WTWW - Die zweite Kurzwellenstation von Tennessee
Nicht loslassen will oder kann der Kurzwellen-Stationsbetreiber George McClintock sein WTWW im US-Bundesstaat Tennessee. Nachdem er 2023 tönte, er werde das Objekt „zu 98 Prozent“ aufgeben, ist er nach wie vor auf Sendung.
Dieser Kurzwellenbetrieb entstand ursprünglich 1985 in Dallas, als Ableger des Missionssenders KCBI.
Hinter dem Projekt steckte bereits jener Jeff White, der inzwischen für sein Radio Miami International die Kurzwellenstation von Family Radio in Florida übernommen hat.
Die Idee, aus Texas mit 50 kW und eher bescheidenen Antennen selbst Europa zu erreichen, erwies sich als Wunschdenken. Nach nur einem Jahr zog White sich wieder zurück.
Damit versank der Kurzwellensender auch in Nordamerika im Vergessen. Ab 1988 beschränkte man dessen Betrieb zunächst auf wenige Stunden am Wochenende und schaltete ihn schließlich ganz ab.
1992 verkaufte KCBI die Anlage, nach damaligen Gerüchten für ganze 1000 Dollar. Nächste Etappe war, rund um die Uhr den Fernsehton des Teleevangelisten Gene Scott zu senden.
Dieser hatte aber bereits eine Mittelwellenstation auf Anguilla übernommen. Nach dem Einbau entsprechender Technik realisierte Scott ab 1996 auch seine Kurzwellenverbreitung nicht mehr aus Dallas, sondern von der Antilleninsel aus.
Seit dem Tod von Gene Scott im Jahre 2005 wird das Programm von dessen Witwe (nicht, wie mitunter vermutet, Tochter) Melissa weitergeführt. An den Ausstrahlungen aus Anguilla hielt sie noch bis 2020 fest.
Scotts Umzug nach Anguilla folgte in Dallas der Auftritt von George McClintock, bekannt als Gründer der berüchtigten Kurzwellenstation WWCR, zu deren Klienten wiederum bis heute Melissa Scott gehört.
Unter der neuen Trägerschaft knüpfte der damit als KAIJ geführte Sender an die bisherigen „Erfolge“ an: Als 2008 wieder abgeschaltet wurde, fiel das nicht einmal Hobbykreisen auf. Erst die Mitteilungen eines Lobbyverbandes machten die Einstellung des Betriebs bekannt.
Nächster Schritt war die Umsetzung der Technik nach Tennessee. Dort wurden 2010 die Sendungen unter der heutigen Kennung WTWW wieder aufgenommen. Da es keine Erläuterungen dazu gab, bleibt Spekulation, ob bei dieser Standortwahl die räumliche Nähe zu WWCR eine Rolle spielte.
Nach einem knappen Jahrzehnt begann der Betrieb, Schritt für Schritt zusammenzubrechen. 2022 zog der langjährige Partner von George McClintock sich schließlich zurück und ging dazu über, sein Programm auf den Sendern von Jeff White zu plazieren.
Anschließend verbreitete McClintock allerlei Schmuddelgeschichten über diesen Ted Randall und machte sich an eine Reaktivierung der Sender. Seitdem meldet er sich immer wieder mit Statusmeldungen, die zwischen Ankündigung der endgültigen Schließung und euphorischen Ausbauplänen changieren.
Fotos der Anlagen sind ungeachtet dessen im nach wie vor von Randall kontrollierten Internetauftritt zu sehen.
Aktueller Plan ist eine Ausstrahlung von 22.00 bis 2.00 Uhr MESZ auf 9475 kHz. Daran anschließen soll sich bis 6.30 Uhr auf 5085 kHz Ancient Word Radio.
Die ersten zwei Stunden der täglichen Sendezeit veranschaulichen, wo George McClintock zu verorten ist: Vorgesehen ist die Übertragung von Aufzeichnungen des 2011 verstorbenen „Pastor Pete Peters“, der weiterhin wie eine lebende Person vermarktet wird.
Im Schafspelz des Evangelisten steckte ein Rechtsextremist, gegen den, so heißt es, „Alex Jones fast noch vernünftig wirkt“ und vor dem Christen mit Glaubenszweifeln ausdrücklich gewarnt werden: „Vorsicht – er könnte Sie dazu bringen, nichts mehr damit zu tun haben zu wollen.“
Eigentlich wollte McClintock zum Partner jenes Zweigs der einstigen High Adventure Ministries avancieren, der bis 2023 aus Los Angeles auf Sendung war. Doch daraus ist nichts geworden; diese Voice of Hope hat ihre Kurzwellenverbreitung in Nord- und Lateinamerika ersatzlos aufgegeben.
Ohne Nachtreten ging es auch diesmal nicht: McClintock prangerte als verwerfliche Handlungsweise an, wie die Betreiber den von ihnen übernommenen Sender aus Guam einfach verschrottet haben.
Nichts zu tun hatte George McClintock mit einer dritten Kurzwellenstation, die wiederum als Umzug nach Tennessee gekommen war.
In diesem Fall wurde von 1995 bis 2002 zunächst aus der Nähe des Dreiländerecks von Georgia mit Tennessee und North Carolina gesendet. Nach längerem Leerstand und Verfall fand das alte Technikgebäude jetzt offensichtlich eine Nachnutzung.
Der Betreiber der in Georgia als WGTG und später WWFV, in Tennessee dann als WWRB geführten Station war für seine erratische Programmpolitik bekannt. Er nutzte den Rundfunksender auch gern dafür, sich in langen Alleingängen den Frust von der Seele zu reden.
Mal sendete dieser David Frantz ohne Skrupel rechtsextreme Programme. Dann zeigte er sich enttäuscht von seiner Klientel und biederte sich bei Evangelisten an, nur um dann auch von diesem Kundenkreis enttäuscht zu sein und wieder in die politische Hetze einzusteigen.
2018 verlor WWRB den mit Abstand größten Sendekunden, „Brother“ Stair. Danach konnte Frantz nur noch wenige Stunden Sendezeit am Wochenende an Produzenten verkaufen, die sich wiederum als Evangelisten gaben und oft Verschwörungstheorien aus der rechten Ecke verbreiteten.
Unmittelbar nach seiner Entscheidung, den völlig unwirtschaftlich gewordenen Betrieb zum Jahresende 2021 aufzugeben, verstarb Frantz an den Folgen eines Schlaganfalls. Es blieb dem Sohn überlassen, die letzten Sendekunden zu verständigen.
Das von Frantz vor Jahren als neues Standbein aufgebaute Fluggeschäft führt der Sohn fort. Auf dem Grundstück sind die toten Sendeantennen auch jetzt noch im Google-Kartendienst als schmale Schatten zu sehen.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 05.05.2024