Somalia und Magdeburg - Zwei Notizen zur BBC

Somaliland
Das frühere Britisch Somaliland, seit 1991 ein de facto unabhängiger Staat | © Abdilahi Geel-maal

Die letzten Tage des Jahres 2024 brachten noch zwei Themen von der BBC: Wie sie vor Jahrzehnten mit der Empfehlung für die bis heute verwendete Titelmusik ihrer Somali-Sendungen hereingelegt wurde – und wie charakteristisch die Berichterstattung aus Magdeburg für den Zustand des Nachrichtendienstes der BBC ist.

Ein Beitrag des „Guardian“ formuliert:

» Mehr als 50 Jahre hat der Somali-Dienst der BBC eine antikoloniale Botschaft verbreitet, ohne es zu merken. Der Instrumentaltitel ist bekannt, eingängig und gebieterisch – perfekt für den Nachrichtendienst der Kolonialherren. Dummerweise kennt jeder den Text. «


Ins Nest gelegt bekam die BBC dieses Ei, als sie sich 1957 bei Radio Hargeisa nach einer geeigneten Titelmusik für ihre Somali-Sendungen erkundigte. Ein Komponist und Dichter hatte eine Empfehlung – und übermittelte das Lied ohne dessen Text über die Sehnsucht der Menschen nach ihrem eigenen Land: „Gott, wenn sie sich erheben: Erfülle ihren Wunsch.“

Wie der Autor des „Guardian“ weiter anmerkt, schuf die BBC den Somali-Dienst mit zunächst zwei Ausgaben pro Woche, weil sie Radio Kairo mit seinen gegen den Kolonialismus gerichteten Sendungen etwas entgegensetzen wollte. Seinerzeit erfreute sich der (heute nur noch vor sich hindümpelnde) ägyptische Rundfunk in der Region größerer Beliebtheit.

Die Briten hätten, so der Autor, die Somali generell unterschätzt. So sei somalische Poesie voller Botschaften zwischen den Zeilen.

Sidaas daraadeed waxa aan kugu wargelinayaa in aan maanta oo ay taariikhdu tahay 27/04/2023 aan ka qaadnay xayiraadii ka saarnayd ka hawlgalida gudaha Jamhuuriyadda Somaliland Idaacadda BBC-da laanteeda afka soomaaliga.
Dokument vom 27.04.2023 zur Wiederzulassung der BBC in Somaliland | © Abdilahi Geel-maal

2022/2023 hatte die BBC auf ihre UKW-Verbreitung im früheren Britisch Somaliland für fast ein Jahr verzichten müssen.

Zur Begründung hieß es in Hargeisa, die BBC wolle „nicht anerkennen, es bei Somaliland mit einem demokratischen Land zu tun zu haben, das seit 31 Jahren auf eigenen Füßen steht“. In dieser Wahrnehmung beschwor die BBC fast bedingungslos die 1960 vollzogene Einheit mit dem früheren italienischen Kolonialgebiet.

Somaliland hatte sich 1991, mit dem Sturz der Junta des Generals Barre, von Mogadischu losgesagt. In der Tat bestehen dort heute wesentlich bessere Verhältnisse als im Rest von Somalia, der als Lehrbuchbeispiel für den Zustand „gescheiterter Staat“ bekannt ist.

Diese Stimme aus Somaliland zeigt den Helm des im zweiten Weltkrieg als Offizier rekrutierten Vaters, dem erzählt worden sei, er würde die freie Welt, die Demokratie und die Gerechtigkeit gegen Hitler verteidigen, und der zahlreiche Verwundungen erlitten habe:

» Als 1945 der Krieg zu Ende war, ließen sie ihn in der Savanne zurück, ohne auch nur „Danke“ zu sagen. Er hat nie irgendwelche Zahlungen erhalten. Die Leute, die das mit meinem Vater gemacht haben, belehren mich heute, 2023, wie der Frieden zu erreichen ist und Wahlen in meinem Land abzuhalten sind. Denen soll ich glauben? Auf die soll ich hören? «

Unterdessen vermittelte die Berichterstattung der BBC aus Magdeburg am 20. Dezember ein Bild davon, wie es nach der bereits 1999 vollzogenen Einstellung der deutschsprachigen Radiosendungen um die in der Londoner Redaktion verfügbare Deutschland-Kompetenz steht.

So sendete man live den ersten Presseauftritt von Ministerpräsident Haseloff und Innenministerin Zieschang, ohne den Inhalt wiedergeben und überhaupt benennen zu können, wer da spricht. Dabei half es der BBC auch nicht, gerade mit einem anscheinend aus Deutschland stammenden Gesprächspartner verbunden zu sein, da er vom Moderator völlig überfahren wurde.

Wenige Sekunden später zitierte man die Äußerungen aus Meldungen von Reuters und, so ausdrücklich angegeben, dem französischsprachigen Dienst von AFP. Dabei erkannte die BBC-Redaktion offensichtlich nicht, eben diesen Auftritt gerade erst selbst gesendet zu haben.

