Rundfunkfinanzierung in Kanada - Regierung widerspricht der CBC-Geschäftsführung

CBC-Intendantin Catherine Tait
Catherine Tait, Intendantin der CBC, im Interview | © CBC

Die öffentlich-rechtliche Canadian Broadcasting Corporation steht vor Sparmaßnamen im Volumen von 40 Millionen Kanadischen Dollar. Ihren auf politisch brisante Weise ausgestalteten Schritt begründet die Geschäftsführung nicht nur mit einem erwarteten Defizit von 125 Millionen Dollar, sondern auch mit Vorgaben der Regierung. Doch die widerspricht.

CBC-Intendantin Tait und einer ihrer Direktoren hatten erklärt, sie seien von der Regierung aufgefordert worden, den Etat des Hauses um 3,3 Prozent zu kürzen. Dem widerspricht das Kulturministerium: Man habe zunächst nur eine Ausarbeitung erbeten, die zeigt, welche Folgen eine solche Kürzung hätte.

Der Direktor Poulter beharrt auf der ursprünglichen Darstellung. Die CBC lehnt es jedoch ab, das Schreiben mit der angeblichen Aufforderung vorzuzeigen. Somit bleibt die – auch von einem anderen Organ der Regierung bekräftigte – Zurückweisung im Raum stehen.

Für besondere Empörung quer durch das politische Spektrum sorgt das Vorhaben der Geschäftsführung, sich trotz alledem Boni auszuzahlen. Am schärfsten äußerte sich (zu den Hintergründen siehe unten) der Vorsitzende des Bloc Québécois. Er forderte, die Intendantin Tait „rauszuwerfen“.

So weit geht das Kulturministerium nicht. Ministerin St-Onge gab jedoch bereits zu erkennen, den 2025 auslaufenden Vertrag von Tait nicht mehr verlängern zu wollen.

Stand vom 04.02.2024



Im Zuge der Sparmaßnahmen gestrichen werden 600 Arbeitsplätze [Nachtrag: 100 davon sind inzwischen schon eliminiert]. Darüber hinaus sollen 200 offene Stellen nicht mehr besetzt werden.

Von diesen insgesamt 800 Posten entfallen 500 auf das Programm. Für erheblichen Unmut in Quebec sorgt dabei das Vorgehen, genau die Hälfte davon dem gesondert als „Radio-Canada“ auftretenden französischsprachigen Zweig aufzubürden.

Aus seiner Sicht hat Quebec damit für Fehlentscheidungen in Toronto zu haften. Kritiker verweisen darauf, wie Radio-Canada sogar geringfügig höhere Einnahmen durch Werbung und Abonnements erzielt als der englischsprachige Zweig mit seiner viermal so großen Zielgruppe.

Weiter angeführt werden die aktuellen Marktanteile von Fernsehen und Hörfunk: Jeweils 23 Prozent bei Radio-Canada stehen 4 bzw. 14 Prozent bei den englischsprachigen Angeboten gegenüber.

Dazu gibt es in Quebec eine Meinung über die Führungskräfte der CBC in Toronto: Diese seien „besessen von politischer Korrektheit, Diversity und Indigenität, auf Kosten von grundlegendem Journalismus und überzeugenden Programmen“.

Seit 2015 hat die Trudeau-Regierung mehrfach Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angekündigt, jedoch nie umgesetzt. Ein Kommentar sieht darin Klientelpolitik, die der Torontoer CBC-Zentrale nun aus Quebec den Vorwurf einbringt, die Zukunft von Radio-Canada aufs Spiel zu setzen.

Als inzwischen „erschreckend wahrscheinliches“ Szenario bezeichnet der Kommentar die völlige Auflösung der CBC durch eine künftige Regierung des Rechtspopulisten Poilievre.

CBC in Toronto
Blick vom CN-Tower auf die Zentrale der CBC

Größere Erschütterungen und fragwürdige Entscheidungen sind für die CBC nicht neu.

So wurde 2005 versucht, die Festanstellungen in der aus Deutschland bekannten Weise möglichst weitgehend durch das Modell freier Mitarbeit zu ersetzen. Den Arbeitskampf gegen ihre gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter führte die CBC mit einer mehr als sechs Wochen andauernden Aussperrung.

2009 öffnete sich durch das Wegbrechen von Werbeeinnahmen eine Finanzierungslücke von 170 Millionen Kanadischen Dollar. Rund 800 Mitarbeiter wurden entlassen und eine Reihe von Sendungen abgesetzt, darunter ein Nachrichtenmagazin am Sonntagvormittag.

Besonders stark betroffen waren die Regionalstudios. So verlor CBC Northeast Ontario in Sudbury acht Stellen. Für das gesamte Berichtsgebiet, das etwa so groß wie die frühere DDR ist, verblieben lediglich drei Reporter. Nicht angetastet wurde hingegen der Posten des Studioleiters. Eine Stimme: Es blieb unklar, was es da eigentlich noch zu leiten geben sollte.

