Philippinen - Streit um Radio Veritas Asia
Seit 1969 betreibt die katholische Kirche in den Philippinen ein internationales, vor allem mit westdeutschem Geld aufgebautes Medienhaus. Jetzt ist es Gegenstand eines öffentlich gewordenen Streits zwischen den Bischöfen von Rangun und Manila.
Hintergrund ist eine 1974 vorgenommene Zuordnung von Radio Veritas Asia zur Föderation der Bischofskonferenzen in Asien. Ihr steht seit 2019 der Erzbischof von Rangun vor.
Auslöser des aktuellen Streits ist eine Ablösung des Programmdirektors, ebenfalls ein Birmane. Diese Personalentscheidung, deren Hintergründe zunächst unklar bleiben, traf der Erzbischof von Manila in seiner Funktion als Vorstand des Trägers von Radio Veritas Asia.
Das erbost den Ranguner Bischof Bo anscheinend in hohem Maße. Zitiert wird eine Stellungnahme, in der Bo kurzerhand die „Aussetzung“ der Tätigkeit von Radio Veritas Asia zum 29. März mitteilte.
Die Anordnung wird in Manila offensichtlich ignoriert bzw. als „nicht auf die Sprachdienste bezogen“ ausgelegt. Keine Spur von der Kontroverse fand sich zum Beispiel am 31. März im wöchentlichen Video-Nachrichtenmagazin . Es hat ohnehin so gut wie kein Publikum. So nannte der Youtube-Zähler für diese Ausgabe nach drei Tagen 51 und nach einer Woche 65 Aufrufe.
Radio Veritas Asia ist eine Idee des Papstes Pius XII., deren Umsetzung 1958 bei einem Treffen von Bischöfen in Manila beschlossen wurde. Die Finanzierung klärte Konrad Adenauer mit der Entscheidung, als westdeutsche Entwicklungshilfe 75 Prozent der Kosten zu übernehmen.
Bei der Planung der technischen Infrastruktur beteiligte sich wiederum die Deutsche Welle. Das setzte sich bei den Lieferanten fort: Die Sendestation in Dakila, 30 Kilometer nordwestlich der Innenstadt von Manila, wurde von Siemens-Halske und Telefunken ausgestattet.
Zum Einbau kamen ein Mittelwellensender mit 50 kW für ein Inlandsprogramm, dessen Finanzierung von vornherein die örtliche Erzdiözese übernahm, und zwei Kurzwellensender mit jeweils 100 kW für internationale Programme. Erste Sendeversuche begannen 1967, die offizielle Einweihung folgte 1969.
1972/1973 waren die Kurzwellensendungen wegen Geldmangel und technischen Problemen zeitweise unterbrochen. Danach begann jedoch ein immer weiterer Ausbau. Berichte über einen Besuch des damaligen Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Joseph Höffner, im Jahre 1978 nannten bereits elf Sendesprachen.
Für deren Ausstrahlung war inzwischen auch ein dritter Kurzwellensender (50 kW) in Betrieb. Er stammte von der South East Asia Radio Voice, einem bis 1974 ebenfalls in den Philippinen betriebenen protestantisch-ökumenischen Projekt.
Eine Sonderkollekte im Erzbistum Köln und weitere Spenden ermöglichten 1983 den Kauf eines Großsenders mit 250 kW. Dessen Einfuhr in die Philippinen scheiterte zunächst: Nach der Erschießung von Benigno Aquino hatten sich die Beziehungen der katholischen Kirche zum Marcos-Regime drastisch verschlechtert.
Staatlichen Unternehmen wurde eine weitere Unterstützung von Radio Veritas Asia verboten. Zugleich sollte für den neuen Sender ein Zoll von fast einer Million US-Dollar gezahlt werden. Diesen Betrag konnte Radio Veritas Asia nicht aufbringen und sah sich zusätzlich gezwungen, die tägliche Sendezeit von 17 auf 10 Stunden zu kürzen.
