Mit einem Blick in die Rundfunkgeschichte - Funkhaus Weimar verkauft

Funkhaus Weimar, 2018
Archivbild von 2018: Der Eingang des Funkhauses Weimar | © Kai Ludwig

Nach einem Vierteljahrhundert Leerstand hat das Funkhaus in der Weimarer Humboldtstraße einen neuen Eigentümer. Das sei zur Veranlassung genommen, einen Blick in die dort gemachte Rundfunkgeschichte zu werfen.

Zum Verkauf des Gebäudes an eine „Stiftung Sendehalle Weimar“ siehe diesen Bericht samt Bildersammlung.

Sie zeigt etwas, das man schon aus der Berliner Nalepastraße kennt: In den am wenigsten vom Vandalismus gezeichneten Studios des Technikkomplexes E-T hausten Bohemians, bis sie 2014 durch eine sinnlose, da zu nichts führende (somit umsonst bezahlte) „Entkernung“ vertrieben wurden.

Eine nähere Beschreibung des Weimarer Funkhauses findet sich auf diesen Seiten.

Am Bahnhof Oberhof
Herbstabend am Bahnhof Oberhof | © Kai Ludwig

Die Thüringer Rundfunkgeschichte begann im März 1945 mit der Absicht, im alten Gasthaus Veilchenbrunnen bei Oberhof ein vom Chefkommentator Hans Fritzsche persönlich zu leitendes Behelfsstudio einzurichten.

Ein Oberingenieur der Reichsrundfunkgesellschaft erinnerte sich später an die dortige Ankunft. Da er sich bereits fragte, ob das Vorhaben überhaupt noch einen Zweck hat, nahm er Fritzsche beiseite und bekam auch eine ungeschminkte Beschreibung der aussichtslosen Lage. Dann passierte zum Mittag das:

» Der Wirt schaltete den hinter dem Buffet befindlichen Rundfunkapparat ein. Aus dem Lautsprecher war ein Kommentar von Hans Fritzsche zu hören, der gerade das Gegenteil von dem enthielt, was er vorher mir gesagt hatte. Ich sah Fritzsche wortlos und fragend an. Fritzsche stand darauf ebenso wortlos auf, ging zu dem Rundfunkempfänger und schaltete ihn aus. «

Dieses Wissen konnte Hans Fritzsche in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen nicht nachgewiesen werden. Das mündete, von ihm selbst nicht erwartet, in seinen Freispruch.

Funkhaus Weimar, Eingang
2018: Blick durch die Eingangstür des Funkhauses Weimar | © Kai Ludwig

Der erste Rundfunksender in Thüringen ging am 15. November 1945 in Betrieb. Es handelte sich um ein Gerät mit 300 Watt, geliefert von der Erfurter Niederlassung der Firma Telefunken und installiert auf einer früheren Polizeifunkstation beim Weimarer Belvedere.

Im Gasthaus Veilchenbrunnen waren (trotz dessen Zerstörung in den letzten Kriegstagen) noch die eingelagerte Studiotechnik und Tonbänder mit klassischer Musik vorhanden. Dieses Material holte man in das Weimarer Hotel Elephant und begann dort am 1. Dezember die Arbeit, zunächst als Außenstelle des Berliner Rundfunks.

Erster Höhepunkt, mit Resonanz bis ins Ausland, war am Heiligabend eine Direktübertragung aus dem Erfurter Dom. Diese Sendung dürfte die erste Außenübertragung des späteren Rundfunks der DDR überhaupt gewesen sein. Am Neujahrstag 1946 erschien dann erstmals die Ansage „Landessender Weimar“.

Studio im Funkhaus Weimar
Bild von 1992: Eine Regie im Funkhaus Weimar | © MDR

Mit dem Ausbau des Programms wurden die Räume im Hotel Elephant bald zu klein. Eine längere Suche führte schließlich zu dem Gebäude neben dem Nietzsche-Archiv, das ab 1937 als ergänzende „Gedächtnishalle“ errichtet, vom NS-Regime jedoch nicht mehr vollendet wurde.

Im Mai 1946 begannen umfangreiche Bauarbeiten zur Herrichtung als Funkhaus. Es wurden der für die Redaktion vorgesehene Gebäudeteil aufgestockt und das Dach für den Einbau von Sendesälen angehoben. Weitere zunächst geplante Erweiterungen (eine Überdachung des Lichthofes und der Anbau eines Intendanzflügels) unterblieben.

