Filmtipps von Anke Leweke - Berlinale Buster
Es ist schwer sich in dem Programm der Berlinale zurechtzufinden. Wie gut, dass unsere Filmexpertin Anke Leweke viele dieser Filme bereits gesehen hat und Ihnen darum hier ganz besondere Empfehlungen ans Herz legen kann.
Tobby
Wer das deutsche Kino mal von einer ganz anderen, überraschenden Seite kennenlernen will, sollte sich die Filme der diesjährigen Berlinale Retrospektive anschauen mit dem Titel „Das andere Kino“. Den Auftakt macht „Tobby“ von Hansjürgen Pohland von 1961.
Tobby ist ein Bongospieler und Jazzmusiker. Er lebt in Westberlin, er will seine Musik machen und sie eben nicht an den Kommerz verraten. Und sein Leben, sein Alltag ist genauso improvisiert wie seine Musik. Wir radeln mit ihm durch Westberlin, wir ziehen nachts durch Bars und Kneipen und gehen am anderen Morgen im Wannsee baden. Und das ist alles „on location“ gedreht. Diese tollen Schwarz-Weiß-Aufnahmen haben was ganz dokumentarisches und authentisches und gleichzeitig fängt der Film das Lebensgefühl in Westberlin ein. Westberlin goes Beatnik, das Leben der Boheme.
Termine:
18.02., 11:00, Cineplex Titania
25.02., 19:15, Cubix 6
Godzilla
Seine schweren Schritte bringen die Leinwand zum Beben. Wutschnaubend macht die gewaltige Kreatur Tokio dem Erdboden gleich. Zu einem Festival gehört auch die Kinogeschichte, die man neu und wiederentdecken kann. In der Reihe Berlinale Classics werden frisch restaurierte Kultfilme gezeigt, mit dabei der japanische Monsterfilm „Godzilla“ aus dem Jahr 1954. Schon die Tonspur ist furchteinflößend: Wenn Godzilla das Maul aufreißt, wird sein Brüllen von einem Kontrabass erzeugt.
Es sind Atombombentest die das prähistorische Meeresungeheuer aus der Tiefe des Ozeans aufschrecken lassen. Dieser Film lässt sich auch als Allegorie auf das japanische Traum auf die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki lesen. Hier wird nicht nur gegen Monster gekämpft.
Termine:
25.02., 12:30, Cubix 6
Was hast du gestern geträumt, Parajanov? (Forum)
Wie hält man Kontakt mit Vater, Mutter und den Geschwistern, wenn diese 4000 km weit entfernt im iranischen Isfahan wohnen. Über 10 Jahre hat Faraz Fesharaki mit einer Webcam die Gespräche mit seinen Eltern gefilmt.
Neugierig schauen sie sich über ihren Computer in seiner Berliner Wohnung, sind erstaunt, wie klein sie ist. Faraz Fesharaki ist nach Berlin gezogen, um Film zu studieren. Sein Regiedebüt „ Was hast Du gestern geträumt, Parajanov“ ist ein digitaler Dialog mit der Ferne, die einst die Heimat war. Über die Gespräche und Diskussionen mit den Eltern, erleben wir aus nächster Nähe den politischen und gesellschaftlichen Wandel im Iran. Es geht um die Inflation, Demonstrationen. traditionelle Geschlechterollen, die Mutter erzählt, was sie im Gefängnis erlebt hat. In aller Beiläufigkeit wirft der Film große Themen auf: Was ist Heimat, wie leistet man Widerstand? Und wie bleibt man eine Familie, wie bleibt man in Verbindung, wenn man keinen Alltag mehr teilt?
