Ungewollt schwanger in Deutschland © © ARD / Derek French / Staatsarchiv Bremen / Karl Edmund Schmidt
© ARD / Derek French / Staatsarchiv Bremen / Karl Edmund Schmidt

Glossar

Schwangerschaftsabbruch - die wichtigsten Begriffe erklärt

Umstritten und emotionalisiert: Abtreibung ist ein Thema, das die Gemüter spaltet: Die einen sehen den Schwangerschaftsabbruch als Menschen- beziehungsweise Frauenrecht. Die anderen als illegale Tötung eines ungeborenen Kindes. Die Entscheidung des US-Supreme Courts in diesem Jahr, das bundesweite Recht auf Abtreibung zu kippen, zeigt, wie aktuell das Thema nach wie vor ist. Seitdem steht auch der Paragraf 218, der in Deutschland den Schwangerschaftsabbruch regelt, wieder in der Kritik. Die Ampel-Koalition möchte prüfen, ob Schwangerschaftsabbrüche nicht anders geregelt werden könnten.

Was steckt hinter dem Paragrafen 218? Und wie funktioniert ein Schwangerschaftsabbruch überhaupt? Wir klären die wichtigsten Fragen rund um das Thema Schwangerschaftsabbruch.

 

Strafprozessordnung und Strafgesetzbuch © IMAGO / Michael Gstettenbauer
IMAGO / Michael Gstettenbauer

Was steht im Paragrafen 218?

In Deutschland regelt der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches, wann und unter welchen Bedingungen ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden darf. Grundsätzlich ist der Abbruch einer Schwangerschaft für alle Beteiligten rechtswidrig. Sowohl Schwangere als auch Ärzt*innen und Klinikpersonal, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, können zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe verurteilt werden.

Allerdings gibt es gewisse Ausnahmen: wenn die Schwangere in Lebensgefahr schwebt oder körperlich oder seelisch schwer beeinträchtigt ist, darf die Schwangerschaft abgebrochen werden. Gleiches gilt, wenn die Schwangerschaft durch Sexualdelikte wie eine Vergewaltigung entstanden ist.

Eine andere Ausnahme kann bestehen, wenn die Schwangerschaft in den ersten 12 Wochen beendet wird. Dieser Vorgang ist zwar rechtswidrig, aber straffrei. Unter einer Bedingung: die Schwangere muss an einem staatlich anerkanntem Beratungsgespräch teilnehmen. Wie das Beratungsgespräch aussieht, regelt unter anderem der Paragraf 219 des Strafgesetzbuches. Nach einer Bedenkzeit von drei Tagen darf der Schwangerschaftsabbruch dann durchgeführt werden. Die Schwangere wird außerdem nicht bestraft, wenn sie an einem Beratungsgespräch an einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktstelle teilnimmt und bis spätestens zur 22. Woche abtreibt – Ärzt*innen können in diesem Fall aber belangt werden.

Was regelt der umstrittene Paragraf 219?

Wenn Schwangere nicht aus medizinischen Gründen oder aufgrund von Sexualdelikten abtreiben wollen, müssen sie eine staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle besuchen. Das regelt der Paragraf 219.

Die Beratung dort erfolgt nach bestimmten Regeln. Diese sind im „Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten“ festgehalten. Wichtig dabei ist, dass die Beratung vor allem ergebnisoffen ist. Das heißt, dass die schwangere Person nicht belehrt oder bevormundet werden soll, sondern die Beratungsstellen oder Ärzt*innen ihr helfen sollen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Im Laufe des Gespräches wird auch auf Hilfsangebote verwiesen für den Fall, dass die Schwangere sich gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet.

Am Ende erhält die Schwangere dann eine Bescheinigung, mit der sie nach drei Tagen Bedenkzeit einen Schwangerschaftsabbruch bei Ärzt*innen machen kann. Das darf dann aber nicht der Arzt oder die Ärztin sein, die die Beratung durchgeführt hat. Welche Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche durchführen, kann man auf der Website der Bundesärztekammer nachlesen.

Eine Praxis zu finden, war allerdings nicht immer so einfach: lange war es verboten, „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche zu machen. Unter „Werbung“ verstand man auch darüber zu informieren, ob eine Praxis Abbrüche durchführt. Die Ärztin Kristina Hänel wurde 2017 verurteilt, weil sie dies auf ihrer Website angegeben hatte. Ihr Fall entfachte eine jahrelange Debatte über den zugehörigen Paragrafen 219a. Sie führte schließlich dazu, dass er Ende Juli 2022 abgeschafft wurde.

Allerdings ist es immer noch rechtswidrig, Mittel, die bei einem Schwangerschaftsabbruch eingesetzt werden, in den Umlauf zu bringen. Das heißt, wer Mittel oder Gegenstände verkauft oder weitergibt, von denen er weiß, dass sie für einen Schwangerschaftsabbruch genutzt werden, macht sich strafbar. Das kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden (Paragraf 219 b).

Müssen Ärztinnen und Ärzte einen Schwangerschaftsabbruch machen?

Generell ist kein Arzt oder Ärztin dazu verpflichtet einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Das regelt das „Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten“. Jeder Arzt und jede Ärztin kann das für sich selbst entscheiden, muss es auch nicht begründen. Eine Ausnahme: wenn die Schwangere sterben könnte oder schwere gesundheitliche Schäden hat, müssen Ärzt*innen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen.

Welche Methoden gibt es, um eine Schwangerschaft zu beenden?

