Korea - Was hinter der „Abschaltung von Radio Pjöngjang“ steckt

Mittelwellensender in Pjöngjang
Als Zufallstreffer im Bild: Einer der Mittelwellensender von Pjöngjang | © Laika ac, CC-BY-SA

Südkoreanische Medien melden, „Radio Pjöngjang“ sei abgeschaltet worden. Anscheinend steckt dahinter eine Entscheidung, gezielte Hörfunksendungen in den Süden einzustellen. Dabei scheinen die Berichte zwei Dinge zu vermengen.

Ein Aspekt ist das als „Pyongyang Pangsong-imnida“ präsentierte Programm, das in einer Zwitterrolle sowohl den Süden als auch das Inland (eingeschlossen ein zusätzliches, nur auf UKW ausgestrahltes Musikprogramm) erreichen sollte.

Bei ersten Überprüfungen ließen sich die Frequenzen auf Kurz- und Mittelwelle, über die das Programm bisher lief, nicht mehr nachweisen.

[Nachtrag: Pyongyang Pangsong hat den Sendebetrieb am 12. Januar gegen 21.00 Uhr Ortszeit abgebrochen. Einige der AM-Frequenzen übertragen noch das Chosun-Hauptprogramm oder, im Falle der Mittelwelle Chongjin, den japanischen Auslandsdienst. Ansonsten bleiben die Sender jetzt ausgeschaltet.]

"Stimme der Nationalen Rettung" gestrichen
So stellte eine japanische Seite 2003 die Einstellung der „Stimme der nationalen Rettung“ dar. | © Archive.org

Der andere Aspekt sind nicht zum offiziellen Programm gehörende Sendungen, die es seit den 60er Jahren gab. Bis in die 70er Jahre fanden sie durchaus Resonanz in Südkorea, das damals eine Militärdiktatur mit prekären ökonomischen Verhältnissen war.

2003 sind diese Sonderprogramme schon einmal theatralisch eingestellt worden. Damals sollte das eine Versöhnungsgeste sein.

Tong il e meari pansong
So sah die jetzt abgeschaltete Onlinepräsenz 2017 aus. | © tongilvoice.com

2012 gab es eine Neuauflage unter dem Namen „Tongil e meari pangsong“, der nicht offensiv gehalten war: „Echo der Vereinigung“.

Mittelwellensender Haeju
Die beiden Teile der Sendeanlage Haeju, Zustand ca. 2010 oder noch früher

Noch einmal ins Spiel kam damit ein Mittelwellen-Prunkstück in Haeju. Dort zeigen die derzeit bei Google und bei Bing vorhandenen Satellitenbilder im Vergleich einen weitgehenden Umbau des Gebäudes, in dem sich – woher auch immer man das wissen wollte – Verstärkerblöcke mit 1500 kW befunden haben sollen.

Von dort führte eine 2 km lange, teils erkennbar mehrere Straßen und eine Eisenbahnstrecke kreuzende Speiseleitung zu einer aus vier Türmen bestehenden, fast direkt am Wasser stehenden Richtantenne. Diese strahlte über das Meer hinweg in das 120 km entfernte Seoul.

Ende 2016 wurde die Mittelwellenverbreitung (neben der Anlage Haeju war dafür noch ein unscheinbarer Sender bei Kaesong im Einsatz) eingestellt. An deren Stelle traten zusätzliche UKW-Frequenzen.

Auch auf Kurzwelle wurde seinerzeit eine dritte Frequenz hinzugenommen. Damit lief das „Echo der Vereinigung“ für jeweils zwei Stunden ab 5.00, 13.00 und 23.00 Uhr MEZ auf 3945 oder 5905, 3970 und 6250 kHz.

Dieses Sonderprogramm ist ebenfalls mit der Mittags- oder der Abendsendung des 12. Januar entfallen. Die dazugehörige Onlinepräsentation tongilvoice.com ist auch nicht mehr erreichbar.

KBS schreibt dazu von „einer Auflösung oder Umstrukturierung“ jener Stellen in Pjöngjang, die sich mit den Beziehungen zu Südkorea befassen. Hintergrund sind jüngste Äußerungen von Kim Jong-un, der eine friedliche Wiedervereinigung als nicht mehr möglich bezeichnet hatte und lautes Säbelrasseln folgen ließ.

Die Nachrichtenagentur Yonhap ihrerseits macht dort weiter, wo südkoreanischen Medien vor Jahren vorgeworfen wurde, aus Sensationslust auf nordkoreanische Propaganda hereinzufallen: Der Bericht formuliert, es handele sich um „den Sender, der für verschlüsselte Botschaften an Spione in Seoul bekannt“ sei.

Dabei geht es um Durchsagen in der altbekannten Art „Der Laubfrosch hat die Farbe gewechselt“. Nach weitgehend geteilter Meinung waren sie auch in diesem Fall reine Effekthascherei und hatten nichts mit der tatsächlichen Agentenführung zu tun.

[Nachtrag: Dieser Aspekt könnte sich stattdessen, oder: auch, auf Pyongyang Pangsong bezogen haben.]

Der Begriff „Radio Pjöngjang“ wiederum wird hierzulande traditionell mit den Auslandssendungen verbunden. Bis 2001 erschienen sie auch tatsächlich unter diesem Namen.

Als erstes startete 1950 ein Programm in japanischer Sprache, das heute neun Stunden am Tag sendet. Man ist sich in Japan recht sicher, darin als Sprecher auch schon Menschen erkannt zu haben, die nach Nordkorea entführt wurden.

Sendungen in englischer Sprache begannen 1960. Auf Deutsch meldet sich Pjöngjang seit 1983. Zum 70. Geburtstag von Kim Jong-il erhielt der Auslandsdienst ohne weitere Erläuterungen einen neuen Namen: „Stimme Koreas“.

In Mitteleuropa sind die Radiosendungen bis heute nur auf Kurzwelle zu hören. Die Übertragung auf Satellit, die vor Jahren mit hohem Aufwand empfangen werden konnte, ist inzwischen durch einen Umzug hinter dem Horizont verschwunden.

Stimme Koreas
So sah der Internetauftritt 2017 aus. | © www.vok.rep.kp

Zwar gibt es seit 2011 eine Onlinepräsenz. Neben den Texten und inzwischen auch Videos enthält sie jedoch nur winzige Fragmente aus den Hörfunkproduktionen.

Nach Europa gerichtet werden aus Nordkorea zwei Sendeschienen, im Winterhalbjahr von 15.00 bis 22.00 Uhr auf 6170 und 9425 kHz sowie von 14.00 bis 1.00 Uhr auf 7570 und 12015 kHz. Erstere enthält in den Stunden ab 17.00, 19.00 und 20.00 Uhr die Sendung in deutscher Sprache.

Eingesetzt werden dafür die Sendeanlagen bei Myoyangsan im zentralen Nordkorea. Sie sind im Satellitenbild etwas schwerer als üblich zu erkennen, da sich die Vorhangantennen in der Gebirgslandschaft auf mehrere Gruppen verteilen und die – um 2012 mit Lieferungen aus China neu ausgestatteten – Technikräume unterirdisch ausgeführt sind.

In Unterlagen findet sich der Standort unter dem Namen der weiter entfernten Stadt Kujang. Nur halb so weit, nämlich 12 km nach Südosten, ist es bis zu der hoch angebundenen Freundschaftsausstellung.

 

Beitrag von Kai Ludwig; zuletzt aktualisiert am 28.01.2024