Im großen Sendesaal wurde die Decke als durchbrochene Holzkonstruktion ausgeführt. Dadurch konnte, wie ähnlich auch beim Umbau der Staatsoper Berlin realisiert, der über dem Saal liegende Luftraum mit ausgenutzt und so ein Raumvolumen von rund 2000 Kubikmetern erreicht werden.

Zwischen den Sendesälen fanden die dazugehörigen Regien ihren Platz, unter den Sälen ein kleiner schalltoter Raum und ein Hallraum. Für den Sendebetrieb entstanden zwei Regien mit Sprecherraum, ein weiterer, universell nutzbarer Sprecherraum sowie ein Schaltraum.

Ab dem 1. Juni 1946 war zunächst ein Studio für die täglichen Wortsendungen betriebsbereit. Da es an Technikern fehlte, wurden der Betriebsleiter des Senders Belvedere und der Aufbauleiter des neuen Mittelwellensenders in Erfurt von der Post freigestellt, um im Funkhaus mitzuarbeiten.

Die Einrichtung auch des zweiten Studios brachte eine starke Erweiterung des Betriebs. 1946/1947 wurden in Weimar zahlreiche Beiträge des damaligen Mitteldeutschen Rundfunks produziert, da das Funkhaus Leipzig noch im Aufbau war. Das ging teils so weit, aus einem Studio das Weimarer Eigenprogramm und zugleich aus dem anderen Studio das Leipziger Programm zu senden.

Deutsches Nationaltheater Weimar
Das Deutsche Nationaltheater in Weimar | © Kai Ludwig

Für Übertragungen von Konzerten und weiteren Veranstaltungen entstanden, verbunden mit der Schaltung fester Leitungen, auch Regieeinrichtungen in der alten Weimarhalle (also dem 1997 abgerissenen Gebäude) sowie im Deutschen Nationaltheater.

Zu Schwierigkeiten führte der schlechte Zustand des Stromnetzes in Weimar. Zwar erhielt das Funkhaus eine eigene Trafostation. Das half jedoch nicht gegen die Schwankungen der Netzfrequenz, die für die Motoren der damaligen Bandmaschinen kritisch war. Hier kam es häufig zu einem Abfall unter 48 Hertz, der Musikaufnahmen unmöglich machte.

Im Sendesaal hatte sich mit der ursprünglichen, aus geschlitzten Sperrholzplatten mit Glaswollefüllung bestehenden Wandverkleidung eine zu kurze Nachhallzeit eingestellt. Das zwang zu einem Umbau, dessen Kosten auf 30.000 Mark geschätzt wurden. Bewilligt wurden trotzdem nur 10.000 Mark, was zu Eigenleistungen in größerem Umfang zwang.

Rundfunkstudio Erfurt, 1949-1956
Der Aufnahmeraum des von 1949 bis 1956 in Erfurt betriebenen Rundfunkstudios war auch für Musikproduktionen ausgelegt. | © Studiotechnik Rundfunk

1948 verlor Weimar den Status als Hauptstadt von Thüringen an Erfurt. Mit dem Umzug der Institutionen machten sich teils mehrere tägliche Fahrten von Weimar nach Erfurt erforderlich. Das mündete in die Entscheidung, ein Studio in der neuen Landeshauptstadt einzurichten.

Der Rundfunk erhielt ausgebrannte Räume im Panorama-Filmpalast, an deren Herrichtung sich die Stadt Erfurt mit 15.000 Mark beteiligte. Die Regie wurde zunächst mit den alten Geräten aus dem Weimarer Hotel Elephant eingerichtet.

Die Auflösung der Länder führte 1952 auch zur Auflösung der Landessender. Der Rundfunkbetrieb wurde in Berlin zentralisiert.

Zwar verblieben im bisherigen Thüringen noch täglich 30 Minuten Regionalprogramm. Dieser Rest wurde jedoch nur noch aus dem Erfurter Studio gesendet, wohin die inzwischen ebenfalls eingerichteten Studios in Gera und Suhl ihre Beiträge überspielten. Der Rundfunkbetrieb in Weimar entfiel zunächst ganz.

Funkhaus Weimar, 1992
1992: Bandmaschinen R 722/1 im Funkhaus Weimar | © MDR

Wohin das hätte führen können, zeigt ein Blick nach Dresden. Dort wurde ein Teil des Funkhauses im Hygienemuseum aufgegeben, was man schon wenige Jahre später bereute. Alle Versuche, die voreilig gekündigten Räume wieder anzumieten, scheiterten.

