„Streamings und Blue-Ray sind kein Ersatz“ - Bundesplatz Kino
in Wilmersdorf
Das Bundesplatz Kino ist ein Ort der Kommunikation. Das liebevoll eingerichtete Foyer ist mit Filmbüchern und Ausstellungen bestückt und ist regelmäßig das Zentrum von Veranstaltungen.
Das Bundesplatz-Studio, in dem die ersten Kinovorführungen wahrscheinlich schon 1919 stattgefunden haben, war Mitte 2011 vom vorherigen Betreiber geschlossen worden. Unter dem Namen Bundesplatz-Kino konnten die heutigen Betreiber des Kinos nach aufwendiger Renovierungsarbeit - größtenteils in Eigeninitiative - am 23. Oktober 2011 wiedereröffnen. Die Betreiber des Kinos sind Martin Erlenmaier und Peter Latta unter "Geburtshilfe" von Karlheinz Opitz. Opitz war und ist Betreiber der Eva-Lichtspiele, mit dem Latta weiterhin das aktuelle Kinoprogramm abstimmt. Erlenmaier hat Theater- und Filmwissenschaft studiert und war in den Eva-Lichtspielen Kurator der sehr beliebten deutschen Filmreihe. Latta war seit mehr als 20 Jahren für das Fotoarchiv der Deutschen Kinemathek sowie für die Organisation der Retrospektive während der Berlinale zuständig gewesen und passenderweise gerade in Rente gegangen.
Das geräumige Foyer des Kinos, bis dahin weitestgehend ungenutzt, war die Basis für die Vorstellung vom Kino als Kommunikationsort. Architektin Monika Gronwald gestaltete das Foyer liebevoll nach Ideen von Latta und Erlenmaier: Ein neuer Tresen, Tische mit Porträts Berliner Filmkünstler sowie ein die ganze Wand bedeckendes Regal, das mit Filmbüchern bestückt ist und zwischen den Vorstellungen Material zum Schmökern bietet. Im Foyer finden auch Veranstaltungen zu diversen Filmen statt. Eine Wand wird regelmäßig als Ausstellungsfläche - zumeist von Plakaten - genutzt. Auch der Vorplatz des Kinos ist in den wärmeren Monaten mit Tischen ausgestattet, so dass man sich auch ohne Filmbetrachtung wohl fühlen kann.
Das aktuelle Filmprogramm wird ausschließlich mit "Arthouse"-Filmen bestückt. Auch dabei versucht Latta stets etwas Besonderes zu präsentieren. „Da wir nur einen Saal mit 87 Plätzen zur Verfügung haben, muss leider manch sperriger Film unter den Tisch fallen, auch wenn wir ihn sehenswert finden“, sagt Latta. Dennoch finden viele "kleine" Filme - vor allem von Berliner Filmemachern und Filmemacherinnen - ohne Verleih den Weg ins Bundesplatz-Kino. Zumeist sind dann die Macher oder Macherinnen anwesend. Grundsätzlich schauen sich Erlenmaier und Latta jeden Film, der im Programm läuft, vorab selbst an. Sie präsentieren nur Filme, die von einem der beiden für gut befunden wurde. „Natürlich gibt es gelegentlich Abweichungen in unserer Beurteilung, aber ein Vetorecht, das wir beide haben, wurde bisher so gut wie nie ausgeübt“, so Latta.
Filmreihen und Filmemacherinnen
Von Beginn an legten die Betreiber Wert auf Filmreihen und Sondervorstellungen. Einen Schwerpunkt bildetet hierbei die Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek, mit der sie einige besondere Reihen begleitend zu Ausstellungen im Filmmuseum vorstellen konnten. Dabei kommt ihnen entgegen, dass sie neben der Digitalprojektion die analogen Projektoren behalten haben und somit auch weiterhin klassische 35mm-Filme vorführen können. Dadurch war das Bundesplatz-Kino 2015 zum Jubiläum von "60 Jahre junger deutscher Film" das Kino in Deutschland, das die meisten Filme in diesem Zusammenhang präsentieren konnte. „Besonders stolz sind wir, dass wir von der DEFA-Stiftung 2015 mit einem Programmpreis bedacht wurden, weil wir als "Westberliner" Kino immer wieder DEFA-Filme vorgeführt haben - unter anderem die erste Konrad-Wolf-Retro im ehemaligen Westen. Unsere Kontakte mit deutschen Filmemacherinnen haben sich im Verlauf der Jahre entwickelt und gefestigt. Von Helga Reidemeister, Helke Sander, Claudia von Alemann bis zu Jeanine Meeapfel waren fast alle, den deutschen Film prägende Filmemacherinnen bei uns präsent", sagt Latta.
Diverse Filmreihen prägen das Programm im Bundesplatz-Kino. Seit 2013 ist der letzte Dienstag eines Monats in Zusammenarbeit mit der C.G.Jung-Gesellschaft der Reihe „Psyche und Film“ vorbehalten. Diese werden zumeist vom Drehbuchanalysten Donat Keusch und einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin moderiert und die an den Film anschließenden Diskussionen dauern dann oft bis nach Mitternacht. Einmal monatlich, freitags um 18.00 Uhr zur schönsten Aperitivo-Zeit, gibt es einen italienischen Filmabend mit einem italienischen Film im Original mit deutschen Untertiteln und hinterher die passenden Snacks.
Lokale Filme
Eine wunderbare Freundschaft verbindet Peter Latta mit den Filmemachern Detlef Gumm und Hans Georg Ullrich. 2013 zeigte Latta im Rahmen der Berlinale vier Filme ihres Bundesplatz-Tagesbuchs. Seither kommen diese insgesamt neun Filme dieser Reihe immer wieder zum Einsatz. Darüber hinaus produzierten Gumm und Ullrich Kurzfilme von zirka drei bis vier Minuten mit Begegnungen rund um den Bundesplatz. Unter dem Titel „Berlin – Ecke Bundesplatz“ werden die Filme vor den Hauptfilmen gezeigt und stoßen, laut Latta, auf große Begeisterung bei den Kinobesuchern.
In der Umgebung am Bundesplatz hat sich das Kino fest etabliert. Ganz besonders berührt hat Peter Latta die Unterstützung der Bundesplatz-Initiative in der Corona-Zeit. Immer wieder wurde er gefragt, wann das Kino wieder aufmache, denn Streaming und Blu-rays sind für ihn einfach kein Ersatz für das Kino. „Weil man die Kinoprojektoren immer mal wieder hochfahren muss, habe ich während der Schließung des Kinos im Kino die Paul Auster-Verfilmung SMOKE von Wayne Wang durchlaufen lassen, einen meiner Lieblingsfilme. Da habe ich dann als einziger Zuschauer erstmals seit Mitte März wieder einen Film im Kino gesehen. Das war ein Erlebnis in doppelter Hinsicht. Der Tabakladen im Film, das ist dort der Kommunikationsort. Und das ist unser Kino ja auch“, sagt Latta.