Erinnerungen an Radio Moskau - Mittelwelle aus dem Gebiet Kaliningrad
Seit einem Jahr versucht der russische Sendernetzbetreiber RTRS aktiv, noch einmal Ausstrahlungen auf Mittelwelle zu verkaufen. Es sieht jedoch weiterhin so aus, als ob daraus nichts mehr wird. Was bleibt, sind die Erinnerungen an Radio Moskau.
Im Vordergrund dieser Bemühungen steht die Sendestation bei Bolschakowo, einer Ortschaft, die – wie auch aus der Lausitz bekannt – für die letzten Jahre bis 1945 noch umbenannt wurde, weil Groß Skaisgirren nicht deutsch genug klang.
Aktuell verfolgte Idee ist eine Ausstrahlung von Radio Rossii mit 600 kW auf 549 kHz. Ein Betriebsversuch über 24 Stunden sorgte zwar für Aufsehen im Ausland, scheint die Verantwortlichen in Moskau aber auch nicht weiter beeindruckt zu haben.
Die Ankündigung dieses Tests verwies ausdrücklich auf die 2014 vollzogene Liquidierung der Stimme Russlands, dem einstigen Radio Moskau. Dazu ist interessant, wie die Information über eine UKW-Ausstrahlung des heutigen Sputnik-Produkts im Libanon aussah: Anscheinend gilt inzwischen, so zu tun, als habe es Radio Moskau nie gegeben.
Es laufen Aktivitäten, die dem entgegenwirken wollen. Diese Werbung für entsprechende Sendungen vermittelt auch einen bislang weniger bekannten bildlichen Eindruck.
Da an dieser Stelle ohnehin öfters von der Sendetechnik die Rede ist, sei näher betrachtet, was ab 1974 in Bolschakowo entstand und Ausstrahlungen mit mehr als 50 kW von der alten Station des Reichssenders Königsberg übernahm.
Zu haben ist eine Unterlage über den Mittelwellensender RW-1000 alias Taifun, bekannt von den DDR-Standorten Burg (bei Magdeburg) und Wachenbrunn (bei Themar). Die Station Bolschakowo erhielt drei solcher Anlagen.
Das Papier enthält einen Vergleich mit ähnlichen Produkten der Firmen Marconi (England) und Thomson-Houston (Frankreich). Ins Auge fällt der mit 380 Quadratmetern deutlich größere Platzbedarf.
Dieser relativierte sich mit der Verfügbarkeit neuer, leistungsfähigerer Röhrentypen. Mit ihnen konnten die Taifun-Anlagen von ursprünglich 1000 auf 2500 kW verstärkt werden. Ausgenutzt wurde das außer in Bolschakowo auch auf der Station Taldom nördlich von Moskau, dort für die Langwelle 263/261 kHz.
Und so sah es aus, wenn bis nach Deutschland ein Signalpegel geliefert wurde, der manche einen weiteren DDR-Sender vermuten ließ. Überhört wurde dabei allerdings der bessere Klang (die Rede war von einer Übertragung des Tonsignals herauf bis 8 kHz).
[Nachtrag: Neben den Videobildern des Senders RW-372, der bis 2014 auf 1215 kHz arbeitete, gibt es dieses Foto des ersten, noch mit gediegenerer Ausstattung des Saales installierten Senders RW-367, auf dessen Ausstrahlung auf 1386 kHz sich die obige Charakterisierung speziell bezieht.
Wie in der zu dem Foto gegebenen Beschreibung durchscheint, sind die einstigen freundschaftlichen Beziehungen der Sendetechniker in Bolschakowo (es bedarf in diesem Fall der besonderen Betonung: darunter viele Frauen) zu ihren Kollegen in Sitkunai bei Kaunas restlos in Scherben gefallen.]
Anschauen kann man sich auch die kleine Schwester des Taifun, von der in Wachenbrunn ebenfalls ein Exemplar vorhanden war: Den DSW-150 (das steht für Rundfunk auf Lang- und Mittelwelle mit eben dieser Leistung). Bis Anfang 2014 war dieser Sender in den letzten Rest der Langwellenverbreitung von Radio Rossii einbezogen.
Die Anfertigung leistungsfähiger Sender begann in der Sowjetunion natürlich nicht erst mit diesen Modellen. Deren Vorgänger sind der Schtorm mit 150 kW und der Buran mit ursprünglich 500 kW, später meist auf 1000 kW, teils auch 2000 kW verstärkt (in einem Fall in zwei Einzelsender mit jeweils 1000 kW aufgeteilt).
Mit dem Fokus auf das deutsche Programm von Radio Moskau ist besonders ein Kurzwellensender mit 1000 kW Leistung vorzustellen.
Vier solcher Einheiten gab es im Kubanski Radiozentr, der Station bei Tbilisskaja im Gebiet Krasnodar, mitunter nach der weiter entfernten Stadt Armawir bezeichnet. Einer dieser Sender übertrug abends das deutsche Programm von Radio Moskau und lieferte oft eine enorme Feldstärke.