Termine:
19.02., 15:30, HKW 2
20.02., 13:00, Arsenal 1
23.02., 16:00, Cubix 7
25.02., Kino Betonhalle@Silent Green
Cuckoo (Berlinale Special)
Das deutsche Kino scheut das Genre. Umso schöner, wenn sich der Nachwachs traut. Mit „Luz“ inszenierte Tilman Singer vor sechs Jahren einen abgedrehten Horrorfilm um chilenische Klosterschulen und Teufelsaustreibungen. Seine visuelle Experimentierfreude brachte Singer einen Deal mit den USA ein. Nun präsentiert er auf der Berlinale seinen zweiten Film „Cuckoo“ und das mit Starbesetzung. Hunter Schafer, die man aus der Serie Euphoria und aus „Die Tribute von Panem“ kennt, spielt die 17 jährige Gretchen. Mit Vater, Stiefmutter und der gehörlosen Stiefschwester Alma muss sie die Ferien ausgerechnet im Bayerischen Wald verbringen. Schon der Empfang ist seltsam.
Der schleimige Hotelbesitzer ist übergriffig. Die kleine Alma leidet unter Anfällen und schlägt zu. Ereignisse wiederholen sich. Und wer ist die Frau mit der Maske, die Gretchen verfolgt? Immer tiefer geht es in den Wald, immer abgedrehter und drastischer wird die Handlung. Und wir wissen, dass irgendwann das Klappmesser, das Gretchen in der Tasche trägt, zum Einsatz kommen wird.
Termine:
20.02., 21:30, Colosseum
Republic (Forum)
Die Kamera wird diese acht Quadratmeter nie verlassen und trotzdem gibt es viel zu entdecken. Das Zimmer mag klein sein, aber es ist kunterbunt, liebevoll eingerichtet. Es gibt ein Hochbett, eine große Musikanlage, Plakate und viele politische Parolen und schöne, bunte Lichter.
Hier lebt Lee und Lee lebt mitten in Peking. Hier hat er seine eigene Republik ausgerufen. Es werden Drogen genommen, es wird Rockmusik gehört, es wird diskutiert, geliebt und gelümmelt. Das Lebensgefühl einer chinesischen Jugend versammelt sich hier auf engstem Raum.
Es sind Lebensgefühle, es ist eine Jugend, die versucht, ihren ganz eigenen Begriff von Freiheit zu entwickeln und auch zu leben.
Termine:
22.02., 21:30, Delphi Filmpalast
25.02., 11:00, Arsenal 1
The Cats of Gokogu Shrine (Forum)
Probieren Sie es einmal aus: Geben Sie im Internet den Titel "The Cats of Gokogu Shrine" ein. Dann bekommen Sie mit, dass diese Katzen eine touristische Sehenswürdigkeit sind. Die Besucherinnen und Besucher kommen nicht nur aus spirituellen Gründen zu dieser religiösen Stätte, sondern sie wollen die großen, kleinen, getigerten, schwarz-weiß gefleckten, mal fauchenden, mal schnurrenden Tiere eben auch anschauen.
Ich kann nur sagen: von diesen Katzen geht ein natürlicher Glamour aus, sie wissen sich in Szene zu setzen, gerade, wenn sie mal wieder Fische von der Angel klauen. Und die Kamera begleitet sie auf Schritt und Tritt beim Wechsel der Jahreszeiten, bei Regen, Sturm und auch während der Kirschblüte. Der Film hat schöne Schauwerte.
Aber wir lernen nicht nur die kleinen und großen Katzen kennen, sondern auch den einen oder anderen Bewohner des kleinen Städtchens Ushimado am Meer. Und je länger die Kamera auf den Stufen des Tempels verweilt, um so näher kommen wir einer Gemeinschaft, die wirklich versucht füreinander da zu sein. Wo es wirklich um das Zusammenleben geht - eben auch mit den Katzenviechern.
Termine:
21.02., 19:00, Zoo Palast 2
22.02., 12:00, Kino Betonhalle@silent Green
I’m Not Everything I Want to Be (Panorama)
Ich bin ganz begeistert von einem Film über tschechische Fotografin Libuše Jarcovjáková. Der TItel ist: "I’m Not Everything I Want to Be" und es ist ein sehr autobiografischer Film der 1952 in Prag geborenen Künstlerin. Sie erzählt ihren Lebensweg, der sehr bewegt und bewegend ist. Es ist auch ein wilder, chaotischer Weg.
