Ungewollt schwanger in Deutschland © © ARD / Derek French / Staatsarchiv Bremen / Karl Edmund Schmidt
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Die Geschichte der Abtreibung in Deutschland

Ein Überblick

Die Paragrafen 218 bis 220, die in Deutschland den Schwangerschaftsabbruch regeln, existieren bereits seit den Kaiserszeiten, also seit über 150 Jahren. Was hat sich seitdem verändert?

Protest gegen Abtreibungsgegner in München 2022 © IMAGO / ZUMA Wire
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1871 - Die § 218 bis 220 werden ins Strafgesetzbuch aufgenommen

Schwangerschaftsabbrüche gelten damals als Tötungsdelikte. Sie werden aber milder bestraft als Mord, also mit mindestens sechs Monaten Gefängnis und bis zu fünf Jahren Zuchthaus.

1920er Jahre - Der § 218 wird erstmals öffentlich kritisiert

Ein sogenannter „Gebärstreik“ findet statt. Im Zuge dessen wird unter anderem diskutiert, ob ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischen Gründen straffrei sein sollte.

1926/1927 - Es gibt erste Lockerungen

Schwangerschaftsabbrüche sind nicht länger ein Verbrechen, sondern werden zum Vergehen. Das bedeutet, dass sie mit Gefängnis und nicht mehr mit Zuchthaus bestraft werden. Außerdem wird es erlaubt eine Schwangerschaft aus medizinischen Gründen abzubrechen.

1943 - Die Todesstrafe und das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche werden eingeführt

Die Nationalsozialisten verschärfen das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Auf Abbrüche steht jetzt die Todesstrafe oder lange Zuchthausstrafen. Allerdings gibt es eine Scheinliberalisierung bei Abbrüchen von Frauen mit Behinderung und nicht „arischer“ Frauen. Der Paragraf 219a, der ein striktes Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche beinhaltet, wird ins Strafgesetzbuch aufgenommen.

1950 - In der DDR wird das „Gesetz über den Mütter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ verabschiedet

In der DDR ist es von nun an erlaubt eine Schwangerschaft aus medizinischen Gründen oder Erbkrankheiten zu beenden.

1953 - Die Todesstrafe in der BRD wird aufgehoben

Nachdem die Todesstrafe abgeschafft wurde, bleibt ein Schwangerschaftsabbruch ab dem Jahr 1969 dann aus medizinischen Gründen straffrei. Schwangerschaftsabbrüche gelten allgemein aber als ein Vergehen.

1960er Jahre/70er Jahre - Die sexuelle Revolution beginnt

Die Frauenbewegung fordert ein Recht auf Selbstbestimmung. Zudem möchte sie eine Fristenlösung, die einen Schwangerschaftsabbruch ohne Einschränkungen bis zur 12. Woche der Schwangerschaft möglich macht. Gleichzeitig gibt es immer mehr Schwangerschaftsabbrüche im Ausland, zum Beispiel in den Niederlanden.

1968 - Die Papst-Enzyklika „Humanae vitae“ wird veröffentlicht

Die katholische Kirche heizt die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche an: Sie sagt, dass der Staat ungeborenes Leben unter allen Umständen schützen muss.

1971 - Der „Stern“ veröffentlicht eine Kampagne, initiiert von Alice Schwarzer

Das „Stern“-Magazin veröffentlicht ein Titelbild mit 374 Frauen, die Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt haben. Die Aktion löst Massenproteste aus, wirkt als Initialzündung für neue Frauenbewegung.

1972 - Das „Gesetz über die Schwangerschaftsunterbrechung“ wird in der DDR verabschiedet

Jede Frau hat das Recht bis zur 12. Woche einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen zu lassen. Sie muss dafür keine Gründe angeben.

1974 - Der Bundestag stimmt für die Fristenlösung

Die Fristenlösung wird aber 1975 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft.

1976 - Die BRD reformiert den § 218

Schwangerschaftsabbrüche sind weiterhin verboten und bedeuten Strafe für Ärzt*innen und Schwangere. Abbrüche sind nun aber straffrei, wenn die Schwangere zustimmt, eine Frist von drei Monaten eingehalten wird und medizinische Gründe, eine soziale Notlage oder ein Sexualdelikt vorliegen.

1988/1989 - Der Abtreibungsprozess in Memmingen findet statt

Der Arzt Horst Theissen wird wegen Verdachts des rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruches verurteilt. Seine Patientinnen müssen öffentlich aussagen. Das Verfahren wird als „moderner Hexenprozess“ bezeichnet. Die Patientinnen und der Arzt werden praktisch kriminalisiert.

1990 - Im Zuge der Wiedervereinigung entfacht die Debatte um den § 218 erneut

Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands gibt es Demonstrationen und ein politisches Tauziehen darüber, wie Schwangerschaftsabbrüche in Zukunft geregelt werden sollen. Erst gelten in beiden Bundesländern unterschiedliche Regelungen.

1992/1995 - Das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz wird reformiert

1992 wird beschlossen, dass Schwangerschaftsabbrüche rechtswidrig bleiben, aber keine Strafen nach sich ziehen, wenn eine staatlich anerkannte Beratung erfolgt und eine Frist von 12 Wochen und eine dreitägige Wartezeit eingehalten wird. Schwangerschaftsabbrüche sind nicht rechtswidrig, wenn aus medizinischen Gründen oder aufgrund von Sexualdelikten abgetrieben wird. Dagegen klagen CDU/CSU-Abgeordnete und das Land Bayern. Nach langem Ringen stoppt das Bundesverfassungsgericht 1997 dann den Bayerischen Vorstoß. Seitdem gilt die 1992 beschlossene Regelung.

Kurze Geschichte des Paragrafen 218 Strafgesetzbuch | bpb.de

2017 - Die Ärztin Kristina Hänel wird wegen „Werbung“ für Abbrüche verurteilt

Der Fall von Kristina Hänel entfacht eine jahrelange Debatte über den § 219a.

2022 - Der Bundestag schafft den § 219a ab

Die Bundesregierung diskutiert über die Zukunft des Paragrafen 218.

Marie Steffens

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