Paukenschlag - New York: Nachrichtenradio WCBS wird eingestellt
Es ist eigentlich keine Überraschung, wird aber trotzdem als Paukenschlag empfunden, was in New York zum 26. August geschieht: Das traditionsreiche Hörfunkprogramm WCBS hört auf zu existieren.
Unmittelbar nach der Enthüllung des Schrittes durch eine Pressemitteilung wurde allen Mitarbeitern gekündigt, die nicht auch für andere Programme des Betreibers Audacy tätig sind. Nach Angaben der Writers Guild of America betrifft das 23 ihrer Mitglieder.
Von diesen Entwicklungen nahm auch eine breitere Öffentlichkeit Notiz:
Audacy entstand 2017, indem das bis dahin als Entercom geführte Unternehmen die Hörfunkaktivitäten von CBS übernahm. Damit gehörten in New York gleich zwei Nachrichtenprogramme auf Mittelwelle zum Portfolio dieses Betreibers.
In den letzten Jahren war das Konzept von WCBS bereits verwässert worden. Einerseits kamen Sportübertragungen ins Programm, andererseits breiteten sich Dauerwerbesendungen über das Wochenende aus. 2022 zeichnete sich schließlich ab, was geschehen würde: Audacy schaltete das Parallelprodukt WINS auch auf UKW auf.
Über die Frequenz von WCBS, 880 kHz, läuft künftig das New Yorker Programm des ESPN-Sportradios. In diese Kooperation bringt Audacy die bislang auf WCBS eingesetzten Rechte für Baseball-Übertragungen ein.
Im Gegenzug beendet das New Yorker ESPN-Radio am 31. August seine Ausstrahlung auf UKW. Grund des zunächst merkwürdig erscheinenden Umzugs auf die Mittelwelle ist der beträchtliche Preis von 12,5 Millionen Dollar pro Jahr, den der Inhaber dieser UKW-Frequenz, das im Ausstieg aus dem Hörfunk begriffene Unternehmen Emmis, aufruft.
Ohne den Deal mit Audacy wäre in New York ab September nur noch das landesweite ESPN-Radio auf 1050 kHz übertragen worden. Die analog-terrestrische Verbreitung des örtlichen Programms wäre schlicht entfallen.
Offensichtlich liegen die aufgerufene Miete und erst recht die 50 Millionen Dollar, die Emmis als Kaufpreis für die Frequenz vorschweben, mittlerweile deutlich über dem, was eine UKW-Verbreitung selbst in der US-amerikanischen Metropole noch wert ist.
WCBS ist nicht das erste traditionsreiche Mittelwellenprogramm in den USA, das verschwindet. 2022 traf es, in diesem Fall nach 98 Jahren, KGO in San Francisco.
Dabei ging das Betreiberunternehmen Cumulus noch wesentlich rabiater vor: Das Programm endete in dem Moment, in dem man der zusammengerufenen Belegschaft die Entlassungen aushändigte.
Der Sendefahrer wurde dazu durch einen Techniker abgelöst, der weiter im Unternehmen beschäftigt werden sollte. Der erst 15 Minuten vor dem Abbruch aus seinem Heimstudio auf Sendung gegangene Moderator riskierte die noch offenen Honorarzahlungen schon damit, als letztes „während hier im Studio etwas bekannt wird ...“ zu sagen.
Eine reichliche Stunde später meldete dieser Moderator sich im damaligen Twitter dann mit seinem Kommentar:
» Für die Rundfunkindustrie und alle werbefinanzierten traditionellen Medien sind das brutale Zeiten. Leider hat uns diese Brutalität plötzlich und völlig getroffen. «
Weiter ging es einmal mehr auf Youtube. Die erste Ausgabe des Ersatzformats beschäftigte sich natürlich mit der plötzlichen Abschaltung.
Die betreffende Mittelwellenfrequenz verwendet Cumulus, und das in teilweiser Kooperation mit Audacy, jetzt für ein Sportwetten-Format, obwohl solche Glücksspielprodukte in Kalifornien nicht zugelassen sind. Selbst nach einer ersten Umsetzung des Konzepts ahnte noch keiner, was kurz darauf in San Francisco geschehen sollte.
Nach dem Ende von KGO gab es indes sogleich... Wetten: Wann auch die erste Großmittelwelle in New York entsprechend umgewidmet wird. Da ESPN nicht in dieses Genre fällt, ist das bislang nicht eingetreten.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 18.08.2024