Wenn sich eine Schwangere entscheidet abzutreiben, kann der Abbruch entweder durch Medikamente (bis zur 9. Woche) oder eine Operation (bis zur 12. Woche) erfolgen. Welche Methode durchgeführt wird, kann die Schwangere Person nicht immer auswählen, weil nicht jede Praxis alles anbietet.

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, wie eine Schwangerschaft durch eine Operation beendet werden kann: die Ausschabung und die Absaugung. Bei der Ausschabung, auch Kürettage genannt, wird die oberste Gebärmutterschleimhaut mit einem löffelartigen Instrument abgetragen. Diese Methode ist weniger sicher und wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht empfohlen. Trotzdem wird sie in Deutschland immer noch durchgeführt.
Die zweite Methode ist die Absaugung oder Vakuumaspiration. Dort wird mit einem schmalen Röhrchen das Schwangerschaftsgewebe abgesaugt.

Wird der Schwangerschaftsabbruch im Medizinstudium gelehrt?

Weder die Absaug- noch die Ausschabungsmethode werden praktisch im Medizinstudium gelehrt. Zwar würden laut Bundesministerium für Gesundheit alle medizinischen Fakultäten das Thema behandeln. Allerdings oft nur theoretisch und in Bezug auf rechtliche und ethische Aspekte.

Eine Gruppe aus Studierenden, die Medical students for choice, kritisieren das. Sie haben sich in den USA gegründet, sind mittlerweile aber auch in Deutschland präsent. Die Studierenden vertreten die Auffassung, dass alle, die Medizin studieren, sich zumindest mit dem Thema einmal beschäftigt haben sollen. Deshalb organisieren sie seit 2015 freiwillige Workshops. Dort können Studierende mithilfe der Papaya-Methode, die in den USA entwickelt wurde, die Absaugung üben.

Die Papaya eignet sich besonders, weil sie der Gebärmutter ähnelt: sie hat ebenfalls einen spitz zulaufenden Hals. Durch diesen wird ein Metallstab eingeführt, der die Papaya weitet. Anschließend wird ein Sauger benutzt, der immer wieder kreisförmig gedreht wird, bis alle Kerne und das Fruchtfleisch abgesaugt sind.

Wieviel kostet ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland?

Was ein Schwangerschaftsabbruch kostet, ist einerseits von der Methode und andererseits von dem Grund für den Abbruch abhängig.

Grundsätzlich werden in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche, die aus medizinischen Gründen oder aufgrund von Sexualdelikten vorgenommen werden, von der Krankenkasse übernommen. Auch Schwangerschaftsabbrüche von Menschen, die sozial bedürftig sind, also nicht mehr als 1325 Euro im Monat zur Verfügung haben, können erstattet werden.

Ansonsten müssen Betroffene in Deutschland selbst für den Eingriff zahlen. Die Kosten dafür liegen zwischen 200 und 600 Euro: ein Schwangerschaftsabbruch durch Medikamente kostet durchschnittlich 200 bis 300 Euro, eine Operation zwischen 400 und 600 Euro - weil in manchen Fällen eine Narkose durchgeführt wird.

Wie wurden Schwangerschaftsabbrüche in der DDR geregelt?

Wenn es um Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland geht, wird häufig auf die DDR verwiesen, in der das Abtreibungsrecht weitaus liberaler war als in der BRD und im heutigen Deutschland.

Tatsächlich gab es ab 1972 in der DDR ein Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft. Laut diesem jede Frau selbstbestimmt das Recht bis zur 12. Woche einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Dafür brauchte sie weder Gründe, noch musste sie einen förmlichen Antrag stellen. Außerdem konnte sie auch nach dieser Frist unter medizinischen oder schwerwiegenden Umständen abtreiben.

Mit der Wiedervereinigung verloren die Frauen aus der DDR allerdings ihr Recht auf einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch.

Marie Steffens

Quellen und Links

§ 218 StGB - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

§ 218a StGB - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

§ 219 StGB - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

§ 219b StGB - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

SchKG - Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (gesetze-im-internet.de)

Liste von Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen nach § 13 Abs. 3 Schwangerschaftskonfliktgesetz - Bundesärztekammer (bundesaerztekammer.de)

Vorwurf: Inverkehrbringen von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft (kanzlei.law)

SchKG - Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (gesetze-im-internet.de)

Abtreibungen in Deutschland – Erfahrungsberichte und Datenbank (correctiv.org)

Was ist notwendig, um die Sicherheit und Qualität der Abtreibungsversorgung zu verbessern? (who.int)

Sexuelle_und_reproduktive_Gesundheit_verstehen.pdf (profamilia.de)

Abtreibungen in Deutschland – Erfahrungsberichte und Datenbank (correctiv.org)

Konzept_zur_Fortentwicklung_der_Qualifizierung_von_AErztinnen_und_AErzten__die_Schwanger-schaftsabbrueche_vornehmen.pdf (bundesgesundheitsministerium.de)

Aus- und Fortbildung — Doctors for Choice Germany

Geschichte von MVA - Papaya Workshop

Schwangerschaftsabbruch: Kommt das Thema im Medizinstudium zu kurz? - Spektrum der Wissenschaft

Workshop Lehrpunkte - Papaya Workshop

Anästhesie, Dilatation und Aspiration - Papaya Workshop

BMFSFJ - Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Strafgesetzbuch

Abtreibungen in Deutschland – Erfahrungsberichte und Datenbank (correctiv.org)

Kurze Geschichte des Paragrafen 218 Strafgesetzbuch | bpb.de

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