Rückblick - Die Anfänge von Jazzradio Berlin

In den vergangenen Monaten gab es Schlagzeilen von Fachmedien um Jazzradio Berlin. Deshalb sei an die fast vergessenen Anfänge dieses Programms erinnert, denn es startete bereits 1995 (wenn die hier vorhandenen Aufschreibungen korrekt sind: am 1. Mai nach einem Versuchsbetrieb ab 10. April).
Ein nicht ganz stummer Zeuge ist museal erhalten: Der Leitplatz der vor zwei Jahrzehnten nahezu spurlos verschwundenen Mittelwellenanlage in der Berliner Dammheide, zwischen Uhlenhorst und Mahlsdorf, offiziell als Funkamt Köpenick bezeichnet.
Das Schaltfeld der Modulationsleitungen zeigt sich im letzten Zustand vor der Aufgabe des Gebäudes. Zu diesem Zeitpunkt waren die Großsenderanlagen mit jeweils 250 kW schon einige Jahre außer Betrieb.
Zunächst hatte der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg darauf verzichtet, Antenne Brandenburg auf der vom Berliner Rundfunk übernommenen Frequenz 693 kHz weiter mit hoher Leistung auszustrahlen.
In der letzten, 1993 beendeten Betriebsphase bestand noch einmal der 1987 geschaffene Zustand, nur mit geänderter Frequenz: Das Programm aus Potsdam kam aus Königs Wusterhausen über eine neue, 40 kW starke, ursprünglich auf 603 kHz betriebene Senderanlage von Tesla Hloubětín.
Die Frequenz 1359 kHz ihrerseits, auf der einst tagsüber Radio DDR 1 und abends Auslandsprogramme von Radio Berlin International liefen, hatte noch der Deutschlandfunk genutzt. Schließlich entfiel auch diese Ausstrahlung, laut Aufschreibungen am 2. Juli 1993 mit dem Ende der nächtlichen Sendezeit um 4.00 Uhr.
Folgt man mündlichen Überlieferungen, dann gab es anschließend Bestrebungen, mit dem Großsender auf 1359 kHz den Evangeliums-Rundfunk zu verbreiten (der später mit Mainflingen 1539 kHz tatsächlich eine frühere DLF-Frequenz übernahm). Der Berliner Senat soll jedoch schon im Vorfeld gegen einen beabsichtigten Betriebsversuch eingeschritten sein.
Gestattet wurden nur noch Ausstrahlungen mit maximal 5 kW. Auch mit dieser massiven Einschränkung ging man daran, die Berliner Mittelwellen des Rundfunks der DDR für eine Nachnutzung zu erschließen. Dafür erhielt die Station Köpenick zwei neue Sender, die im Leitungsschaltfeld in den beiden Straßen der stillgelegten Technik erschienen.
Tatsächlich noch einmal zum Einsatz gelangte ein wie die Großanlagen schon sehr alter Sender, der auf 891 kHz mit eben jenen 5 kW Trägerleistung das Programm von Stimme der DDR übertragen hatte.
Zur ersten Nachnutzung kam es mit Radio Rossii aus Moskau, in einer direkten Übernahme, also ohne Programmteile des (auf der Langwelle Burg 261 kHz ausgestrahlten) Militärrundfunks Radio Wolga in Potsdam. Die dazu vorhandenen Informationen beschränken sich auf die damals gemachten Empfangsbeobachtungen.
Während diese Ausstrahlung noch lief, begann im November 1993 eine Übertragung von RTL-Radio, dem früheren Radio Luxemburg, aus Königs Wusterhausen; dies mit 20 kW und wieder auf der ursprünglichen Frequenz 603 kHz. Ende 1994 wechselte RTL-Radio von hier auf die Köpenick-Frequenz 891 kHz. Am 30. November 1996 gab es die Mittelwellenverbreitung in Berlin wieder auf.

