf den Ausländern, die bei Radio Berlin International tätig waren. Einige von ihnen sind nie wirklich in der Nalepastraße angekommen und verleugneten nach 1990 ihre Mitwirkung. Wünsche nach einer Herstellung von Kontakten konnten deshalb von dieser Stelle aus auch nur enttäuscht werden.
Bei der jetzigen Beschäftigung mit dem Programm in Hindi, das es bei RBI ab 1967 gab, ist das anders. Hier liegt der Fokus einerseits auf den Hörern, andererseits auf den Einheimischen, die diese Sendungen gestalteten. Deren Namen sind dem Publikum in Erinnerung geblieben.
Ein Kapitel zu diesem Thema findet sich im Buch „Cordial Cold War“ von Anandita Bajpai (dazu auch Farbbilder). Die Autorin wendet sich gegen eine leichtfertige, auf östliche Sender beschränkte Verwendung des Begriffes Propaganda.
Im Vordergrund stehen ausführliche Gespräche mit einstigen Redaktionsmitgliedern. Ausgewertet wurden aber auch die Bestände des Deutschen Rundfunkarchivs. Aus der Hindi-Redaktion von RBI überliefert sind dort umfangreiches Schriftgut sowie rund 200 Tonbänder aus den Jahren 1988 bis 1990.
Verwiesen wird auf die besondere Stellung, mit der sich RBI gegen die großen, sendetechnisch wesentlich besser ausgestatteten Wettbewerber behaupten konnte: Es war weder die Stimme der alten Kolonialmacht (BBC) noch die einer Supermacht (Voice of America, Radio Moskau).
Mit der weitgehend von Einheimischen übernommenen Präsentation am Mikrofon wiederum hoben die Hindi-Sendungen von RBI sich nicht nur von denen der BBC und der VOA, sondern auch der Deutschen Welle ab. Die vermeintliche Notlösung erwies sich letztlich als Erfolgsfaktor.
Ausführlich beschrieben wird die bei RBI praktizierte Behandlung von Hörerzuschriften. Eine Stimme bemerkte dazu, man habe sich vom Sender ernstgenommen gefühlt und echte Empathie wahrgenommen.
Dabei fanden auch bestimmte außenpolitische Positionen der DDR beim indischen Publikum größere Zustimmung. Genannt wird hier die Haltung zu Südafrika, zu Chile (vor allem in den 70er Jahren selbst ein wichtiges Zielgebiet für RBI) und zum Vietnamkrieg.
Auf die Beschäftigung mit dem Thema aufmerksam machte jetzt ein Beitrag von Al Jazeera. Er berichtet auch über einen Dokumentarfilm, den es dazu ebenfalls gibt.
Dieser Film wurde im Oktober 2021 in der Nalepastraße vorgestellt. Anwesend waren laut Al Jazeera zahlreiche einstige RBI-Mitarbeiter, darunter der Intendant Klaus Fischer. Es ist beabsichtigt, die Produktion sowohl in Deutschland als auch in Indien breiter zu präsentieren.
Autor: Kai Ludwig; Stand vom 30.01.2022