Kein Diskurs mehr - Arabisches Programm der BBC angeblich unter Druck
Medien-Berichterstattung bis nach Deutschland sieht das Arabisch-Programm der BBC unter Druck. Eine wirkliche Diskussion außerhalb einschlägiger Blasen ist allerdings nicht wahrnehmbar.
Auch von der Taz aufgegriffen wurde ein „Asserson Report“, der über rein automatisierte Auswertungen eine einseitige Berichterstattung nachweisen will. Eine tatsächliche Erörterung des Papiers in der englischsprachigen Welt ist zunächst nicht zu erkennen.
Dem könnte auch deshalb so sein, weil es sich hier nicht um Neuigkeiten handelt. Schon seit 2000 meldet sich der Herausgeber immer wieder mit solchen Anschuldigungen gegen die BBC.
Deren Pressestelle veröffentlichte gerade eine generelle Stellungnahme der Leiterin des Bereichs BBC News zur Berichterstattung aus dem Nahen Osten. Darin heißt es:
» Das ist zweifellos für uns alle der am stärksten polarisierende Konflikt, den wir in unserer Tätigkeit als Journalisten je erlebt haben. [...] Vieles davon könnte durch die Algorithmen der Sozialen Medien zu erklären sein. «
Die Nachrichtenchefin Deborah Turness verweist darauf, wie eine Tätigkeit unabhängiger Korrespondenten sowohl in Gaza als auch im Libanon nicht mehr möglich ist, und merkt weiter an:
» Nachdem immer mehr Anbieter ihren Journalismus hinter Bezahlschranken stecken, abonnieren die Leute zunehmend nur noch Medienmarken, die ihre eigene Weltsicht reflektieren. Sie leben immer mehr in Informations-Ökosystemen, in denen sie von ihren eigenen Ansichten und Meinungen umgeben sind. «
Anschaulich sind dazu die hier lesbaren Antworten auf den Tweet, mit dem die BBC auf diese Stellungnahme hingewiesen hat. Sie wären zum Teil justiziabel und zeigen, wie es – wohlverstanden nicht nur auf X – inzwischen keinen Diskurs mehr gibt.
Ohne Kontroversen geht es dabei auch im arabischen Programm der BBC nicht ab. Ihr jüngster Jahresbericht erwähnt erneute Auffälligkeiten der Sendung „Trending“, die 2017 geschaffen wurde und laut Eigendarstellung „die beliebtesten und interessantesten Geschichten aus sozialen Netzwerken auswählt und tiefer einsteigt“.
Erstmals in den Fokus geriet diese Sendung damit, was für „beliebteste und interessanteste Geschichten“ es so waren, die man 2019/2020 ausgewählt und unkommentiert wiedergegeben hat.
Die Daily Mail zitierte, „das Coronavirus sei ein Ergebnis von Homosexualität, Gays sollten lebenslang inhaftiert werden, die Regenbogenflagge sei ein Zeichen des moralischen Niedergangs“. Laut Jewish Chronicle wurde „Phantasien über eine Zerstörung von Israel eine Plattform gegeben“.
In einer der seinerzeit monierten „Trending“-Sendungen ging es um Vorgänge in Berlin. Parallel geriet insbesondere die dort angesiedelte Arabisch-Redaktion der Deutschen Welle in den Fokus des „Guardian“.
Man könnte es für ziemlich merkwürdig halten, wenn Anschuldigungen von Rassismus und Mobbing in einer deutschen Rundfunkanstalt allein über ausländische Medien verhandelt werden. Das wiederholte sich 2022, als Antisemitismus-Vorwürfe die Deutsche Welle zur Getriebenen machten.
Besonders ausführlich äußerte sich dazu, wie auch ihrer Beziehung zu Deutschland überhaupt, die jordanisch-palästinensische Journalistin Farah Maraqa. Gegen die fristlose Entlassung durch die Deutsche Welle hat nicht nur sie erfolgreich geklagt.
Von den Partnern in der arabischen Welt wollte die Deutsche Welle unbestimmte Verpflichtungserklärungen gegen Antisemitismus einholen. Ergebnis war teils veröffentlichte Empörung und in der Mehrzahl der Fälle das Ende der Zusammenarbeit. Auf solche Kooperationen entfielen drei Viertel der Reichweite dieser Sprachredaktion.
Die BBC ihrerseits hatte Anfang 2023 wegen Geldmangel das Hörfunkprogramm in arabischer Sprache eingestellt (siehe Mitschnitt und Fernsehaufnahme).
Zu einer beschränkten Wiederaufnahme kam es bereits im Mai, zunächst auf Kurzwelle und für den Sudan. Drei Wochen nach dem 7. Oktober 2023 wurden diese Sendungen, ungeachtet ihrer vollmundigen Ankündigung und der keinesfalls verbesserten Lage im Zielgebiet, kommentarlos beendet.
An deren Stelle traten sehr ähnliche Sendungen für den Gazastreifen, diesmal auf Mittelwelle.
Dafür brauchte die Sendeanlage auf Zypern nicht erst reaktiviert zu werden: Schon seit Juli 2023 nutzt sie für zwei Stunden am Abend das saudische Al Arabiya. Zunächst handelte es sich auch hier um spezielle, auf den Sudan zielende Hörfunkproduktionen, bis man im Oktober zur Übertragung des Fernsehtons mit dem nunmehrigen Schwerpunkt Gaza überging.
Die zweimal 30 Minuten, welche die BBC jetzt wieder bucht, waren noch nicht das Ende der Vermarktungserfolge für diesen Mittelwellensender: Im Dezember kam auch noch der Auslandsrundfunk von Frankreich mit einer Stunde pro Tag hinzu.
Neben der Mittelwellenanlage bei Akrotiri, die nach der Unterbrechung im ersten Halbjahr 2023 wieder auf 639 kHz aktiv ist (die zweite Frequenz 720 kHz bleibt stillgelegt), hatte die BBC schon seit den 50er Jahren eine Sendestation östlich von Limassol betrieben.
Schwerpunkt war dort die Kurzwelle mit zehn Sendern, bis 2008 ergänzend auch für Europa, eingeschlossen die bereits 1999 eingestellten deutschen Sendungen. Im Zuge des schrittweisen Rückzugs aus dem Kurzwellenrundfunk entfiel der Standort 2013.
Die ebenfalls vorhandene Mittelwellentechnik war noch auf 1323 kHz aktiv und vor allem mit dem englischen World Service-Programm bespielt worden. Der Wegfall dieser Ausstrahlung führte, so unglaublich das angesichts der aktuellen Nichtdiskussion erscheinen mag, zu zahlreichen Beschwerden aus Israel.
Deshalb wurde die Frequenz noch einmal in eingeschränktem Umfang in Betrieb genommen, bis es ab 2015 nicht mehr möglich war, die – inzwischen vollständig abgerissene – Sendestation noch weiter zu nutzen.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 06.10.2024