Inkrafttreten des Sicherheitsgesetzes - Radio Free Asia gibt Büro in Hongkong auf

Safeguarding National Security: Basic Law Article 23 Legislation
Januar 2024: Vorstellung des Gesetzentwurfs; in der Mitte Regierungschef John Lee, rechts Innenminister Chris Tang | © VOA

Innerhalb weniger Tage zeigten sich die Folgen des neuen Sicherheitsgesetzes von Hongkong für die Medien: Radio Free Asia hat sein dortiges Büro geschlossen.

Im Insiderjargon läuft die Entwicklung unter dem Schlagwort „Artikel 23“. Das bezieht sich auf das 1990 von der Volksrepublik China erlassene, mit Rückgabe der britischen Kolonie in Kraft getretene Grundgesetz von Hongkong.

Dessen Artikel 23 schreibt die Einführung eines solchen Sicherheitsgesetzes vor. Ein erster Versuch, dem nachzukommen, scheiterte 2003 an Massenprotesten. 2020 zog Peking die Sache an sich und erließ ein „Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in der Sonderverwaltungszone Hongkong“, das massive Auswirkungen hatte.

Das jetzt durch das Parlament von Hongkong gepeitschte, einstimmig verabschiedete eigene Gesetz fügt dem der Volksrepublik noch zusätzliche Tatbestände hinzu, darunter „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“.

Wie Radio Free Asia dazu mitteilt, sei man in Hongkong bereits mehrfach als „ausländische Macht“ bezeichnet worden. Somit könne man nicht von der sicheren Fortsetzung einer offiziellen Tätigkeit ausgehen, habe deshalb den Bürostandort aufgelöst und beschäftige keine Mitarbeiter in Hongkong mehr.

Nach Angaben der New York Times wurde ein Teil der Beschäftigten entlassen. Ein anderer Teil setze die Tätigkeit für Radio Free Asia in Taiwan, in den USA oder an noch weiteren Orten fort. Der Sender spricht davon, jetzt auch in Hongkong die Methoden der Berichterstattung aus abgeschotteten Ländern anzuwenden.

Schon angesichts des Pekinger Sicherheitsgesetzes erschien es Korrespondenten anderer Medien nach ihrer Abreise wegen der Coronavirus-Pandemie als fraglich, ob sie überhaupt noch einmal nach Hongkong zurückkehren können.

Charakteristisch für die Entwicklung in Hongkong ist, wie die dortige Präsenz der BBC Schritt für Schritt beendet wurde.

Bereits 1996 vorbei war es mit den Ausstrahlungen auf Kurzwelle, da das Grundstück der Sendeanlage zur Rückgabe der Kolonie beräumt zu sein hatte. Das stand schon fest, bevor diese Sender überhaupt 1987 in Betrieb gingen.

Anders verhielt es sich bei der Mittelwelle, auf der ab 1978 das englische Hörfunk-Weltprogramm der BBC lief. Zwar blieb die Sendeleistung auf 10 kW beschränkt, da tatsächlich nur Hongkong versorgt werden sollte. „Overspill“ in das direkt benachbarte Shenzhen ließ sich aber natürlich nicht verhindern.

Auch jetzt noch an originaler Stelle nachzulesen ist, was 2017 die Gelegenheit gab, diesen Zustand zu beenden: Die Stillsetzung des DAB-Netzes in Hongkong.

Mit dieser Begründung umgeschaltet wurde die als „RTHK Radio 6“ bezeichnete Frequenz zur 2011 als 14. Programm von China National Radio geschaffenen „Stimme von Hongkong“. Deren weitere Verbreitung sei, so hieß es. für den kulturellen Austausch erforderlich.

Nach einer Schamfrist von zwei Monaten lieferte China National Radio den Beweis dafür, diese Mittelwelle überhaupt nicht zu brauchen: Fortan kam das Programm auf UKW vom Shenzhener Fernsehturm, der direkt hinunter nach Hongkong strahlt.

