Landtagswahl in Brandenburg - Politikwissenschaftler Dr. Thomeczek: "Die Polarisierung in Ostdeutschland nimmt zu"

Eine Gliederpuppe verschiebt Kugeln auf einem Rechenschieber © imago images/imagebroker/begsteiger
imago images/imagebroker/begsteiger
Eine Gliederpuppe verschiebt Kugeln auf einem Rechenschieber | © imago images/imagebroker/begsteiger Download (mp3, 18 MB)

Die SPD hat die meisten Stimmen bei der Wahl in Brandenburg erhalten, hauptsächlich durch taktisches Wählen, um die AfD als stärkste Kraft zu verhindern. Dietmar Woidke, der Spitzenkandidat der SPD, hatte angekündigt, nicht weiterzumachen, falls er nicht die meisten Stimmen erhält, was viele Wähler motivierte, die SPD zu wählen. Die Wahlbeteiligung war mit 73 Prozent sehr hoch, und die SPD profitierte besonders von den über 60-Jährigen, während die AfD bei den jüngeren Wählern punktete. Dr. Jan Thomeczek, Politikwissenschaftler an der Universität Potsdam, erklärte auf radioeins: "Die Polarisierung in Ostdeutschland nimmt zu".

Die Regierungsbildung in Brandenburg wird ohne das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schwierig. Ein Zweierbündnis zwischen SPD und BSW scheint laut Dr. Thomeczek wahrscheinlich, da sie zusammen die Mehrheit hätten. Die CDU erzielte mit 12,1 Prozent eines ihrer schlechtesten Ergebnisse bei Landtagswahlen. Sachsens CDU-Ministerpräsident Kretschmer unterstützte im Wahlkampf den SPD-Kandidaten Woidke, um die AfD zu verhindern. Dies führte zu einer ungewöhnlichen Situation, in der die CDU nun Wiedergutmachung von der SPD erwartet, obwohl sie für die Mehrheit nicht benötigt wird. Gemeinsamkeiten von SPD und BSW bestehen bei sozialpolitischen Themen und der Migration. Woidke hat sich in letzter Zeit von der Bundesspitze abgesetzt, um gegen irreguläre Migration vorzugehen, was auch beim BSW in Brandenburg auf Zustimmung stößt. Die AfD und CDU würden dann in die Opposition gehen.

Die AfD zeigt keine Mäßigung und radikalisiert sich weiter, was eine Zusammenarbeit mit der CDU unwahrscheinlich macht. Die AfD strebt langfristig die absolute Mehrheit an, was jedoch unrealistisch erscheint.

Auf jeden Fall könnte die Regierungsbildung in Brandenburg schneller verlaufen als in Sachsen und Thüringen, da nur zwei Parteien beteiligt sind. BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach, ein ehemaliges SPD-Mitglied, könnte die Verhandlungen beschleunigen.

Die Grünen haben es dagegen nicht in den Landtag geschafft, was zeigt, dass taktisches Wählen auch Risiken birgt. Die jüngeren Wähler sind noch nicht festgelegt auf eine Partei, was zukünftige Wahlen unvorhersehbar macht, meint der Politikwissenschaftler. Kleinere Parteien wie die Tierschutzpartei erzielten in dieser Gruppe ebenfalls beachtliche Ergebnisse.

Die Polarisierung in Ostdeutschland nimmt zu, meint Dr. Thomeczek, und neue Parteien wie das BSW haben gute Chancen. Für die Bundestagswahl im nächsten Jahr müssen die Parteien ihre eigenen Regierungspläne betonen und realistische Koalitionsoptionen finden. Die Ampelkoalition könnte bis zur Wahl bestehen bleiben, da Neuwahlen wenig Sinn machen würden.

Flagge des Landes Brandenburg auf dem Brandenburger Landtag in Potsdam © radioeins/Chris Melzer
radioeins/Chris Melzer

Landespolitik - Brandenburgwahl 2024

Bei der Landtagswahl in Brandenburg hat die SPD knapp vor der AfD die meisten Stimmen bekommen. Laut dem vorläufigem Endergebnis kommen die Sozialdemokraten auf 30,9 Prozent, die AfD auf 29,2. Die Brandenbuger CDU erreicht mit 12,1 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis. Die Grünen wären mit 4,1 Prozent nicht im Landftag. Das BSW schafft es aus dem Stand auf 13,5 Prozent. Die Linke, die 2019 noch auf 10,7 Prozent kam, liegt nun bei nur noch 3,0 Prozent, die Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler BVB/FW scheitern.

Stand: 23.09.2024, 07.00 Uhr