Weiterer Rückbau des Sendernetzes - Talksport gibt Mittelwelle in Nordirland auf
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Das britische Talksport ist im Begriff, sein Mittelwellennetz zurückzubauen. Im nächsten Schritt soll 2025 die Ausstrahlung in Nordirland entfallen. Damit verbleiben vom offiziellen AM-Rundfunk auf der ganzen Insel Irland nur noch drei kleinere Sender der BBC.
In einer Anhörung der Regulierungsbehörde Ofcom ist die betreffende Einreichung veröffentlicht. Darin heißt es ausdrücklich, mit dem jetzt geplanten Rückbauschritt ende in erster Linie die Versorgung von Nordirland, wo Talksport nur eine geringe Hörbeteiligung auf Mittelwelle verzeichne.
Außer Betrieb gehen darüber hinaus in England die Sendeanlagen Stockton und Rusthall auf 1053 kHz, Clipstone auf 1071 kHz sowie Duxhurst und Lydd auf 1107 kHz. Außerdem entfällt auf 1053 kHz die Ausstrahlung vom Sender Brighton (Southwick), dem danach noch BBC Radio 5 Live auf 693 kHz verbleibt.
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Zuletzt hatte sich Talksport im Juni 2023 von vier Mittelwellensendern getrennt. Der stärkste davon war mit 10 kW (wiederum auf 1053 kHz) Dumfries im Südwesten von Schottland.
Auch diese Anlage ging damit ganz außer Betrieb, nachdem die BBC ihre Füllfrequenz 585 kHz von Radio Scotland bereits 2020 aufgegeben hat. Zugleich beschränkt die Mittelwellenverbreitung von Talksport in Schottland sich damit auf den Großsender Westerglen.
Sowohl dort als auch in Nordirland (hier mit 12 kW) läuft die Ausstrahlung von Talksport auf 1089 kHz im Gleichwellenverbund mit den englischen Großsendern Brookmans Park (bei London) und Moorside Edge. Außerhalb der Region sind die Standorte allenfalls als Echo oder Vorecho zu hören.
Für den Sender Lisnagarvey, in Lisburn-Sprucefield bei Belfast, gibt es also keine Empfangsmöglichkeit in Mitteleuropa mehr, seit im April die ergänzende Mittelwellenausstrahlung des Langwellenprogramms von BBC Radio 4 entfallen ist.
Die Großfrequenz 1341 kHz ihres Radio Ulster hatte die BBC schon 2021 aufgegeben. Zum Ende des Jahres 2023 entfiel dann auch die letzte AM-Ausstrahlung eines in Nordirland produzierten Programms, des privaten Downtown Radio auf 1026 kHz.
In der Republik Irland gibt es bereits keinen offiziellen AM-Rundfunk mehr, seit 2022 die Übertragungen von Spirit Radio auf 549 kHz und 2023 auch die von RTÉ Radio 1 auf 252 kHz ihr Ende fanden.
Wenn Talksport seinen nächsten Rückbauschritt umgesetzt hat, verbleibt auf der ganzen Insel damit nur noch die Übertragung von BBC Radio 5 Live. Hier sind drei Standorte im Einsatz: Auf 909 kHz Lisnagarvey und Derry, auf 693 kHz Enniskillen. Auch auf diesen Gleichwellen werden die nordirischen Standorte von wesentlich stärkeren Sendern in England zugedeckt.
In Großbritannien hatte der Ausstieg aus dem AM-Rundfunk erst zum Beginn des Jahres 2023 mit dem Rückzug von Absolute Radio richtig Fahrt aufgenommen. Es war ausgerechnet die Anlage Lisnagarvey, auf der die Frequenz 1215 kHz bei der finalen Stillsetzung des Sendernetzes als letzte ausgeschaltet wurde.
Die kurzfristig entschiedene Abschaltung kostete ein Bußgeld von 25.000 Pfund (ein Zehntel des möglichen Betrags), denn erst 2021 hatte man die mit Privilegien wie dem bevorrechtigten Zugriff auf einen DAB-Sendeplatz verbundene Lizenz für weitere zehn Jahre verlängern lassen.
Das abrupte Ende begründete der britische Ableger des Hamburger Bauer-Verlags mit Erkenntnissen der eigenen Hörerforschung. Demnach lag die noch verbliebene Nutzung der Mittelwelle deutlich unter den Angaben der britischen Media-Analyse (RAJAR), die für Absolute Radio zuletzt von 20 Prozent wissen wollte.
