Album der Woche - "Is" von My Morning Jacket

"Is" ist die Einsicht darin, dass das Erzwingen und sich Abkämpfen oft nicht zum besten Ergebnis führen. Die Band My Morning Jacket aus Louisville, Kentucky gibt es seit 1998 und trotz einigermaßen großer Aufmerksamkeit durch diverse Grammy-Nominierungen hat sie den Ruf, ihre Seele nicht an den Teufel Musikbusiness verkauft zu haben.
Die Formation um den Sänger und Songschreiber Jim James ließ immer ihre Musik sprechen, anstatt komplizierte Vermarktungsstrategien aufzufahren. Der Sound von My Morning Jacket hat einen ziemlich hohen Wiedererkennungswert, ist atmosphärisch, lässt sich aber auch auf ihrem neuen Album, Album Nummer 10 namens "Is", nicht in ein Fach einordnen. Es schwebt irgendwo zwischen Artrock, Psychedelic, Americana und Southern Rock mit einem Hauch Glamrock und Funk.
Wenn etwas für sie als Band gelte, dann, dass sie alle Arten von Musik mögen, sagt Jim James, der Sänger von My Morning Jacket. Sie versuchen nicht, eine bestimmte Art von Band zu sein und das reicht ihnen zum Vorteil wie zum Nachteil gleichermaßen. Sie können nicht vermarktet werden und zugleich mussten sie sich nie an die Musikindustrie anbiedern. Sie sind seit über 25 Jahren ihre eigene Insel. Ohne Skandale, dafür mit einer immerwährenden Liebe zu dem, was sie machen. Es ist, was es ist – Das sagt auch der Titel ihres neuen Albums.
Wenn man erst einmal Abstand nimmt vom eigenen Ego, dann kommt man ziemlich schnell zur Einsicht, dass Kontrolle eine Illusion ist, meint Jim James. Das habe auch gerade er lernen müssen, da er früher gern auch in die Produzentenrolle geschlüpft ist, was die My Morning Jacket-Alben betrifft. Die neue Platte haben sie von Brendan O`Brien produzieren lassen, der mit Pearl Jam und Bruce Springsteen arbeitet und der hat ihnen beigebracht, die Musik atmen zu lassen, ohne sie in eine Richtung zu drängen. Tatsächlich klingen My Morning Jacket auf dem neuen Album weniger verzweigt als sonst. Bisweilen ist der geradlinige und auch leichte Weg eben der richtige – Im Großen wie im Kleinen.
Er habe vor nicht allzu langer Zeit ein fieses Karpaltunnelsyndrom gehabt, sagt Jim James und das, was sein Leben ist, hat ihm Höllenschmerzen bereitet: Das Gitarrespielen. Ein Moment, in dem er reflektiert hat, dass er es sich immer gern besonders schwer macht. Nur der steinige Weg schien der richtige zu sein. Das spiegelte sich sogar in der besonders hohen Saitenstärke seiner Gitarre, die er richtiggehend malträtiert hat. Doch neuerdings bezieht er seine Gitarre mit Saiten, die eine geringere Stärke besitzen und das Greifen und Spielen fällt ihm viel leichter. Ein schönes Symbol für die Einsicht, dass das Erzwingen und sich Abkämpfen oft nicht zum besten Ergebnis führen. Einige Dinge muss man wertschätzen, wie sie sind. Und so heißt das neue Album von My Morning Jacket "Is".
Liebe im Fokus
Im Fokus der meisten neuen Songs steht das Thema Liebe. Liebe und Musik sind für den Sänger und Texter Jim James nicht voneinander zu trennen. Am Ende des Tages sei es genau das, was sie mit ihrer Musik machen wollen, sagt Jim James von My Morning Jacket. Ihr Plan ist, dass ihre Musik hilft, sich seelisch und moralisch unterstützt zu fühlen. Bei ihm sie das nicht anders: Seine Lieblingsplatten halten ihn sprichwörtlich am Leben. Überhaupt ist seiner Meinung nach Musik die geheime Architektur des gesamten Universums. Sie hält alles zusammen und wahrscheinlich sind sich bei dieser These sogar Mediziner sowie Spiritisten einig.
Die Hingabe an Musik fördert wahre Selbstliebe, was wiederum ein verantwortungsbewusstes Zusammenleben ermöglicht. Etwas, dass man mal den Autokraten dieser Welt und denen, die es werden wollen, erzählen sollte. Es sei bedauerlich, dass es so viele gekränkte Menschen gibt, die sich nie die Zeit genommen haben, sich selbst zu lieben oder etwas über sich selbst zu lernen, sagt Jim James. Damit ist keine Egoshow gemeint, sondern tatsächliches Reflektieren der eigenen Persönlichkeit. Diese Menschen greifen schließlich nach Macht, um sich selbst zu beweisen, dass sie liebenswert sind. Dabei handeln sie komplett konträr zur Liebe: Bei ihnen geht es um Hass, Rache und die Demütigung anderer, um sich besser zu fühlen. Das alles aus Angst, unbedeutend und ungeliebt zu sein. Diese Menschen seien in einer Illusion gefangen aus Ruhm und vermeintlicher Kontrolle, meint Jim James.
Macht macht nicht glücklich
Es klingt banal, aber Macht macht nicht glücklich. Genauso wenig wie zynisch über Songs zu urteilen, deren Ansinnen es ist, Liebe und Frieden zu verbreiten. Er selbst schwöre auf diese Songs, sie halten ihn am Leben in diesen Zeiten. Ein friedliches, respektvolles Miteinander hat natürlich viel mit Kommunikation zu tun. Nicht nur wie wir miteinander reden, sondern vor allem, dass wir es tun. Die Perspektive des Gegenübers zu verstehen, hilft, gemeinsam zu Lösungen zu gelangen. Um all das geht’s im "Lemme know", einem Kernsong auf dem neuen My Morning Jacket-Album.
Ein weiterer ist "Half A Lifetime", der mit der Phrase "This motorpsycho prison - With all its hardrock visions!” eine Anspielung auf Bob Dylans Song "Motorpsycho Nitemare" ist. Ein komischer Song, der sich auf Alfred Hitchcocks Film "Psycho" von 1960 als auch auf Federico Fellinis Film "La Dolce Vita" von 1960 bezieht. Diese Zeile in "Half A Lifetime" sei eine Anspielung darauf, wie frustriert er war als junger Songwriter, sagt Jim James. "Frustriert darüber, dass ich nie so gut wie Bob Dylan sein würde und ich habe einfach versucht auszudrücken, wie ich mich in diesem Gefängnis als Songwriter gefangen fühlte, dass ich meinem Gefängniswärter, Bob Dylan, nie entkommen würde. Ein Gefühl, besonders wenn man ein jüngerer Künstler ist und sich selbst noch nicht gefunden hat und das Gefühl hat, dass man es nie mit seinen Helden aufnehmen kann. Aber dann wird einem hoffentlich irgendwann klar, dass jeder so empfindet und dass es kein Wettbewerb ist, und man versucht nicht, besser oder schlechter zu sein als irgendjemand, man versucht nur, man selbst zu sein."
Ein Statement, das so viel über den My Morning Jacket-Sänger sagt.
Claudia Gerth, radioeins
Tracklist
1. | Out In The Open |
2. | Half A Lifetime |
3. | Everyday Magic |
4. | I Can Hear Your Love |
5. | Time Waited |
6. | Beginning Frome The Ending |
7. | Lemme Know |
8. | Squid Ink |
9. | Die For It |
10. | River Road |