Über früheren BBC-Sender - Al Arabiya auf Mittelwelle

Al Arabiya FM
© Al Arabiya

Die BBC geht, Al Arabiya kommt: Die saudische Fernsehstation nutzt für ihr neues Hörfunkprogramm einen Mittelwellensender des gerade eingestellten arabischen Radiodienstes des Londoner Wettbewerbers.

Möglicherweise gibt es diese Idee schon seit April. Das würde Äußerungen eines Mitarbeiters erklären, der den Sudan in Zusammenhang mit der Frequenz 639 kHz brachte und damit für Ratlosigkeit unter Beobachtern sorgte.

Anfang Juli kam ein erster Hinweis auf tatsächliche Aktivitäten. Soweit ohne Sprachkenntnisse erkennbar, lief zunächst spezielles Promomaterial, das auf Rückmeldungen aus dem Sudan abzielte.

Bei der Einschaltung des Senders zu hören war jenes Fragment einer Produktionsmusik, das der Technikdienstleister Encompass den Programmen anderer Kunden als der BBC voranstellt. Es handelt sich also ohne Zweifel um die von der BBC verlassene Sendeanlage auf Zypern.

Inzwischen wird das reguläre Programm von Al Arabiya FM übertragen. Bisherige Beobachtungen zeigen eine wohl tägliche Sendezeit zwischen 21.00 und 23.00 Uhr MESZ.

In Mitteleuropa kommt davon allerdings kaum etwas an, obwohl die Frequenz derzeit nicht aus der Tschechischen Republik belegt ist. Grund ist die Richtantenne, die das Sendesignal nach Nordafrika bündelt. Deshalb bleibt es hierzulande meist vom ebenfalls auf 639 kHz aktiven Sender La Coruña (Spanien) zugedeckt.

Anders verhält sich das für den Rest des Hochsommers (bis die länger werdenden Nächte die „tote Zone“ immer weiter vergrößern) bei einer auf die Stunde ab 21.00 Uhr beschränkten Ausstrahlung über die Kurzwellensender in England, die Encompass ebenfalls verkaufen konnte. Frequenz: 15420 kHz.

Nicht, wie zu vermuten war, endgültig abgeschaltet, sondern an einen Wettbewerber weitergereicht hat Encompass somit eine der Frequenzen des arabischen Radioprogramms der BBC, das am 27. Januar eingestellt wurde.

Zwar meldet sich die BBC seit Mai wieder mit Hörfunksendungen für den Sudan. Dieses zunächst für ein halbes Jahr angesetzte Projekt ist jedoch eine Minimallösung: Zweimal täglich 30 Minuten auf jeweils einer Kurzwellenfrequenz.

Al Arabiya, das 2003 in Dubai als Gegengewicht zum katarischen Al Jazeera gegründet wurde, hatte sich seinerseits das zusätzliche Radioprogramm als Geschenk zum 20. Geburtstag gemacht.

2021 war die Rede von einem schrittweisen Umzug nach Riad. Die Hörfunkproduktion scheint, soweit in veröffentlichtem Bildmaterial erkennbar, einstweilen aber wieder am bestehenden Standort Dubai eingerichtet worden zu sein. Al Arabiya äußert sich zu diesem Thema nicht.

Besonders pikant: Die operative Leitung von Al Arabiya liegt seit 2022 beim früheren Direktor des BBC World Service, Jamie Angus. Er war vor seinem Abgang noch zum „senior controller of output and commissioning“ befördert worden, schaffte es aber nicht, wie erhofft zum Chef des gesamten Bereichs BBC News aufzusteigen.

Im März kommentierte Angus den Fall des Sportreporters Gary Lineker, dessen überaus hohe Honorare die Diskussionen um das – dann zwar nicht sofort abgewickelte, aber nach wie vor in der Schwebe hängende – Vokalensemble der BBC zusätzlich belasten (Jamie Angus seinerseits bezog zuletzt 200.000 Pfund pro Jahr).

Verärgert seien, so Angus, auch Journalisten der BBC, die sich erheblichen Auflagen zur Wahrung der Ausgewogenheit zu unterwerfen haben und nun sahen, wie Lineker mit diesen Vorschriften „Schlitten fährt“. Generaldirektor Davie habe mit der kontrovers diskutierten Suspendierung richtig gehandelt.

Die Umformulierung der einschlägigen Richtlinien, die durch die Einigung mit Lineker erforderlich wird, schadet nach Meinung von Jamie Angus der BBC. Dies gelte besonders, weil mit einer längerfristigen Fortsetzung der Zusammenarbeit ohnehin nicht mehr zu rechnen sei.

Sender Duba
Mittelwellensender Duba auf einer alten Militärkarte | © Sammlung University of Texas

Die Anmietung der Sendezeit auf Zypern ihrerseits überrascht auch deshalb, weil es an der saudischen Küste des Roten Meeres seit Jahrzehnten für Ausstrahlungen hinein nach Afrika bestimmte Mittelwellenanlagen gibt.

Am bekanntesten ist hierzulande der Sender Duba mit den aus jeweils sechs Türmen bestehenden Antennen für die Tagfrequenz 594 kHz und die Nachtfrequenz 1521 kHz. Davon ist inzwischen ebenso nichts mehr zu hören wie von der Sudan-Frequenz 1512 kHz aus Dschidda.

Es liegen keine Informationen darüber vor, warum dem so ist. Nach früheren Andeutungen soll die alte Technik dieser Stationen durchaus in der Zwischenzeit ersetzt worden sein. Das waren, wie beim im Kosovo-Krieg zerstörten Belgrader Sender 684 kHz, bis zu 2000 kW starke Anlagen eines US-amerikanischen Herstellers.

Sender Dschidda
Die neuen Kurzwellensender in Dschidda (Foto des Lieferanten Continental)

Erst vor wenigen Jahren lieferte dieses Unternehmen vier neue Kurzwellensender nach Dschidda. Trotzdem sind vom Kurzwellendienst der traditionellen saudischen Rundfunkgesellschaft SBA (über viele Jahre als BSKSA bekannt gewesen) nur noch geringe Reste übrig.

Dabei war unlängst die Rede von geplanten neuen Konzepten. Es dürfte deshalb wenig sinnvoll sein, die derzeitige Ausprägung der Reste (hauptsächlich mit fremdsprachigen Produktionen) noch näher zu beschreiben.

Von dieser Entwicklung unberührt blieben zwei Spezialitäten. Die eine läuft seit 2015 auf 11860 kHz und wurde seinerzeit als „Programm der international anerkannten Regierung aus den Studios in Aden“ beschrieben. Schönheitsfehler dieser Geschichte sind in Aden inzwischen aktive Sezessionisten, die den 1990 aufgelösten Südjemen wieder etablieren wollen.

Tatsächlich dürften die Sendungen von Anfang an aus Riad gekommen sein. Greifbares Indiz ist die Satellitenübertragung (ein Fernsehprogramm mit dem Radiokanal als zusätzlicher Tonspur): Sie läuft mit der Betreiberkennung „SBC“, der bis 2018 verwendeten Bezeichnung der heutigen SBA.

2017 kam noch ein „Al Azm Radio“ hinzu. Dieses Programm wird offen als Produkt der SBA präsentiert und läuft außer auf der Kurzwelle 11745 kHz auch auf UKW. Die hier gegebene Beschreibung der Zielgruppe ist einigermaßen zynisch: „Truppen im südlichen Saudi-Arabien“.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 30.07.2023