Hongkong, Peng Chau
Seit 2017 für die BBC nicht mehr zugänglich: Mittelwellensender Peng Chau, Hongkong | © Hiroki Ogawa, CC-BY-SA

Seinerzeit überließ Radio Television Hong Kong (RTHK) der BBC als kleinen Ersatz noch die Nachtstunden des Kulturprogramms, dessen UKW-Kette kaum über Hongkong hinaus zu hören ist.

Ganz vorbei war es schließlich 2021, als die Verwaltung für Rundfunk und Fernsehen in Peking der BBC die Zulassung entzog. Die Entscheidung dieses Organs galt theoretisch nicht für Hongkong. Trotzdem wurde sie auch von RTHK sofort umgesetzt.

Parallel ging RTHK daran, kritische Sendungen eine nach der anderen aus dem Programm zu nehmen. Ein seit 1987 in Hongkong tätig gewesener britischer Journalist meldete sich kurz danach aus der Heimat mit der Mitteilung, er habe „vor Chinas weißem Terror fliehen“ müssen:

„Kann Hongkong diesen Sturm überleben, der gerade die Reste der Freiheit hinwegfegt? Die Antwort ist höchstwahrscheinlich nein, sofern man es nicht aus den Augen der chinesischen Führung betrachtet, der egal ist, ob Hongkong ein internationales Handelszentrum bleibt.“

Er habe, so der Journalist Steve Vines, „das Pech gehabt, die zunehmende Zensur aus erster Hand zu erleben“. In das von ihm bis zur Absetzung moderierte Politmagazin sei zuletzt „in der Planungsphase, während der Dreharbeiten und teils noch Minuten vor der Ausstrahlung“ eingegriffen worden. Als weiteres Beispiel nannte er:

„Ein prominentes Online-Medium hat gerade mitgeteilt, man werde Hongkong verlassen und Zuflucht in Singapur suchen – jawohl, genau jenes Singapur, über dessen Zensur ich für den ‚Observer‘ berichtet hatte.“
Public service broadcasting in un-democratic Hongkong
Archivbild von 2007, als noch eine Diskussion „öffentlich-rechtlicher Rundfunk im undemokratischen Hongkong“ möglich war | © Charles Mok, CC

Parallel dazu begann RTHK eine „Partnerschaft“ mit dem zentralen chinesischen Fernsehen CCTV. Diese Tatsache, besonders auch deren persönliche Ankündigung durch die damalige Regierungschefin Lam, interpretierten Beobachter als deutliches Zeichen für die angestrebte schnellstmögliche Umwandlung in einen Staatssender.

Schon 2017, mit der Übergabe der BBC-Hörfunkfrequenz an Peking, hatte RTHK das bis dahin in Hongkong verbreitete englischsprachige 9. Programm von CCTV durch das erste, ausschließlich in Mandarin gestaltete Programm ersetzt. Noch einmal Vines:

„Die schlimmsten der Schmeichler, die immer höher springen, um ihren Meistern in Peking zu gefallen, sind inzwischen damit beschäftigt, für die Unterdrückung der kantonesischen Sprache zu werben.“

Letztes kleines Detail war 2022 die Überlassung auch einer UKW-Frequenz in Hongkong an China National Radio.

Ausgestrahlt wird hier das 7. Programm, „Radio The Greater Bay“ für die gesamte Region um die Mündung des Perlflusses, eingeschlossen Macau. Die Besonderheit dieses Programms ist die zusätzliche Übertragung über einen der 500 kW starken, eigentlich für Auslandssendungen unter anderem nach Europa bestimmten Kurzwellensender in Xinjiang.

Wie es heute um RTHK steht, zeigt auch der Umgang mit dem Rückzug von Radio Free Asia: Gemeldet wurde die Entwicklung nur, um der Regierung eine Plattform für die prominente Darstellung ihrer Sicht zu bereiten.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 14.04.2024