Folge des Rückzugs von Adventist World Radio - ORF nicht mehr auf Kurzwelle
Die unweigerliche Folge der Entscheidung von Adventist World Radio, alle externen Kurzwellenkapazitäten abzukündigen, ist auf der Sendestation Moosbrunn bei Wien früher als erwartet eingetreten.
Die letzte Ausstrahlung auf der über Jahrzehnte genutzten Kurzwelle 6155 kHz lief bereits am 19. Oktober 2024. Zuletzt beschränkte sich die Sendezeit auf 33 Minuten an Werktagen.
Auch so überlebte die Frequenz das reguläre Auslandsprogramm des ORF, Radio Österreich International, um ganze 21 Jahre. Das hätte 2003 niemand für möglich gehalten.
In ihren letzten beiden Jahrzehnten lebte die Station Moosbrunn von Ausstrahlungen externer Kunden. Verschiedene Aufträge gingen bereits zum Beginn des Jahres 2023 verloren, als eine erhebliche Erhöhung der Strompreise in Kraft trat.
Aktiv waren von da an nur noch zwei Sender dieser Bauart mit einer Nennleistung von 100 kW, die erst im Jahre 2000 installiert wurden. Das konnte seinerzeit mit der Standardbegründung „Digitalisierung“ durchgesetzt werden, obwohl sich der Untergang von Radio Österreich International schon abzeichnete.
Von den Antennen noch nutzbar waren zuletzt eine rundstrahlende Quadrantantenne (über sie lief die Frequenz 6155 kHz), eine drehbare logarithmisch-periodische Antenne für mittlere Entfernungen und das Prunkstück der Station, die Drehstandantenne.
Letztere ist eine Vorhangantenne, die auf Schienen läuft und entweder mit der Seite für die niedrigen oder die hohen Frequenzen auf das jeweils gewünschte Zielgebiet eingedreht werden kann. Die Konstruktion hat ein umfangreiches Betonfundament, dessen Beseitigung mit großem Aufwand verbunden sein wird.
Einfacher war das bei der sogenannten Doppelwandantenne, die im Frequenzbereich von 9 bis 21 MHz nach Osten und Westen strahlen konnte, wobei sich beide Seiten unabhängig voneinander betreiben ließen. Diese Antenne war seit 2022 unbrauchbar und nicht mehr standsicher. Sie ist deshalb am 19. September ohne großes Aufhebens abgerissen worden.
Weitere Details zu den Antennen und der früheren Sendetechnik enthält eine Broschüre aus den 90er Jahren. Der Text hält sich noch an eine Sprachregelung, die zu diesem Zeitpunkt bereits obsolet war, einst jedoch einen brisanten Hintergrund hatte: In Bezug auf die Kurzwellenausstrahlung, die es bis 1985 aus Innsbruck gab, durfte keinesfalls das Wort Südtirol fallen.
Endgültig abgeschaltet werden soll die Sendetechnik in Moosbrunn zum Jahresende. Die Liste der nach jetzigem Stand noch geplanten Ausstrahlungen ist übersichtlich:
6070 kHz über die Quadrantantenne am 3., 10., 17. und 24. November sowie 1., 8., 15., 22. und 29. Dezember jeweils von 11.00 bis 12.00 Uhr, außerdem am 26. Dezember von 10.00 bis 16.00 Uhr;
7330 kHz über die LP-Antenne am 3. November und 1. Dezember jeweils von 13.00 bis 14.00 Uhr;
9635 kHz über die Drehstandantenne am 24. Dezember von 19.00 bis 21.00 Uhr.
Bei den einstündigen Sendungen auf 6070 kHz handelt es sich um Radio DARC, das mit dem Wegfall der Ausstrahlung aus Moosbrunn insgesamt eingestellt werden könnte. Die monatliche Sendung auf 7330 kHz ist Radio Joystick, für das als Ersatz, beginnend mit dem 5. Januar, eine Ausstrahlung aus England auf 9600 kHz bestellt wurde.
