70 Jahre sorbische Sendungen - Rundfunkgeschichte in der Lausitz

Sender Reichenbach
Der Mittelwellensender Reichenbach in seinem letzten Erscheinungsbild | © Kai Ludwig

Seit mittlerweile sieben Jahrzehnten gibt es regelmäßige Hörfunksendungen in den sorbischen Sprachen. Das sei zur Veranlassung genommen, erneut einen Blick auf die Geschichte des Rundfunks in Ostsachsen und Südbrandenburg zu werfen.

Das Schlagwort von der „Stunde Null“ ist nicht allseits geschätzt. Hier trifft es aber tatsächlich zu, denn unmittelbar nach Kriegsende verschwand alles, was der Reichssender Breslau westlich der Neiße hinterlassen hatte.

Neben dem Studio im Görlitzer Ständehaus, dessen Technik vermutlich von der Roten Armee mitgenommen wurde, betraf das auch den Sender in Reichenbach. Das fiel insofern leicht, als die Wehrmacht den charakteristischen Holzturm der Station noch am 7. Mai 1945 gesprengt hatte.

Die in Reichenbach erhaltenen Ausrüstungen sollten für den neu gegründeten Landessender Potsdam und dessen Sendeanlage in Golm verwendet werden. Viel brachte diese Idee nicht: Wie die Firma Telefunken aufzeigte, ließen sich damit keine nennenswerten Einsparungen gegenüber einer kompletten Neulieferung erzielen.

Umso nennenswerter waren die Folgen für die Region, denn der Sender in Rothsürben übertrug unter dem neuen Ortsnamen Żórawina nun Programme von Polskie Radio. Die nächsten deutschen Sender in Berlin-Tegel und in Wiederau bei Leipzig waren 180 km entfernt und tagsüber nur schwach zu empfangen.

Sender Reichenbach
Die Gebäude des Senders Reichenbach | © Kai Ludwig

Abhilfe brachte der Aufbau des Landessenders Dresden, angegangen noch 1945 mit einem Kleinsender für das Stadtgebiet in der Polizeikaserne Neuländer Straße. 1950 begann auch in Reichenbach wieder der Betrieb, zunächst mit einer improvisierten, 500 Watt starken Senderanlage und einer notdürftig an Rundhölzern montierten Antenne.

Kurz danach erhielten beide Stationen Sender mit 3 kW Leistung von der heute ansonsten vergessenen Firma Stark. Später folgten noch Geräte der Bauart SM 6, bekannt als der Störsender schlechthin.

Im Kopenhagener Wellenplan von 1950 war der Sender Reichenbach nicht mehr vorgesehen. Deshalb lief er, als eine der seinerzeit international üblichen Eigenmächtigkeiten, über längere Zeit „zwischen den Kanälen“ auf 910 oder 912 kHz. Der Genfer Wellenplan brachte 1978 dann die reguläre Frequenz 657 kHz.

UKW-Abdeckung von DT64
Auf dem Tisch im Studio: Die Karte der UKW-Versorgung mit den großen weißen Flecken | © Matthias Lindner

1986 oder 1987 erfolgte eine letzte Umstellung auf 1188 kHz. Der Sender wurde wieder aus seinem Gleichwellennetz herausgelöst, weil er weiterhin den Berliner Rundfunk verbreiten sollte.

„Die verträumte Mittelwelle Burg 657 kHz, die uns immer so schweinisch viel Kohle gekostet hat“ (Lutz Bertram am 08.09.1990 außerhalb dieses Ausschnitts) und die Mittelwellenanlage des Senders Helpterberg erhielt stattdessen DT64. Hintergrund waren größere Lücken der neu aufgebauten UKW-Kette. So konnte auf dem Brocken zunächst nur ein Kleinsender eingesetzt werden.

Zuvor avancierte Reichenbach bereits zu einer der Stationen, auf denen die in weiten Teilen überalterte Mittelwellentechnik der DDR durch neue Geräte von Tesla Hloubětín ersetzt wurde. Beim bereits erwähnten Sender Golm war das verbunden mit einem Standortwechsel nach Königs Wusterhausen.