1968, als die sowjetischen Panzer durch Prag rollten, beschloss sie Fotografin zu werden. Sie kam aus einer Künstlerfamilie, deshalb durfte sie in der sozialischen Tschechoslowakei nicht studieren. Daher arbeitete sie in einer Fabrik und sie fotografierte die Arbeiterinnen und Arbeiter. Auch die Trinkgelage in einer Kneipe nach der Arbeit.
Man muss sich den Film wie eine Art Diashow vorstellen. Er besteht ausschließlich aus ihren Fotos und sie erzählt dazu ihr Leben. Und diese Fotos sind sehr direkt. Das sind Momentaufnahmen, auch Aufnahmen ihres eigenen Körpers. In den 70er Jahren hat sie viel in Prag in einer Schwulenbar fotografiert, dann ging sie nach Japan und nach Westberlin. Und später hatte sie eine Beziehung mit einer Frau und ging aus Liebe zurück nach Prag.
Man lernt in diesem Film eine Frau kennen, die immer auf der Suche ist und die durch ihr Objektiv auch die Suche der anderen begleitet.
Termine:
24.02., 22:00, Zoo Palast 2
The Roundup: Punishment (Berlinale Special)
Das südkoreanische Genrekino hat einen Hang zu Exzess. Es neigt zur hemmungslosen Übertreibung, überdehnt Spannungsbögen ins Dramatische und schreckt dabei auch vor Klamauk nicht zurück.
Laut, brutal und schnell ist auch der Action-Thriller „The Roundup: Punishment“. Im Zentrum steht hier der bullige Polizist Ma, der gerne seine Fäuste sprechen lässt. Er jagt die Drogenmafia und eine Organisation, die Glücksspiele online organisiert. Er verliert zwar immer wieder den Überblick, weil er sich mit Computertechnologie überhaupt nicht auskennt, aber dafür schmiedet er eine Allianz die alles andere als gesetzmäßig ist. Aber ohnehin legt dieser bullige Ma das Gesetz und die Vorschriften immer sehr eigenwillig aus. Wenn dieser Polizist loslegt, dann bebt die Leinwand. Und es wird krachen!
Termine:
24.02., 09:30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele
24.02., 13:00 Uhr, Verti Music Hall
24.02., 22:00 Uhr, HKW1 – Miriam Makeba Auditorium
25.02., 15:00 Uhr; Haus der Berliner Festspiele
The Great Yawn Of History (Encounters)
Es geht um einen Mann aus Teheran und eines Nachts träumt er von Goldmünzen in einer Höhle. Er glaubt, dass dieser Traum in Erfüllung gehen könnte, er möchte sich auf die Suche nach der Höhle und den Goldmünzen machen. Aber er ist sehr religiös und vielleicht sind diese Goldmünzen ja nicht „halal“, also unrein.
Deshalb sucht er sich einen Helfer und das ist ein arbeitsloser Student, der eben nicht religiös ist. Also zwei Generationen, zwei Männer mit einer ganz unterschiedlichen Haltung zum Leben machen sich auf den Weg.
Der Film „The Great Yawn of History“ hat auch was von einem Western. Er spielt in einer wüstenähnlichen Landschaft. Die Beiden werden auch verfolgt von anderen Leuten, die auch was von diesem Schatz wollen. Es geht um Geldgier, ständig geht es um Religiosität, um Tradition. Wir lernen durch den jungen Mann auch eine Generation kennen, die keine Perspektive mehr sieht. Wie man das alles in so einer atemberaubenden Landschaft erzählen kann, das ist eine ordentliche Gradwanderung.
Termine:
24.02., 22:00 Uhr, Cubix 7
25.02., 12:30 Uhr, Colloseum