Soundcheck - Myriaden von Selig
Soundcheck-Wertung: 1 x Hit, 2 x Geht in Ordnung
Manche Bands werden besser, je älter sie werden. Die vier Hamburger um Sänger Jan Plewka sind so ein Fall. Nicht nur, weil sie nach einer wilden Grunge-Phase in den 90ern erstmal für zehn Jahre auseinandergehen mussten, um nachher klarer zu sehen, was sie erreichen wollen. Sondern: weil sie Groove haben. Und das bedeutet auch, sie haben Herz. Nicht unwichtig für gute Songs. „Wir schrieben Songs aus unsern Wunden und dachten, wir könnten die Besten sein“, hat Plewka mal gedichtet. Verletzte Männlichkeit ist sein Dauerthema. Einer, der fast immer nur zarte, unironische Liebeslieder schreibt, die von der Rockband um ihn herum dramatisch ausstaffiert werden. Mit dem fünften Album seit 2008 verlassen Selig ihre Komfortzone aus Southern-Rock-Riffs und Schmerzensmann-Gestus. Stattdessen Popsongs. Mal balladesk und folky, mal funky. Das balanciert haarscharf auf der Kitschkante (Achtung Streicher!). Aber das Risiko ist es wert.
Kai Müller, Tagesspiegel