Sender Reichenbach
Das war von 1998 bis 2013 die komplette Sendeanlage Reichenbach | © Kai Ludwig

Der Tesla-Sender blieb 14 Jahre in Betrieb. 1998 kam es noch einmal zu einer Modernisierung, wie an vielen anderen Standorten verbunden mit einem völligen Rückzug aus den Gebäuden. Zum Einbau der neuen Geräte wurde ein Container direkt an der Antenne aufgebaut.

Bei dieser Erneuerung der Mittelwellentechnik des MDR kam die ebenfalls schon erwähnte Firma Telefunken („der Mercedes unter den Sendern“) nicht zum Zuge. Die Wahl fiel auf das billigere, hier zu sehende Produkt der Firma Thomcast, das inzwischen vom Markt verschwand.

MDR in Leipzig
Von hier kommt auch das heutige MDR Aktuell: Zentrale des MDR in Leipzig | © Kai Ludwig

Am 30. April 2013 endete die Ausstrahlung von MDR Info auf Mittelwelle. Danach sollte noch genau sechs Tage eine Hinweisschleife laufen. Folglich wurde die Übertragungsleitung zum Sender Reichenbach am 6. Mai 2013 um 6.00 Uhr stummgeschaltet.

Das löste prompt eine automatische Havarieschaltung aus, wodurch wieder MDR Info zu hören war, jetzt vom Astra-Satelliten. Man unterzog sich auch noch der Mühe, deshalb nach drei Stunden die Schleife noch einmal zu starten, bis ein angereister Techniker schließlich den Sender um 10.10 Uhr endgültig ausschaltete.

Keine drei Monate später, am 22. Juli 2013, wurde die Sendeanlage bereits abgerissen. Auch MDR Info in Halle ist Geschichte: Es heißt heute MDR Aktuell, kommt aus Leipzig und produziert kein Nachtprogramm mehr.

Rundfunkstudio Görlitz
1953: Studiogebäude verziert mit Parolen auch in sorbischer Sprache, obwohl in Görlitz keine Sorben leben

Parallel zur Reaktivierung des Senders Reichenbach fiel die Entscheidung, in Görlitz auch wieder ein Rundfunkstudio einzurichten, da die Anreisen aus dem fast 90 km entfernten Dresden unter den damaligen Umständen sehr langwierig waren.

Das von der Stadt Görlitz zur Verfügung gestellte Haus Heinzelstraße 4 wurde bis 1952 entsprechend eingerichtet. Die dafür aufgewendeten 48.660 Mark waren aber eine Fehlinvestition, da eine ständige Besetzung des Studios mit Redakteuren am Personalmangel scheiterte.

Somit kam nicht viel mehr heraus als gelegentliche Aufträge für den ebenfalls in Görlitz stationierten Übertragungswagen, bis sich doch noch eine Verwendung für das nun einmal vorhandene Studio fand: Eine Verstetigung der bis dahin nur gelegentlich in Berlin oder/und Dresden produzierten sorbischen Sendungen.

Rundfunkstudio Görlitz
Aufnahmeraum mit der kurze Zeit angewendeten Methode, die gegen geringe Besprechungsabstände empfindliche Mikrofonkapsel fast im Sprechertisch zu verstecken

Somit begann am 22. März 1953 die ständige Arbeit einer sorbischen Redaktion. Produziert und über den Sender Reichenbach ausgestrahlt wurden zunächst 70 Minuten pro Woche. Anfang 1955 war die Sendezeit auf 155 Minuten angewachsen. Sonntags gab es zeitweise eine Übernahme auf die Mittelwelle Potsdam/Golm.

Auf Dauer erwies sich der Standort außerhalb des sorbischen Siedlungsgebiets jedoch als zu ungünstig. Hinzu kam der Wunsch, neben der obersorbischen auch die noch deutlich stärker gefährdete niedersorbisch-wendische Sprache zu berücksichtigen. Konsequenz war 1957 ein Umzug der Redaktion nach Cottbus.