Hinzu kam das Auslaufen des Vertrags mit dem Sendernetzbetreiber Arqiva. Ab Mai 2023 wäre es deshalb zu erheblichen Preissteigerungen gekommen. Das hatte Bauer UK aber auch schon in dem Antrag auf Lizenzverlängerung erwähnt. Deshalb ließ die Behörde dieses Argument nicht gelten.
Das verhängte Bußgeld klingt höher, als es ist: Die Lizenz kostete, nachdem der Anteil an abzuführendem Gewinn bereits auf Null gesetzt war, zuletzt immer noch eine jährliche Gebühr von 10.000 Pfund.
Trotzdem fühlten die Verantwortlichen von Bauer UK sich ungerecht behandelt. Die von der Behörde veröffentlichte Zusammenfassung des Vorgangs erwähnte polemische Fragen, ob eigentlich die BBC und Talksport ebenfalls mit Bußgeldern überzogen werden sollen.
Neben Bauer hat inzwischen auch die Hörfunkgruppe Global ihren Ausstieg aus dem Verbreitungsweg AM fast abgeschlossen. Übrig ist hier, allem Anschein nach aus besonderen Gründen, nur noch die für Wales bestimmte Kleinfrequenz 1260 kHz.
Dennoch wird erst mit dem anstehenden nächsten Kürzungsschritt von Talksport die Zahl der in Großbritannien aktiven Mittelwellensender unter 100 sinken.
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Auch die nichtkommerziellen Mittelwellenstationen in Großbritannien verschwinden allmählich. Jüngster Fall war am 30. November die Abschaltung des Krankenhausfunks L&D Radio in Luton, nördlich von London.
Offiziell wurde der Schritt mit „den erheblichen Veränderungen in der Medienlandschaft“ begründet. Der selbst 72 Jahre alte Sendeleiter sprach von „fehlenden Ehrenamtlichen und schwindenden Mitteln“. Er verwies auf das „ziemlich starke Signal“, das selbst in Schweden und gerade erst in Deutschland gehört worden sei.
Hier könnte man fragen, ob die Kleinstsender wirklich nur mit einem einzigen Watt arbeiteten. Womöglich gab es kreative Auslegungen der Lizenzen, die sich in Großbritannien auch für die Mittelwelle auf „effektive Strahlungsleistung“ beziehen.
Offiziell mit 250 Watt gesendet hatte Hermitage FM, seit es 2018 vom Krankenhausfunk zum Bürgerradio der ganzen Region um Coalville, zwischen Birmingham und Nottingham, avancierte. Zeitweise war seine Frequenz 1476 kHz völlig frei, was teils selbst in Mitteleuropa verblüffend guten Empfang ermöglichte.
Wegen einer längerfristigen Erkrankung wurde Hermitage FM im Frühjahr 2024 geschlossen. Der Versuch einer Weiterführung ist gescheitert. Das reiht sich ein in die Lage einer Stadt, die bereits 1964 den Reiseverkehr der Eisenbahn, 1985 den Kohlebergbau und 2015 auch das auf dem Gelände des Bergwerks eingerichtete Museum verloren hat.
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Wie lange die Mittelwelle in Großbritannien der hauptsächliche Verbreitungsweg des Hörfunks blieb, illustriert ein Detail: BBC Radio 1 hat erst 1988 ein eigenes UKW-Netz erhalten.
Zu dieser Zeit wurde in der DDR die Aufschaltung von Jugendradio DT64 auf 657 kHz fast schon als Kuriosum empfunden. Grund dafür waren Versorgungslücken der neu aufgebauten UKW-Kette, der in Berlin und insbesondere auf dem Brocken zunächst nur Antennen für geringe Sendeleistungen zur Verfügung standen.
Auch intern galt das lediglich als Notbehelf. Letztlich geschah hier nicht mehr, als eine ohnehin vorhandene Mittelwelle sinnvollerweise mit dem Programm zu bespielen, das in ihrem Versorgungsgebiet noch nicht über eine ausreichende UKW-Abdeckung verfügte.
Wie sich das angehört hat, kann man hier erahnen, wenn man sich ein noch stärkeres Herausfiltern der Bässe vorstellt und die Wortbeiträge sowie die 60 Prozent einheimische Musik hinzudenkt (letzteres eine Regelung, deren ideologische Begründung schon nur noch den tatsächlichen Grund bemänteln sollte: Begrenzung der für Tantiemen aufzuwendenden Valuta).
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 22.12.2024