Die Sendung am Heiligabend, die zumindest momentane Planungen der Media Broadcast so vorsehen, ist die jährliche Seeleute-Grußsendung des Norddeutschen Rundfunks.
Weiterhin nur durch Dritte und ehrenamtliche Mitarbeiter bekannt ist die Entscheidung von Adventist World Radio, zum 27. Oktober alle externen Kurzwellenkapazitäten zu kündigen und einzig die eigene Sendestation auf der Pazifikinsel Guam zu behalten.
Auch die Partner haben von diesem Schritt anscheinend erst im September erfahren. Es existierten bereits Frequenzplanungen für das Winterhalbjahr, die somit für den Papierkorb ausgearbeitet wurden.
Ansonsten dringt aus der Zentrale der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten nichts heraus. Somit bleibt nur, spekulativ auf den Rückzug von Adrian Peterson, den sicher größten Fürsprecher der Kurzwelle in diesem Haus, zu verweisen.
[Nachtrag vom 03.11.2024: Die von Peterson geschaffene Radiohobby-Sendung wurde zum Stichtag mit abgesetzt, ohne das den heutigen Gestaltern überhaupt mitzuteilen. Diese konnten nur die unterbleibende Bereitstellung auf der Podcast-Plattform „AWR 360“ konstatieren und selbst für Ersatz sorgen.]
In Moosbrunn belegte Adventist World Radio zuletzt zehn Stunden – und hier lautet die Formulierung: Nicht pro Woche, sondern täglich. Alle anderen Sendungen, eingeschlossen der Restbetrieb der Frequenz 6155 kHz, waren nur noch Beiwerk.
Ähnlich herb ist die Zäsur für andere Betreiber. So verloren Nauen fast zwölf Stunden (in der Spitzenstunde auf drei Sendern zugleich) und die frühere Kurzwellenstation von Radio Nederland Wereldomroep in Madagaskar fast elf Stunden, also ebenfalls den mit Abstand größten Kunden. Details, die jetzt natürlich nur noch von historischem Interesse sind, finden sich hier.
Eine der betroffenen Sendestationen könnte bereits final abgeschaltet sein, und zwar die frühere Anlage der Deutschen Welle in Sri Lanka, wo Adventist World Radio zuletzt ebenfalls noch fast elf Stunden belegt hatte. Zumindest vorerst letzter Sendetag war nach jüngsten Informationen der 23. September.
[Nachtrag vom 03.11.2024: Angesichts der jetzt im Detail bekannten Art und Weise, in der mit den Zulieferern der Radiohobby-Sendung „Wavescan“ umgegangen wurde, könnten Zweifel aufkommen, ob der vorzeitige Abbruch der Ausstrahlungen aus Trincomalee wirklich, wie behauptet, einem Technikausfall geschuldet ist.]
Die Rundfunkaktivitäten dieser Freikirche begannen in den USA bereits in den 30er Jahren, seinerzeit als Voice of Prophecy. Adventist World Radio entstand, als die Deutsche Welle ihre 1971 in Betrieb genommenen Sender in Portugal zur Mitnutzung anbot.
Ab 1975 wurden auch die Sender in Malta einbezogen, was sich wegen technischer Unzulänglichkeiten aber nicht bewährte. Als 1982 die Regierung von Malta auch noch ein dreimonatiges Sendeverbot aussprach, zog Adventist World Radio sich hier zurück.
1979 begann darüber hinaus eine Zusammenarbeit mit Radio Andorra. Diese Ausstrahlungen endeten zwangsläufig 1981, als der Zwergstaat in den Pyrenäen einen weiteren Betrieb der Sender nicht mehr zuließ.
Deshalb wich Adventist World Radio nach Italien aus und nahm 1985 in Forlì, südwestlich von Ravenna, einen eigenen Kleinsender in Betrieb. Zu sehen ist er in dieser Chronik, die auch manches andere zeigt, darunter den Abspielraum der Station Sines in Portugal.