2012 nahm die damalige Regierung eine weitere Budgetkürzung um 115 Millionen Kanadische Dollar vor. Das führte unter anderem zur Abschaltung des Auslandsradios sowie mit Ausnahme von 17 Städten des terrestrischen Fernsehens.

Die aktuellen Entwicklungen bei der CBC betten sich ein in eine generelle Krise der kanadischen Medienbranche. Zuletzt meldete im November TVA, ein französischsprachiger Fernsehsender in Montreal, den Wegfall von 547 Arbeitsplätzen – ein Drittel seiner Belegschaft.

Zuvor gab es im Juni eine Massenentlassung bei Bell Media, verbunden mit der abrupten Einstellung von sechs Hörfunkprogrammen.

Besonders schnell zur Sache ging es dabei in Edmonton. Gerade saßen die Anhänger des dortigen TSN-Sportprogramms noch fassungslos vor ihren Autoradios, da war die Sendeanlage auch schon abgerissen. Vermutlich wird das Grundstück mit in einen ringsum bereits angelaufenen Bau von Einfamilienhäusern einbezogen.

Inzwischen ist bekannt, wer sich für die drei Mittelwellen (zwei in Hamilton, eine weitere in Windsor) interessiert, die nicht gleich stillgelegt wurden: Jene Betreiber, die in Toronto einen Bollywood-Sender sowie ein ebenfalls für asiatische Migranten bestimmtes UKW-Programm in Windsor (mit gezielter Einstrahlung nach Detroit/USA) betreiben.

Details, darunter die Spaßbremsen-Frage nach der Finanzierung, sind für Februar in Aussicht gestellt.

Ottawa, Alexandra-Brücke
Alexandra-Brücke in Ottawa | © Iouri Goussev, CC-BY-SA

Bei City News Ottawa war Ende Oktober die Zahl der Arbeitsplatzverluste hingegen nur einstellig, da es nicht als Onlineportal, sondern lediglich als Hörfunkprogramm eingestellt wurde – mit deutlich anderem Tonfall als bei Bell.

Doch auch so war das eine Zäsur: Der Mittelwellenplatz, zuletzt betrieben über eine 50 kW starke Sendeanlage mit fünf Masten, geht zurück auf das Jahr 1922. Zugleich werden redaktionelle Inhalte für den Hörfunk in der kanadischen Hauptstadt jetzt nur noch von der CBC und von Bell produziert.

Rogers is deeply disappointed that the Commission chose not to amend its simulcast policy.
© crtc.gc.ca

Die Rückgabe der Lizenz nutzte der Betreiber Rogers für eine ungewöhnliche Abrechnung mit der Regulierungsbehörde CRTC.

Wie darin ausgeführt, sendete Rogers bis 2013 auf der betreffenden Mittelwelle ein Country-Format und begann dann, mit Wortprogramm „zu experimentieren“.

Nach dem Beginn der Pandemie habe ein großer Bedarf an Nachrichten bestanden, während gleichzeitig sehr wenige Werbeeinnahmen verfügbar waren. Man habe sich deshalb im Dezember 2020 entschlossen, City News Ottawa auch auf jene UKW-Frequenz zu geben, auf der seit 2013 das von der Mittelwelle genommene Country-Programm lief.

Im Februar 2023 habe sich die CRTC gemeldet, da ihrer Ansicht nach die Nutzung der UKW-Frequenz für eine Parallelausstrahlung des Mittelwellenprogramms rechtswidrig war. Man habe, so Rogers, diese Ansicht nicht geteilt, aber trotzdem beantragt, die Lizenz für den Rest ihrer Laufzeit (bis 2026) entsprechend zu ändern.

Dem folgte am 22. August die Mitteilung der CRTC, sich für voraussichtlich zwei Jahre nicht mit dem Hörfunk zu befassen. In dieser Zeit wolle man, wie von der Politik gewünscht, an der Einbeziehung des Onlinebereichs in die Rundfunkregulierung arbeiten.

Kritiker sehen darin ein gefährliches Vorhaben, mit dem das Tor zu einer routinemäßigen Zensur des Internets aufgestoßen werden könnte. Gerade erst war der kanadische Versuch, durch gesetzliche Regelung theoretisch unbegrenzte Geldbeträge aus Facebook und Google herauszuziehen, spektakulär gescheitert.

Die Abrechnung schließt mit den Worten:

„Rogers ist zutiefst enttäuscht von der Entscheidung der Kommission [...]. Wir befürchten, dass ohne eine modernisierte und flexibilisierte Herangehensweise die Zukunft auch anderer Mittelwellenstationen auf dem Spiel stehen könnte.“

 

Beitrag von Kai Ludwig