Die Einlagerung des Senders bei den Zollbehörden erwies sich als Glück: Während der Proteste im Februar 1986, die in den Sturz von Marcos mündeten, wurde die Sendestation von Soldaten überfallen, um eine weitere Berichterstattung über die Ereignisse in Manila zu verhindern.
Bei ihren Attacken zusätzlich aufgestachelt waren die Soldaten durch den Notbetrieb von einem anderen Standort. Der letztlich angerichtete Sachschaden belief sich auf zwei Millionen US-Dollar. Trotzdem konnten die Sendungen bereits nach wenigen Wochen wieder beginnen.
2008 wurde die Station durch die Mitnutzung einer Mittelwellenanlage in Taliptip ersetzt. Die dortige Antenne steht, aus sendetechnischer Sicht ideal, im Wasser.
In Dakila zurück blieb das Sendergebäude, an dem die Einschüsse bis heute zu sehen sind. Es steht seit 2011 leer, nachdem eine Nutzung für Bildungszwecke und eine UKW-Station endete. Nichts deutet auf eine Umsetzung gemeldeter Bestrebungen, das Objekt als Denkmal zu erhalten und zu renovieren.
Das Mittelwellenprogramm ist 1991 aus Radio Veritas Asia herausgelöst und in das Hörfunknetz des philippinischen Catholic Media Network überführt worden. Mit der aktuellen Kontroverse hat es deshalb nichts mehr zu tun.
Für die Kurzwelle ermöglichten es erneute Spenden, gleich einen neuen Standort aufzubauen: Palauig, an der Küste 150 Kilometer nordwestlich von Manila. Dort gab es ausreichend Platz für einen Park an leistungsfähigen Vorhangantennen.
Erste Testsendungen begannen am 7. Dezember 1986. Eine Woche später wurde die Station, wiederum durch den deutschen Kardinal Höffner, offiziell eingeweiht. Der bereits beschaffte Sender wurde noch um zwei weitere Exemplare mit ebenfalls 250 kW Leistung ergänzt.
Mit der neuen Anlage dehnte Radio Veritas Asia sein Sendegebiet für einige Jahre bis in den europäischen Teil der Sowjetunion bzw. dann GUS aus. Zuletzt reichten die Zielgebiete in Richtung Westen noch bis Pakistan.
In dieser Endphase liefen über die Sender auch Programme von Radio Vatikan unter anderem für China und Vietnam. Im Gegenzug strahlte Radio Vatikan die Produktionen von Radio Veritas Asia für Pakistan und für die Philippinen selbst ab. Letzteres war wegen der Besonderheiten der Kurzwelle (Ausbildung „toter Zonen“ um die Sender) tatsächlich sinnvoll.
In Einzelfällen stellte Radio Veritas Asia seine Kurzwellensender auch auf kommerzieller Grundlage zur Verfügung. Bekannt ist hier „Radio Free Sarawak“, ein britisches Projekt, das von 2010 bis 2016 aktiv war.
2011 begann der Geldstrom aus Deutschland zu versiegen. Nach damaligen Angaben kürzte Missio Aachen die Zuwendungen zunächst um zehn Prozent. 2015 beliefen sich die Zuschüsse und Spenden noch auf knapp 1,5 Millionen Euro, 2016 auf nurmehr 940.000 Euro.
Das hatte eine Konsequenz, bei der sich die katholische Kirche wieder einmal daran versuchte, nicht zu kommunizieren, indem man auf Äußerungen zum Thema verzichtete: Die Einstellung des Sendebetriebs am 30. Juni 2018. Seitdem ist Radio Veritas Asia nur noch online aktiv.
Die Sendestation existiert bereits nicht mehr, da nach der Abschaltung sogleich daran gegangen wurde, das Gelände einer neuen, für frühere AM-Anlagen inzwischen etablierten Nutzung zuzuführen: Als Solarpark.