Das Funkhaus Weimar blieb dem Rundfunk wohl nur erhalten, weil hier nach dem Entfall der Landessender eine Funkschule eingerichtet war. Schon im Sommer 1955 wurde diese Schule aufgelöst und am 11. September der Sendebetrieb aus dem Gebäude wieder aufgenommen.

Parallel konnte in Erfurt das Lichtspielwesen einen großen Teil der bisherigen Räumlichkeiten des Rundfunks übernehmen.

Zwar sollte der Standort in der so verkleinerten Form beibehalten werden. Das scheiterte jedoch, wie es auch in Görlitz der Fall war, am chronischen Personalmangel. Da es nicht gelang, das Studio mit einem Korrespondenten zu besetzen, wurde es schließlich aufgegeben.

Zugleich trat das DEFA-Studio für Synchronisation mit der dringenden Bitte an den Rundfunk heran, bei der Einrichtung von Außenstellen zu helfen. Der DEFA empfohlen, von dieser für geeignet befunden und somit von 1958 bis 1985 für Synchronarbeiten genutzt wurde der kleine Saal 3 des Weimarer Funkhauses.

Funkhaus Weimar, 1992
1992: Regieanlage des Systems 700 im Funkhaus Weimar | © MDR

Die Herausforderung lag nun noch darin, das Programm aus Weimar zum UKW-Sender auf dem Inselsberg zu bringen. Für das erste Stück konnte die vorhandene Übertragungsleitung zum Studio Suhl genutzt werden. Beim Verstärkeramt Oberhof wurde dann eigens eine Richtfunkverbindung zum Inselsberg aufgebaut.

Funkhaus Weimar, 1992
Ein weiterer Blick auf die Anlage mit Goniometer (Stereosichtgerät) und Pegelanzeigen | © MDR

Damit ging am 21. Mai 1962 die erste Sendung aus Weimar über UKW 92,55 MHz. Zunächst trübten jedoch starke Verzerrungen die Freude. Das Fernmeldewesen leugnete den Mangel, obwohl der Rundfunk auch Beschwerden von Hörern vorweisen konnte.

Zur Klärung sollten Geräte für einschlägige Messungen auf den Inselsberg gebracht werden. Dabei blieb das Auto im Schnee stecken. Die letzten zwei Kilometer trugen die Tontechniker aus Weimar ihre schweren Ausrüstungen selbst nach oben.

Beim Sender angekommen, konnten sie sowohl den Klirrfaktor von 10 bis 13 Prozent nachweisen als auch, wo er entstand: Auf eben jener Richtfunkstrecke aus Oberhof. Die verantwortlichen Stellen kamen nicht mehr umhin, den in ihrem Bereich liegenden Mangel einzukreisen und abzustellen.

Funkhaus Weimar, 1992
Mehrkanalsichtgerät J 727 und die Aufkleber westlicher Sender, die in der Nachwendezeit fast allerorten im früheren RGW, bis hin nach Moskau, an den Studioscheiben auftauchten | © MDR

Das Ende der Regionalsendungen auf Mittelwelle mündete schließlich auch in das Ende des Mittelwellenstandorts an der Nordhäuser Straße in Erfurt. Das 20 kW starke Sendegerät wurde nach Wachenbrunn umgesetzt, wo es (zuletzt auf 882 kHz) bis 1998 im Einsatz blieb.

Wartburg
Die Wartburg bei Eisenach | © Kai Ludwig

Zu einem weiteren Ausbau der technischen Einrichtungen führten die Wartburgkonzerte des damaligen Deutschlandsenders.

In den Anfangsjahren wurden hier noch kleine Übertragungswagen eingesetzt, die bis an die Zugbrücke der Wartburg heranfuhren. Gestiegene Anforderungen (statt drei mindestens fünf Mikrofone) zogen den Einsatz eines großen Wagens nach sich, der nur noch bis auf den Hof des Wartburghotels gelangen konnte.

Die so erzwungene Arbeitsweise mit mehr als 200 Meter langen Kabeln, auch für die Mikrofone und deren Speisegeräte, war mit größeren Schwierigkeiten verbunden. Das führte zu der Entscheidung, auf der Wartburg feste Übertragungsanlagen einzubauen. Dieses Vorhaben konnte Ende 1966 abgeschlossen werden.

Claudia Look-Hirnschal
1992 im Weimarer Sprecherraum: Moderatorin Claudia Look-Hirnschal (1962–2018) | © MDR

Im Jahre 2000 verließ der Mitteldeutsche Rundfunk das Funkhaus Weimar. Der Hauptstandort des Rundfunks in Thüringen befindet sich seitdem nun tatsächlich in Erfurt.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 16.02.2025