Danach wurde das Haus in Görlitz zeitweise für mehrwöchige Lehrgänge von Nachwuchsredakteuren und als Urlaubsunterkunft genutzt. In den 60er Jahren konnte das Studio sogar noch einmal mit einem Korrespondenten besetzt werden. Dessen krankheitsbedingtes Ausscheiden mündete schließlich in den endgültigen Auszug des Rundfunks.

Funkhaus Cottbus, Wilhelm-Külz-Straße
2002: Das bereits geschlossene Funkhaus in Cottbus, Wilhelm-Külz-Straße | © Kai Ludwig

Das Rundfunkstudio Cottbus (noch ein Foto hier) wiederum wurde ab 1948 zunächst von der Stadt aufgebaut und 1950 dem Rundfunk der DDR regelrecht aufgedrängt. Einzelne sorbische Beiträge entstanden hier bereits vor dem Einzug der Redaktion aus Görlitz.

Verbreitet wurden die Sendungen zunächst als Drahtfunk, und zwar als direkte niederfrequente Einspeisung wie beim ersten Kanal des sowjetischen „Totschka“. Erhebliches Übersprechen in die Telefonverbindungen führte dann doch noch zum Einbau zweier Drahtfunksender zur Übertragung als Langwellensignal.

Für erste terrestrische Ausstrahlungen ist die Rede von einem Mittelwellen-Kleinsender in Groß Gaglow. Nach deren Inbetriebnahme 1957/1959 gab es dann Sendeplätze auf dem UKW-Sender Görlitz/Landeskrone und dem Mittelwellensender Hoyerswerda.

Diese teils schon skurrilen Lösungen erübrigten sich mit dem Aufbau des Senders Calau. Ab 1966 kam von dort in der DDR-weit eingeführten Form ein morgendliches Regionalprogramm bis 10.00 Uhr, davon werktags die letzte halbe Stunde in Sorbisch.

Sonntags lief das sorbische Programm über die Mittelwelle Hoyerswerda, dann für zwei Stunden am Mittag mit Kulturthemen, speziellerer sorbischer Musik und Beiträgen für Kinder. In den 80er Jahren wurden schließlich auch Beiträge mit religiösem Bezug gestattet.

Ü-Wagen in Görlitz
1953 präsentiert: Ü-Wagen vor dem Studio Görlitz

Von besonderer Bedeutung für die Obersorben ist das 60 km von Cottbus entfernte Bautzen. Bei der Fertigstellung des dortigen Hauses der Sorben wurden 1956 von vornherein die Einbindung in das Rundfunkleitungsnetz berücksichtigt, ein Zimmer für Tonaufnahmen hergerichtet und zur Zusammenarbeit mit der Domowina ein Redakteur dauerhaft positioniert.

Das ursprüngliche Konzept sah vor, für Aufnahmen jeweils den in Görlitz stationierten Ü-Wagen nach Bautzen zu fahren. Auf Dauer ließ sich dieses Verfahren, erst recht von Dresden oder Cottbus aus, natürlich nicht durchhalten.

Bautzen: Haus der Sorben / Serbski dom
„Haus der Sorben“ in Bautzen (2005); die Studios befinden sich in der Mansarde | © Kai Ludwig

1963 kam es deshalb zum Einbau erster Studiotechnik in den, wie er seinerzeit genannt wurde, Stützpunkt. 1965 konnte ein Regietisch aus Frankfurt (Oder) übernommen werden.

Ein sorbisches Festival ermöglichte 1968 die weitere Hochrüstung. Damit waren neben den regelmäßigen Überspielungen nun auch gelegentliche Liveeinstiege in das aus Cottbus gefahrene Programm möglich.