[Nachtrag: Wie eine Unterlage zeigt, sind die kursierenden Bezeichnungen nicht eindeutig. Als Bob-2 alias PKW-500 gelten demnach ebenso, oder aber eigentlich, Sender jüngerer Bauart, wie sie in zwei Exemplaren auch nach Nauen geliefert wurden.]
Pferdefuß bei der Sache war die Heranführung des Programms – Schwachpunkt auch der Ausstrahlungen aus Wiederau bei Leipzig und zuletzt aus Wachenbrunn, die teils recht klirrig daherkamen. Ein Kenner sprach dazu einmal vom scheppernden Pausenzeichen hinter den gefühlten 80 Leitungsverstärkern.
Nach Bolschakowo gab es hochwertige, teils über Richtfunk und zeitweise mit spezieller Satellitentechnik realisierte Übertragungswege. Vor allem dort, wo Auslandssendungen nur auf Kurzwelle ausgestrahlt wurden, hatte jedoch zu genügen, was sich „Tonkanal zweiter Klasse“ nannte.
Minderwertig war neben der Bandbreite (für diesen Zweck ausreichende 50 bis 6300 Hertz) speziell der Fremdspannungsabstand. Da das Rauschen und Brummen nach stärkerer Dynamikkompression doch aufgefallen wäre, behalf man sich mit einer Maßnahme, die Kenner regelmäßig erschaudern ließ: Eine harte Stummschaltung, die Raumklang und Manuskriptrascheln abhackte.
Nicht von den Sendern, den Leitungen oder der (weitgehend aus Ungarn importierten) Studiotechnik rührte allerdings das oft ungewohnt anmutende Klangbild. Die laufend eingesetzten Produktionsmusiken waren schlicht so abgemischt. Ein Beispiel aus einer Rubrik der deutschen Sendungen kann man hier hören.
Neben den 13 Kurzwellensendern gab es im Kubanski Radiozentr drei Senderanlagen für Lang- und Mittelwelle. Sie waren kein Industrieprodukt, sondern entstanden Ende der 80er Jahre in Eigenleistung. Das erklärt die für russische Sendetechnik ungewöhnliche Nennleistung von jeweils 1200 kW.
Als letztes auf Langwelle ausgestrahlt wurde hier ein Sonderprogramm für Tschetschenien, produziert von der Stimme Russlands, die noch zu Zeiten von Boris Jelzin damit beauftragt wurde – in den Worten eines inzwischen verstorbenen Redakteurs russischsprachiger Sendungen eine „Belanglosigkeit“.
Tschetschenien verbindet sich mit der Person des Generals Alexander Lebed, der bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam. Wer diese Geschichte kennt, war in keinster Weise überrascht, als nach den Wagner-Festspielen eine bestimmte Meldung eintraf.
Auch für die Station Tbilisskaja wird seit Herbst 2022 vergeblich versucht, die seit 2014 stillstehende Mittel- und Langwellentechnik noch einmal bestellt zu bekommen; hier auf 1089 kHz. Zu hören gab es zunächst, was Neugierige auch schon früher zu hören bekamen, wenn sie nach dem Ende des Programms von Radio Moskau dranblieben, weil das Trägersignal nicht ausgeschaltet wurde.
Als man dann noch den Programmton von Radio Rossii auf Sendung gab, kam er nicht aus der regulären UKW-Verteilung, sondern war deutlich verzögert, wie es auch bei der Ausstrahlung vom Sender Grigoriopol der Fall ist – dieser wiederum ist es, wo eine Buran-Anlage in zwei Einzelsender (1548 und zusätzlich 999 kHz) aufgeteilt wurde.
Der internationale Betrieb – fast bis zuletzt auch mit der Deutschen Welle – ruht im Kubanski Radiozentr ebenfalls seit 2014. Mit einem der „kleinen“ (100 kW) Sender war die Station danach für einige Jahre der letzte Standort in der gesamten Russischen Föderation, an dem noch Kurzwelle gemacht wurde.
Es handelte sich um die in den 90er Jahren gestarteten Auslandssendungen des Rundfunks der Kaukasusrepublik Agydeja in Maikop. Wegen des begonnenen Rückbaus der Sendeanlagen endeten sie schließlich mit Ablauf des Jahres 2020.
Die Zäsur des Jahres 2014 rührt aus einem Putin-Ukas. Er verfügte die Auflösung nicht nur der Stimme Russlands, sondern auch der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, der einstigen APN. An deren Stelle neu zu gründen (es handelte sich nicht um einen Betriebsübergang) war die Medienagentur Rossija Segodnja.
Zwar kursierten schon im Vorfeld entsprechende Gerüchte. Das milderte jedoch nicht den Schock, den die Meldung im Haus auslöste („wir sind erstmal eine rauchen gegangen“).
Von den Redaktionen der Stimme Russlands blieben nur ausgewählte Mitarbeiter. Deren Meinung, man solle den AM-Rundfunk nicht ganz so leichtfertig aufgeben, hatte von vornherein keine Chance, noch Gehör zu finden.
Beitrag von Kai Ludwig; zuletzt ergänzt am 05.11.2023