Nach der Mitteilung weiterer Kürzungen - Absturz ihres Nachrichtenstars erschüttert die BBC
Unmittelbar nach der Ankündigung des Abbaus weiterer Arbeitsplätze wird die BBC von einem Kinderpornographie-Fall erschüttert. Ihr bekanntester Nachrichtensprecher, Huw Edwards, hat den Besitz solcher Bilder gestanden und sieht einer Verurteilung entgegen. Obwohl sie bereits seit November über den Verdacht informiert war, tat die BBC über Monate nichts.
Edwards war wegen minderschwerer Vorwürfe bereits seit Juli 2023 freigestellt. Trotzdem gewährte ihm die BBC noch eine Erhöhung seiner jährlichen Bezüge um 40.000 Pfund, nachdem öffentlicher Druck zuvor dazu gezwungen hatte, statt der 550.000 Pfund (645.000 Euro) des Jahres 2017 „nur noch“ 435.000 Pfund (510.000 Euro) zu zahlen.
Im November war Edwards von Scotland Yard festgenommen und die BBC darüber informiert worden. Der Sender steht jetzt unter Druck, weil er das Arbeitsverhältnis nicht schon seinerzeit beendet hat. An Edwards wurden noch weitere 200.000 Pfund (235.000 Euro) ausgezahlt, bis er im April selbst seinen Abschied erklärte.
Gegenüber dem, was von der gerade abgewählten Tory-Regierung zu erwarten gewesen wäre, fällt die Reaktion der neuen Kulturministerin Nandy moderat aus. Sie erklärte, ein „sehr robustes und freimütiges Gespräch“ mit dem Generaldirektor der BBC geführt zu haben und in Sorge darüber zu sein, ob der Sender weiter mit dem Vertrauen des Publikums rechnen kann.
Nach dem Geständnis wurde in Großbritannien daran gegangen, Edwards in Bild und Ton zu entfernen. Das schließt auf Seiten der BBC voraussichtlich auch die Sperrung von Archivmaterial geschichtlicher Ereignisse ein. Es könnte selbst den unauflösbar mit Edwards verknüpften Tod der Königin im vorletzten Jahr treffen.
Konkret geht es bei den Bildern um Zusendungen durch einen dubiosen Kontakt. Besonnene Stimmen warnen davor, dem Sachverhalt zu schnell mit eindimensionalen Täterklischees gerecht werden zu wollen. Huw Edwards hat bereits den Preis der völligen Zerstörung seiner bürgerlichen und, wie durchsickerte, auch familiären Existenz zu zahlen.
Stand vom 04.08.2024
Bericht vom 28. Juli 2024:
Bis 2026 entfallen bei der BBC weitere 500 Arbeitsplätze. Mitgeteilt wurde das mit der Präsentation des Jahresberichtes 2023/2024.
Diese Broschüre veranschaulicht an einem markanten Beispiel die Herausforderungen, vor denen Rundfunkveranstalter nicht nur in Großbritannien stehen: Auf Altersgruppen aufgeschlüsselte Angaben zu den, bezogen auf die Reichweite, meistgenutzten Medienmarken.
Die ersten fünf Plätze belegen britische Fernsehsender, und zwar in der Reihenfolge BBC, ITV, Channel 4 sowie Channel 5, nur noch beim Publikum im Alter ab 55 Jahren. In der Altersgruppe 35 bis 54 Jahre liegt zwar die BBC ebenfalls an der Spitze, doch folgen ihr auf den Plätzen 2 und 3 mittlerweile Facebook und Youtube.
Im Alterssegment 16 bis 34 Jahre ist auch die BBC von Youtube auf den zweiten Platz verwiesen worden. Die Plätze 3 bis 5 belegt hier keiner der kommerziell finanzierten Sender mehr. An deren Stelle traten Facebook, Instagram und Netflix.
Beim noch jüngeren Publikum ist die BBC inzwischen auf den dritten Platz hinter Youtube und Netflix zurückgefallen. Ihr folgen in diesem Fall Disney und Spotify.
Im vergangenen Jahr gab es unterschiedliche Aussagen darüber, wie viele Arbeitsplätze die BBC allein beim World Service, dem nichtkommerziellen Teil ihrer Auslandsaktivitäten, abgebaut hat.
Für die gesamte BBC nennt der Bericht die Zahl 811. Angegeben wird auch die Höhe der gezahlten Abfindungen: 55,3 Millionen Pfund, dabei in 219 Fällen jeweils zwischen 100.000 und 150.000 Pfund, in 258 Fällen zwischen 50.000 und 100.000 Pfund, in 254 Fällen zwischen 10.000 und 50.000 Pfund, in den übrigen 80 Fällen weniger als 10.000 Pfund.