Ab November 1993 sahen die beiden einstigen Hochleistungsfrequenzen in der Dammheide als Stadtsender eine Nutzung für die (2008 abrupt und endgültig eingestellten) Hörfunkaktivitäten der Firmengruppe um Technisat.
Ein Intermezzo blieb die Übertragung von Starsat-Radio auf 1359 kHz. Dieses Musikprogramm kam aus einem CD-Wechsler in der Unternehmenszentrale Daun (Eifel) und sollte ein zusätzliches Verkaufsargument für die Empfangstechnik des Anbieters liefern. Die Ausstrahlung auf Mittelwelle war eine reine Marketingmaßnahme, die nach einem Jahr endete.
Länger Bestand hatte die Verbreitung des Informationsprogramms Radioropa auf 693 kHz. Sie fand 1995 aus Kostengründen ihr Ende. Gleichzeitig entfiel auch die Nutzung der Kurzwellensender von Radio Prag bei Litomyšl, über die das Programm auf 5980 kHz (zeitweise 5975 kHz) zurück nach Deutschland abgestrahlt wurde.
Danach unterbreitete der seinerzeit zur Deutschen Telekom gehörende Rundfunksenderbetrieb dem inzwischen in Stimme Russlands umbenannten Radio Moskau das Angebot, als Ergänzung zur Großmittelwelle Wachenbrunn 1323 kHz diese Berliner Stadtfrequenz zu nutzen.
Aufgeschaltet wurde zunächst das Signal der bestehenden Modulationsleitung aus Moskau. Deshalb liefen in Berlin auch die eigentlich aus Wachenbrunn nach Südwesten abzustrahlenden Programmteile in Französisch und Spanisch, bis eine Auseinanderschaltung realisiert war.

Die Nutzung des Objekts in der Dammheide fand schließlich 2001 ihr Ende. Der Mittelwellenbetrieb zog aus Berlin heraus zur Langwellenstation in Zehlendorf bei Oranienburg.
Dort mündeten Budgetkürzungen, die sich als Beginn des völligen Endes der Stimme Russlands erwiesen, am 31. Dezember 2013 in die Einstellung der Ausstrahlung auf 693 kHz und damit des Mittelwellenbetriebs im Raum Berlin insgesamt (der Sender Zehlendorf blieb danach noch ein weiteres Jahr auf der Langwelle 177 kHz aktiv).
Jazzradio hat die Mittelwelle 603 kHz am 31. Juli 1996 aufgegeben, zwei Monate nachdem man die UKW-Frequenz 101,9 MHz in Betrieb nehmen konnte. Nach einem großen, 2010 vollzogenen Ringtausch sendet dort heute Metropol FM. Jazzradio übernahm dafür die Frequenz 106,8 MHz.
Diese war auf der Sendestation des früheren SFB am Scholzplatz ursprünglich für Radio Multikulti in Betrieb gegangen. Nachdem die frühere Ausprägung von Radio 3 als ORB-Programm 2003 entfiel, wechselte Radio Multikulti auf die Großfrequenz 96,3 MHz. Bis zum Ringtausch liefen auf 106,8 MHz noch Radio Teddy und kurzzeitig Motor FM, der Vorgänger des heutigen Flux FM.

Die Schlagzeilen in den Fachmedien produzierte jetzt der Ablauf der Lizenz von Jazzradio am 30. November 2024.
Zwar ist die Frequenz im Vorfeld entsprechend neu ausgeschrieben worden. Eine Vergabeentscheidung hat der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg jedoch nie getroffen, nachdem auch fünf weitere, mit Jazzradio konkurrierende Bewerbungen eingereicht wurden.
Das Ausscheiden des Medienratsmitglieds Karin Schubert mündete in einen Abbruch des Verfahrens. Die Ausstrahlung von Jazzradio auf 106,8 MHz läuft seit Dezember ohne Lizenz, was die MABB „duldet“.
Für dieses monatelange Nichthandeln, das weitere Planungen unmöglich macht, gibt es keine öffentlichen Begründungen. Subjektive Meinungen über die Professionalität der Beteiligten bleiben somit unwidersprochen.
Inzwischen ist eine neue Ausschreibung veröffentlicht. Sie bezieht weitere Themen mit ein: Die Frequenz 104,1 MHz, zuvor genutzt vom in Deutschland eingestellten Lulu FM, und die drei Frequenzen der nichtkommerziellen Berliner Radioprojekte, deren UKW-Verbreitung die MABB offensichtlich nur noch bis Ende 2025 bezahlen will.
Neue Fragen ergeben sich dabei aus der Auflage, bei einer künftigen Nutzung dieser Frequenzen die betreffenden Programme auch über DAB auszustrahlen: Eine Bewerbung von Jazzradio für eben so einen Sendeplatz war erfolglos geblieben.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 04.01.2025