Das sollte eigentlich der Vorläufer einer leistungsfähigen Kurzwellenstation in Arganda, zwischen Ferrara und Ravenna, sein. Dort kam es auch noch zum „ersten Spatenstich“. Aus der 1998 stillgelegten Station Schwarzenburg in der Schweiz wurden einige Sender und verschiedenes Antennenzubehör übernommen.
Wenig später ließ Adventist World Radio das Projekt jedoch fallen und legte 2001 auch den Kleinsender in Forlì still. Einen der Sender aus Schwarzenburg konnte man der Station WMLK in den USA verkaufen, wo er 2017 einem Brand zum Opfer fiel.
Als Reminiszenz an diese Zeiten kam aus Nauen bis zuletzt am Sonntagmittag eine einstündige Sendung in italienischer Sprache. Sie war die letzte, die Adventist World Radio noch auf Kurzwelle in Europa verbreitet hat, seit 2021 die täglichen Ausstrahlungen von Bulgarisch entfallen sind.
Die Sendungen aus Portugal wiederum fanden ihr Ende, als die russische Seite ein billigeres Angebot machte. Somit liefen die Programme von 1992 bis 1996 stattdessen über die Sender im Raum Moskau, in Samara und in Jekaterinburg.
Nächste Station war die Slowakei. Dort wurden Kapazitäten in größerem Umfang frei, als Radio Prag die nach Auflösung des Föderalstaates zunächst noch praktizierte Weiternutzung der auf slowakischem Gebiet stehenden Sender beendete.
Schließlich suchte 2001, mit dem ersten Schritt der Abwicklung von Radio Österreich International, auch die Station Moosbrunn neue Aufgaben. Damit begann die am längsten beibehaltene Partnerschaft von Adventist World Radio mit einem Sendernetzbetreiber in Europa, später noch ergänzt um die Buchungen bei der Media Broadcast.
In den 40er und 50er Jahren hatte die Voice of Prophecy eine internationale Tätigkeit aufgebaut. Dazu gehörte 1948 der Start in Deutschland. Da eine Adaption der englischen Bezeichnung unpassend erschien, wählte man den Namen Stimme der Hoffnung, unter dem sich dann auch Sendungen in zahlreichen anderen europäischen Sprachen präsentierten.
1973 beschäftigte sich diese Stelle der evangelischen Kirche in ihrem Materialdienst unter der Überschrift „Endzeitgemeinde im Wandel“ mit den Sendungen, die auch Eingang in den Kirchenfunk der ARD fanden. Das Urteil: Sie seien „eher rein biblisch-evangelistisch als adventistisch-sonderkirchlich“ – etwas, das man von den Produktionen aus den USA nicht behaupten kann.
Dort begann 2003 unter dem Namen Hope Channel der Aufbau von Fernsehaktivitäten. Diese Marke übernahm in der Folge auch das inzwischen aus Darmstadt in einen Neubau im unweit gelegenen Alsbach umgezogene Medienhaus. Zu den heute verwendeten Varianten gehört die nunmehrige institutionelle Bezeichnung als „Hope Media“.
Die Sendungen in deutscher Sprache wurden 2007 aus dem Kurzwellenprogramm von Adventist World Radio genommen. 2018 folgte die völlige Abschaltung des linearen Hörfunks. An dessen Stelle trat die alleinige Verbreitung der Audioproduktionen als Podcasts.
Schwerpunkt ist seit 2009 ein Fernsehprogramm, auch wenn die Hope Media damit an die Grenzen ihrer Möglichkeiten geht, wie so mancher langatmigen Studioproduktion anzusehen ist. Zugleich sind die Adventisten auch ohne Moosbrunn-Kurzwelle weiterhin Kunden der Österreichischen Rundfunksender GmbH, denn sie übernimmt seit 2015 die Satellitenausstrahlung des Fernsehkanals.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 27.10.2024