Pressebericht - Drohungen gegen Iran-Redaktion der BBC eskalieren

London, Westminster-Brücke
Die Westminster-Brücke in London | © Bohuslav Jonathan Tóth, CC-BY-SA

Wie der „Guardian“ berichtet, eskalieren die Drohungen iranischer Behörden gegen Mitglieder der Iran-Redaktion bei der BBC immer weiter. Eine Mitarbeiterin wagt es inzwischen kaum noch, sich allein im Freien zu bewegen.

Wörtlich zitiert wird eine der Zusendungen. Es handelt sich möglicherweise um eine Anspielung auf den 2017 begangenen Anschlag mit vier Todesopfern:

„Unter der Westminster-Brücke ist ein sehr tiefer Fluss. Es spielt keine Rolle, dass Du nicht im Iran lebst – wir können auch in London machen, was wir wollen.“

Erwähnt wird eine höhere Einstufung der Gefährdungslage durch die Sicherheitsbehörden. Das ging bei Iran International noch deutlich weiter: Dem Sender wurde „empfohlen“, seine Tätigkeit in London zeitweise einzustellen. Im Falle der BBC dürfte das politisch ausgeschlossen sein.

Im Vorjahr hatte die BBC einen längeren Film über dieses Thema produziert. Er zeigt auf, wie es den iranischen Geheimdiensten gelingt, radikalisierte Teile der Diaspora für ihre Zersetzungsmaßnahmen einzuspannen.

Das betrifft zum Beispiel den jetzt vom „Guardian“ erneut kurz erwähnten Fall des abgehörten Gesprächs einer BBC-Journalistin mit ihrer Mutter. Daraus wurde ein Zusammenschnitt erstellt, der eine positive Haltung des Redaktionsmitglieds gegenüber den iranischen Sicherheitsbehörden nachweisen sollte.

Wie erhofft sprangen die den Verschwörungstheorien anhängenden Exiliraner auf das Kompromat an und steigerten sich bis in Morddrohungen hinein. Wegen der massiven Attacken zog die betroffene Journalistin sich vorerst aus den sogenannten sozialen Medien und vom Bildschirm zurück.

Eine andere Journalistin zeigte sich völlig erschüttert von diesen Vorgängen und berichtete, auf welche Weise versucht wurde, auch sie zu ruinieren: Mit der Exponierung von Texten, die sie vor 25 Jahren geschrieben hatte.

Der Film begleitet einen Drehstab des Iran-Programms zu der Großdemonstration, die im Oktober 2022 in Berlin stattfand. Wie offen dargestellt wird, sah die BBC dort die Sicherheit ihrer Mitarbeiter als nicht gewährleistet an.

Es kam auch prompt zu Beschimpfungen. So artikulierten die exiliranischen Demonstranten mit dem Ruf „Ayatollah BBC“ ihre Anschuldigung, die BBC habe sich 1979 am Sturz des Schahs beteiligt.

Iranian diaspora groups organise a rally in Berlin. The BBC closely monitors the security situation.
Standbild aus dem Film | © BBC
Who said Ayatollah BBC? Who was it?
Beschimpfung in Berlin | © BBC

In der Hand haben die iranischen Behörden die Verwandten der Redaktionsmitglieder. Sie werden laufend zu Verhören vorgeladen und als besonders wirksames Druckmittel eingesetzt. Dazu gehört für die BBC-Mitarbeiter, nicht einmal dann nach Hause fahren zu können, wenn ein Angehöriger im Sterben liegt.

No access BBC Persian / No access VOA Persian / No access Manoto TV / No access Iran International
Ein Beispiel für die Sperrung von Material aus dem Iran | © AP

In diesem Zusammenhang problematisiert der Film, wie Recherchereisen oder gar die Einrichtung eines ständigen Korrespondentenbüros ausgeschlossen sind.

Das bedarf einer Ergänzung: 2015 und erneut 2019 ließ die BBC sich darauf ein, Reporter unter der Bedingung ins Land zu schicken, das Material nicht im Iran-Programm zu verwenden. In der Redaktion wurde das mit Entsetzen aufgenommen und an die Presse durchgestochen.

Außergewöhnlich war dieses Vorgehen nicht: Internationale Nachrichtenagenturen begannen vor Jahren damit, die Iran-Programme von BBC und Voice of America wie auch die speziell auf den Iran zielenden Fernsehsender von Material mit Iran-Bezug auszuschließen, um Büros in Teheran betreiben zu können.

Gegenüber der VOA lehnte Reuters jeden Kommentar zu diesem Thema ab. Differenzierte Aussagen gaben nur die französische Agentur AFP und auch die BBC.

Ebenfalls nicht erwähnt wird in dem Film der BBC eine Tatsache, die bei dessen Produktion bereits bekannt war: Der Wegfall des Mediums Hörfunk.

Das war natürlich eine Sparmaßnahme. Solche hatte die BBC auch schon ergriffen, um sich das 2009 gestartete persische Fernsehprogramm überhaupt leisten zu können: Zwischen 1999 und 2005 entfielen alle Angebote für Mittel- und Westeuropa, eingeschlossen die deutschen Sendungen.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 22.10.2023