Harald Martenstein über - Vergebung leicht gemacht
Sein Sohn muss vor der Erstkommunion nicht mehr beichten, unser Kolumnist Harald Martenstein reagiert ernüchtert. Sogar Gott hat offenbar inzwischen seine Ansprüche gesenkt.
Harald Martenstein ist katholisch erzogen, volles Programm, mit Rosenkranz, Weihwasserkessel und Nachtgebet. Er war katholisch, weil seine Mutter es wollte. Mit 18 ist er ausgetreten, weil alle in seiner Umgebung inzwischen ausgetreten waren, einschließlich seiner Mutter. Sie betete jetzt feuriger denn je, allerdings zu Willy Brandt. Martenstein war ein Mitläufer und machte sich nicht groß Gedanken über das, was er tat oder ließ. Sein großer Sohn ist nicht getauft, der Kleine schon. Inzwischen hatte er begriffen, wie menschenfreundlich und geradezu tollkühn christliche Ideen wie "Nächstenliebe", "Gnade" oder "Vergebung" sind, subversive Forderungen, die quer stehen zur Vergötterung des Ego im Spätkapitalismus (das ist jetzt eine Sprechblase, die aus den Tiefen seines 18-jährigen Ichs emporblubbert).