Interessant war auch die gegebene Verortung von Magdeburg. Im Fernseh-Sendeprogramm war wiederholt die Rede von „East Germany“, teils stattdessen „eastern Germany“. In Textmeldungen wurde daraus auf einmal „central Germany“ – anscheinend hatte jemand den im Deutschen bekannten (nicht allseits geschätzten) Begriff „Mitteldeutschland“ entdeckt.

Inhaltlich fiel auf, wie man – das beschriebene Überfahren des Gesprächspartners hatte maßgeblich damit zu tun – einerseits selbst Meldungen des Mitteldeutschen Rundfunks in schon anmaßender Weise „unbestätigt“ nannte, andererseits aber eine unzutreffende Behauptung von „Bild“ für bare Münze nahm, da sie in englischer Sprache über Reuters hereinkam.

Darüber hinaus spielen Persönlichkeitsrechte für die BBC offenbar keine Rolle, wenn es um Menschen außerhalb von Großbritannien geht. Das betrifft nicht nur den Attentäter, dessen vollen Namen verschiedene deutsche Medien ebenfalls nannten. BBC News ließ ihn als Sofortmeldung über längere Zeit als Schrifteinblendung stehen.

Auch das neunjährige Kind, das sich unter den Todesopfern befindet, ist in einem Textbeitrag der BBC sowohl mit vollem Namen genannt als auch abgebildet worden. Das Foto dürfte man zusammen mit ebenfalls angeführten privaten Details aus sozialen Netzwerken herausgesucht haben.

Stand vom 04.01.2025


Bei der finanziellen und damit auch personellen Ausstattung der BBC ist keine Besserung in Sicht. Der Jahresbericht für 2023/2024 kündigte den Abbau weiterer 500 Arbeitsplätze bis 2026 an.

Die Broschüre veranschaulicht an einem markanten Beispiel die Herausforderungen, vor denen Rundfunkveranstalter nicht nur in Großbritannien stehen: Auf Altersgruppen aufgeschlüsselte Angaben zu den, bezogen auf die Reichweite, meistgenutzten Medienmarken.

Die ersten fünf Plätze belegen britische Fernsehsender, und zwar in der Reihenfolge BBC, ITV, Channel 4 sowie Channel 5, nur noch beim Publikum im Alter ab 55 Jahren. In der Altersgruppe 35 bis 54 Jahre liegt zwar die BBC ebenfalls an der Spitze, doch folgen ihr auf den Plätzen 2 und 3 mittlerweile Facebook und Youtube.

Im Alterssegment 16 bis 34 Jahre ist auch die BBC von Youtube auf den zweiten Platz verwiesen worden. Die Plätze 3 bis 5 belegt hier keiner der kommerziell finanzierten Sender mehr. An deren Stelle traten Facebook, Instagram und Netflix.

Beim noch jüngeren Publikum ist die BBC inzwischen auf den dritten Platz hinter Youtube und Netflix zurückgefallen. Ihr folgen in diesem Fall Disney und Spotify.

2023 gab es unterschiedliche Aussagen darüber, wie viele Arbeitsplätze die BBC allein beim World Service, dem nichtkommerziellen Teil ihrer Auslandsaktivitäten, bereits abgebaut hat.

Für die gesamte BBC nennt der Jahresbericht die Zahl 811. Angegeben wird auch die Höhe der gezahlten Abfindungen: 55,3 Millionen Pfund, dabei in 219 Fällen jeweils zwischen 100.000 und 150.000 Pfund, in 258 Fällen zwischen 50.000 und 100.000 Pfund, in 254 Fällen zwischen 10.000 und 50.000 Pfund, in den übrigen 80 Fällen weniger als 10.000 Pfund.

Über die bereits bekannten Entwicklungen bei der Nutzung bestimmter Sprachdienste hinaus enthält der Bericht einige absolute Zahlen der Wochenreichweiten. Herbe Verluste zeigen sich bei Russisch mit -33 Prozent auf 3,8 Millionen, bei Ukrainisch mit -13 Prozent auf 4,1 Millionen und bei Serbisch mit -11 Prozent auf 600.000.

Auch auf anderen Kontinenten fallen solche Zahlen ins Auge: In Brasilien -23 Prozent auf 5,7 Millionen, für Chinesisch -19 Prozent auf 2,2 Millionen (also zwei Promille des theoretischen Potentials), für Burmesisch -18 Prozent auf 3,2 Millionen oder auch für Koreanisch -22 Prozent auf noch 700.000.

Diese Angaben beziehen sich jeweils auf alle Mediengattungen. Der Hörfunk des World Service hatte insgesamt den Verlust von 24 Prozent seines Publikums hinzunehmen.