In den 80er Jahren gab es für kurze Zeit eine besondere Gemeinsamkeit: Auf dem alten Sender Löbau geht die provisorische Frequenz 91,8 MHz in Betrieb und überträgt neben dem Abendprogramm „Hallo und DT64 auf Ultrakurzwelle“ auch die sorbische Sonntagssendung, die damit erstmals auf UKW kommt.

Sender Hoyerswerda
Schon 2002 nur noch eine Wiese: Der frühere Standort des Mittelwellenmastes in Hoyerswerda-Zeißig; rechts der neue UKW-Mast | © Kai Ludwig

Eine bessere Lösung folgte 1987: Am Mittelwellenmast in Hoyerswerda-Zeißig (es handelte sich um den 51 Meter hohen Standardtyp SO, wie ihn auch die Station Reichenbach erhielt) wurde eine UKW-Antenne montiert und die neue Frequenz 100,4 MHz in Betrieb genommen. Sie war im Volksmund schon nach kurzer Zeit als „Sorbensender“ bekannt.

Diese Anlage machte den ganz großen Durchbruch möglich: Am 4. Oktober 1989 begann ein mehrstündiges Morgenprogramm an Arbeitstagen, produziert in Bautzen, unabhängig sowohl vom deutschsprachigen Regionalprogramm aus Cottbus als auch vom weiterhin auf 999 kHz gesendeten Berliner Rundfunk.

In der Wendezeit kommt es unter dem Schlagwort „Sorbischer Rundfunk – Sender Lausitz“ noch einmal zur Rückkehr auf die Mittelwelle, und das in nie dagewesener Stärke: Mit den Sendern Hoyerswerda und Reichenbach wie auch den Kleinsendern in Spremberg (1485 kHz), Cottbus und Weißwasser (1584 kHz) sowie Bautzen (1602 kHz).

Sender Hoyerswerda
Blick über den Gondelteich des Lausitzbads Hoyerswerda-Neustadt zum UKW-Mast Zeißig | © Kai Ludwig

Seit 1992 nicht mehr verändert wurde die heutige Konstellation: Der Rundfunk Berlin-Brandenburg produziert in Cottbus niedersorbische Programmteile und stellt die Frequenz Calau 93,4 MHz, der Mitteldeutsche Rundfunk produziert in Bautzen obersorbische Programmteile und stellt die Frequenz Hoyerswerda 100,4 MHz.

Schon seit zwei Jahrzehnten Geschichte sind dabei sowohl das Funkhaus in der Cottbuser Wilhelm-Külz-Straße als auch der SO-Mast in Hoyerswerda. Ersteres ersetzten Räumlichkeiten im Gebäudekomplex Spree-Galerie, letzteren ein höherer Mast auf dem Gelände der Sendestation in Zeißig.

Geschichte ist seit 2020 auch der Rundfunkbetrieb im Haus der Sorben. Zumindest nach damaligen Angaben betrifft das allerdings tatsächlich nur die sendetechnische Funktion; die Domowina wollte die Studioräume erhalten und künftig für eigene Medienprojekte nutzen.

Weit umgezogen ist der MDR nicht: Sein neues Bautzener Studio, in dem nun die obersorbische Sendung produziert wird, befindet sich gleich gegenüber im Postamt.

Radio 3
Von 2001 bis 2002: Radio 3 als „Untermieter“ bei radioeins in der inzwischen nicht mehr existierenden, einst vom DEFA-Kostümfundus genutzten Baracke | © Kai Ludwig

Änderungen gab es allerdings bei den Mantelprogrammen. Das betrifft zwar nicht die Hoyerswerdaer Frequenz, die konstant seit 1992 von MDR Sachsen bespielt wird, wohl aber den Sender Calau.

Auf Weisung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg war dort zeitweise R.S. 2 aufzuschalten. Außerhalb dieser Episode gab es Parallelausstrahlungen bzw. Übernahmen der 1997 durch radioeins ersetzten Programme, Radio Brandenburg und Radio B Zwei (vormals SFB 2) und des 2003 ebenfalls eingestellten Radio 3. Seitdem stellt Inforadio das Rahmenprogramm.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 25.03.2023