Über die bereits bekannten Entwicklungen bei der Nutzung bestimmter Sprachdienste hinaus enthält der Bericht einige absolute Zahlen der Wochenreichweiten. Herbe Verluste zeigen sich bei Russisch mit -33 Prozent auf 3,8 Millionen, bei Ukrainisch mit -13 Prozent auf 4,1 Millionen und bei Serbisch mit -11 Prozent auf 600.000.
Auch auf anderen Kontinenten fallen solche Zahlen ins Auge: In Brasilien -23 Prozent auf 5,7 Millionen, für Chinesisch -19 Prozent auf 2,2 Millionen (also zwei Promille des theoretischen Potentials), für Burmesisch -18 Prozent auf 3,2 Millionen oder auch für Koreanisch -22 Prozent auf noch 700.000.
Diese Angaben beziehen sich jeweils auf alle Mediengattungen. Der Hörfunk des World Service hatte insgesamt den Verlust von 24 Prozent seines Publikums hinzunehmen.
Kein Bestandteil des World Service ist das einst als „BBC World News“ bekannt gewesene Fernsehprogramm. Hinter dessen Umbennung in „BBC News“ verbarg sich eine weitgehende Zusammenlegung mit dem Inlands-Nachrichtenprogramm, die ihrerseits mit einem erheblichen Personalabbau verbunden war.
Dabei hatten sich auch alle Moderatoren neu zu bewerben und Vorsprechen zu unterziehen. Drei bekannte Gesichter lehnten es ab, sich an der von ihnen so empfundenen Demütigung zu beteiligen und verließen nach Jahrzehnten von sich aus die BBC.
Mit dieser Prozedur wurden fünf Hauptmoderatoren ausgewählt und von der BBC als Stars präsentiert. Das Ergebnis hielt indes kein halbes Jahr, dann gab es schon den ersten Abgang zur Konkurrenz, sprich zu Sky News. Inzwischen hat die BBC einige damals aussortierte Favoriten des einheimischen Publikums zurückgeholt.
Der Jahresbericht verweist besonders auf die seit November ausgestrahlten Sendungen für den Gazastreifen und merkt an, diese folgten dem Beispiel der im Mai 2023 gestarteten Ausstrahlungen in den Sudan. Worüber dabei hinweggegangen wird: Eben diese Sudan-Sendungen hatte man für das neue Projekt wieder eingestellt.
Erwähnung findet dafür „Trending“, ein schon früher kontrovers diskutiertes Format des arabischen Programms. Ein Beitrag mit dem Titel „Hamas weist Anschuldigung zurück, ihre Kämpfer hätten Greueltaten im israelischen Dorf Kvar Aza verübt“ habe damit, keine offizielle Stellungnahme der israelischen Seite zu präsentieren, die Regeln der Ausgewogenheit verletzt.
Auf Grundlage jener Regeln hatte die BBC einst diese Moderation von Emily Maitlis geahndet. Einige Zeit nach der Maßregelung verließ Maitlis die BBC und äußerte sich ausführlich zu Grundsatzfragen.
Die betreffende Sendung „Newsnight“ wiederum hatte 2023 eine Kürzung ihres Budgets um 5 Millionen Pfund hinzunehmen. Folge war der Abbau eigener Recherchen und der Ersatz von Filmbeiträgen durch Studiogespräche.
Auf den Fall Maitlis aufmerksam machte in erster Linie die Londoner ARD-Korrespondentin Annette Dittert. Wie weitgehend sich deren Einschätzungen durch die zwischenzeitliche Abwahl der Tory-Partei erledigt haben, bleibt abzuwarten.
Ihren Ruf beschädigte die BBC auch mit dem Versuch, ihr Vokalensemble aufzulösen. Bereits als Gaslighting erschien dabei ein Schreiben, in dem der Leiter der BBC-Klangkörper und der Programmchef von Radio 3 den BBC Singers und dem ebenfalls gefährdeten Konzertorchester ihren Dank für das Engagement in einem „schwierigen Jahr“ aussprachen.
Daran erinnert der Jahresbericht, indem er massive Einschnitte bei den Lokalradios als „schwierige Anpassungen für unsere Belegschaft und einige Hörer“ umschreibt. Wieder in den Vordergrund gerückt ist dieses Thema durch den parallel angestrebten Start neuer Hörfunkprogramme.
Beitrag von Kai Ludwig