Huw Edwards
Archivbild vom 08.09.2022: Der damalige Chefsprecher Huw Edwards verliest die Meldung über den Tod der Königin | © BBC

Kein Bestandteil des World Service ist das einst als „BBC World News“ bekannt gewesene Fernsehprogramm. Hinter dessen Umbennung in „BBC News“ verbarg sich eine weitgehende Zusammenlegung mit dem Inlands-Nachrichtenprogramm, die ihrerseits mit einem erheblichen Personalabbau verbunden war.

Dabei hatten sich auch alle Moderatoren neu zu bewerben und Vorsprechen zu unterziehen. Drei bekannte Gesichter lehnten es ab, sich an der von ihnen so empfundenen Demütigung zu beteiligen und verließen nach Jahrzehnten von sich aus die BBC.

Die mit dieser Prozedur ausgewählten fünf Hauptmoderatoren präsentierte die BBC als Stars. Es dauerte jedoch kein halbes Jahr, dann gab es schon den ersten Abgang zur Konkurrenz. Inzwischen dürfen auch einige Favoriten des einheimischen Publikums wieder auftreten.

Als unantastbar galt der Chefsprecher Huw Edwards. Das änderte sich erst, als sein Abdriften in den Kreis der Bezieher kinderpornographischer Bilder öffentlich bekannt wurde. Über die strafrechtliche Verurteilung auf Bewährung hinaus hat Edwards den Preis der völligen Zerstörung seiner bürgerlichen und auch familiären Existenz zu zahlen.

Edwards war wegen minderschwerer Vorwürfe bereits ab Juli 2023 freigestellt. Trotzdem gewährte ihm die BBC noch eine Erhöhung seiner jährlichen Bezüge um 40.000 Pfund, nachdem sie öffentlicher Druck zuvor dazu gezwungen hatte, statt der 550.000 Pfund (645.000 Euro) des Jahres 2017 „nur noch“ 435.000 Pfund (510.000 Euro) zu zahlen.

Selbst als Edwards im November 2023 festgenommen und die BBC darüber informiert wurde, sprach sie keine Kündigung aus. Das Arbeitsverhältnis blieb aufrecht, bis Edwards es im April 2024 von sich aus beendete. Bis dahin wurden ihm noch weitere 200.000 Pfund (235.000 Euro) ausgezahlt.

Nach außen drang der Vorgang erst nach den Wahlen. Die politische Reaktion blieb somit der neuen Labour-Regierung vorbehalten. Kulturministerin Nandy erklärte dazu, sie habe ein „sehr robustes und freimütiges Gespräch“ mit dem Generaldirektor der BBC geführt und sei in Sorge darüber, ob der Sender noch weiter das Vertrauen des Publikums genießen wird.

In Bild und Ton wurde Huw Edwards nach seinem Geständnis ausgelöscht. Von der Sperrung betreffenden Archivmaterials sollte selbst der Tod der Königin im Jahre 2022 nicht ausgespart bleiben.

Der Jahresbericht verwies besonders auf die 2023 gestarteten Sendungen für den Gazastreifen und merkte an, diese folgten dem Beispiel der Ausstrahlungen in den Sudan. Worüber dabei hinweggegangen wird: Eben diese Sudan-Sendungen hatte man für das neue Projekt wieder eingestellt.

Erwähnung fand dafür „Trending“, ein schon früher kontrovers diskutiertes Format des arabischen Programms. Ein Beitrag mit dem Titel „Hamas weist Anschuldigung zurück, ihre Kämpfer hätten Greueltaten im israelischen Dorf Kvar Aza verübt“ habe damit, keine offizielle Stellungnahme der israelischen Seite zu präsentieren, die Regeln der Ausgewogenheit verletzt.

Auf Grundlage jener Regeln hatte die BBC einst diese Moderation von Emily Maitlis geahndet. Einige Zeit nach der Maßregelung verließ Maitlis die BBC und äußerte sich ausführlich zu Grundsatzfragen. Größere Aufmerksamkeit fand das erst durch die Berichterstattung der Londoner ARD-Korrespondentin Annette Dittert.

Die betreffende Sendung „Newsnight“ ihrerseits hatte 2023 eine Kürzung des Budgets um 5 Millionen Pfund hinzunehmen. Folge war der Abbau eigener Recherchen und der Ersatz von Filmbeiträgen durch Studiogespräche.

Ihren Ruf beschädigte die BBC auch mit dem Versuch, ihr Vokalensemble aufzulösen. Bereits als Gaslighting erschien ein Schreiben, in dem der Leiter der BBC-Klangkörper und der Programmchef von Radio 3 den BBC Singers und dem ebenfalls gefährdeten Konzertorchester ihren Dank für das Engagement in einem „schwierigen Jahr“ aussprachen.

Daran erinnerte der Jahresbericht, indem er massive Einschnitte bei den Lokalradios als „schwierige Anpassungen für unsere Belegschaft und einige Hörer“ umschreibt. Wieder in den Vordergrund gerückt ist dieses Thema durch den parallel angestrebten Start neuer Hörfunkprogramme.

 

Beitrag von Kai Ludwig