Mit dem Entfall des linearen Hörfunks bestand die unmittelbare Bindung an die Philippinen nicht mehr. Das führte zu einer Idee, die bei den derzeitigen Querelen wohl eine maßgebliche Rolle spielt: Radio Veritas Asia soll nach Bangkok, zum Sitz der Föderation der Bischofskonferenzen, umziehen.
Zum Umfeld, in dem Radio Veritas Asia aufgebaut wurde, lieferte der Publizist Peter Scholl-Latour († 2014) mit dem Buch „Die Angst des weißen Mannes“ folgende Meinung, beginnend mit der Schilderung seiner Eindrücke vom Karfreitag 1972:
„Nirgendwo wird das Leiden Christi so pathetisch, so grauenvoll dargestellt wie auf den Philippinen. [...]
Die durchweg männlichen Büßer hatten sich die Dornenkronen auf den Schädel gedrückt, daß ihnen das Blut über die Stirn floß. [...]
Irgendwo auf Luzon ließ sich jedes Jahr ein Sonderling mit Nägeln an das Kreuz schlagen, so hatte man uns gesagt. Ich beobachtete fasziniert, wie der blutige Rücken eines im Staub ausgestreckten jungen Mannes von einer alten Frau in pedantischer Regelmäßigkeit mit einer Rute bearbeitet wurde. [...]
Die »Semana Santa«, die nach dem Vorbild Sevillas mit Umzügen von Büßern gestaltet wurde, und die Verkitschung des Erlösungsmythos durch den Medienrummel Hollywoods waren auf den Philippinen eine eigenartige, schockierende Symbiose eingegangen. [...]
Im Krieg gegen Madrid, den der US-Präsident Theodore Roosevelt um 1900 vom Zaun brach und der der Karibikinsel Kuba eine relative Unabhängigkeit verschaffte, hatten auch die Philippinen den Besitzer gewechselt. [...]
Ähnlich wie in Lateinamerika wurden die Eingeborenenstämme von Luzon und der Visayas, die noch ihren Naturreligionen anhingen, mühelos unterworfen.
Die spanischen Mönche fanden hier einen fruchtbaren Boden für ihre Missionierung und impften der überwiegend malaiischen Bevölkerung den Glauben an die römische Kirche so nachhaltig ein, daß dort [...] eine exaltierte, naive Frömmigkeit aufkam, die dem ehemaligen iberischen Mutterland längst abhanden gekommen ist. [...]
In Manila entstand nach der Unabhängigkeit eine Karikatur des US-amerikanischen Präsidial- und Congress-Systems. In Krisensituationen gab die Armee den Ausschlag. [...]
Die spanische Sprache wurde erstaunlich schnell durch das amerikanisch gefärbte Englisch verdrängt und neben dem malaiischen Idiom Tagalog zur offiziellen Amtssprache. [...]
In Washington hatte man schließlich Anstoß genommen am willkürlichen Regierungsstil des Präsidenten Marcos [...].
Der Versuch liberaler Politiker in den USA, auf das straffe Regiment des »Pistolero« eine liberale volksnähere Staatsführung folgen zu lassen, scheiterte jedoch. Corazon Aquino – als Betschwester belächelt – trat als Präsidentin an die Stelle ihres ermordeten Gatten. Aber auch sie versuchte gar nicht ernsthaft, die skandalöse Not ihrer Untertanen zu lindern. [...]
Der historische Skandal auf den Philippinen besteht darin, daß dieser Staat [...] neben Bangladesch und Nordkorea als Armenhaus Ostasiens gilt. Das passiert ausgerechnet einem Volk, das der abendländischen Heilslehre des Christentums sowie, in einer späteren Phase, der amerikanischen Menschenrechts- und Demokratie-Ideologie in vollem Umfang teilhaftig wurde. [...]“
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 08.04.2023