Wiener Straße - Streetview
Die zweitgrößte Moschee Berlins, das einzige Wellenbad der Stadt und das erste Bio-Fast-Food Restaurant Deutschlands. Außerdem: Ein Wohnhaus mit dunkler Vergangenheit, ein gemütliches Café für brasilianische Spezialitäten und die ein oder andere Kult-Kneipe. Geschichten über besondere Läden, Gebäude und Orte in der Wiener Straße.
Wiener Straße
Wild At Heart
Wer das Wild at Heart betritt, verlässt die Wiener Straße und findet sich in der Kulisse eines David Lynch-Roadmovies wieder: Dunkel, die Wände voller Poster, die Bar voller Schnapsflaschen und die Männer tragen langes Haar oder Irokese.
Im Wild at Heart tropft seit 22 Jahren der Schweiß von der Decke: In diesem Musikclub wird alles von Hard-Rock über Rock'n'Roll bis Ska gespielt. Hauptsache laut und dirty. Regelmäßig treten internationale Live-Bands auf und das ohne – wie die Betreiber des Clubs es beschreiben – „fancy crap“. Wer lieber Frischluft als Rocker-Odor mag, für den hat das Wild at Heart auch einen Biergarten.
Offen: Immer von Donnerstag bis Samstag von 20 Uhr bis 03 Uhr morgens.
Wiener Straße 1 - 6
Das großzügige Grundstück Ecke Skalitzer Straße wurde 188/89 von dem damals bekannten Berliner Bauspekulant Gustav Hartung erworben und bebaut. In dem großen Gebäude waren unterschiedlichste Gewerbe, Händler und Presseorgane untergebracht. 1921 kaufte es der jüdische Bekleidungshändler Max Süßkind, 1930 der wahrscheinlich auch jüdische Kaufmann L. Lindemann. Er wurde vermutlich zwangsenteignet, denn ab 1939 steht das „Deutsche Reich“ als Eigentümer im Grundbuch. Am 3. Februar 1945 wurde das Haus erst durch einen amerikanischen, dann durch einen britischen Luftangriff zerstört. Nach dem Krieg verwaltete der „Jewish Claim“ die Ruine, die 1952 als Wiedergutmachung in den Besitz von Ernst Wolff überging, der als Jude den gesamten Krieg illegal in Berlin überstanden hatte.
Der umtriebige Kino-Liebhaber, der bereits die Lichtspieltheater „Residenz“, „Tauentzien-Palast“ und „Palladium“ eröffnet hatte, ließ auf dem Grundstück der Wiener Str. 1-6 das Kino „Colosseum“ errichten, in das viele Zuschauer aus dem Ostteil der Stadt strömten. Die blieben nach dem Mauerbau 1961 aus und so wurde 1969 aus dem Flachbau ein Selbstbedienungsladen der Meierei C. Bolle.
Fast 20 Jahre später, am 1. Mai 1987, wurde der Bolle-Laden zu DEM Symbol der Kreuzberger Krawalle. Dabei hatte nicht etwa die links-alternative Szene den bescheidenen Konsumtempel des Kapitalismus angezündet, sondern der psychisch kranke Armin S. Der Pyromane gab bei einem Prozess Anfang der 90er Jahre insgesamt 48 Brandstiftungen in Berlin zu und landete in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt.
Die abgefackelte Ruine blieb jahrelang als deutlich sichtbarer Schandfleck stehen und taugte lediglich als Werbefläche. Doch 2003 kaufte der „Islamische Verein zur Förderung wohltätiger Projekte e.V.“ (Associtation of Islamic Charitable Projects, kurz IVWP) das Grundstück und ließ darauf das Maschari-Center errichten. In dem imposanten Gebäude gibt es ein Restaurant, einen Friseur, einen Halal-Metzger und auch einen Kindergarten. Vor allem aber die zweitgrößte Moschee Berlins. Die Omar-Ibn-Al-Khattab-Moschee wurde 2010 eröffnet und bietet in ihrem prachtvollen Gebetssaal Platz für rund 1000 Gläubige. Sie ist seitdem Anlaufpunkt für viele Muslime aller Richtungen und Nationalitäten.
Wellenbad am Spreewaldplatz
Eine riesige Welle aus Beton und Glas grenzt den Görlitzer Park vom Spreewaldplatz ab: Es ist das Wellenbad. Designt vom Berliner Architekten Christoph Langhof. Die Wellenform kommt nicht von ungefähr, denn hinter der Fassade befindet sich die einzige Wellenanlage Berlins. Seit 1987 lernen hier Kinder schwimmen und genießen Großstädter die „fiktiven“ Meereswellen. Das Wellenbad ist für die ganze Familie geeignet: Die Kleinen können ins Planschbecken, die Sportler im 25-Meter-Becken ihre Runden ziehen, die Waghalsigen vom Dreimeter-Brett springen und die Gelassenen gehen einfach in die Sauna.
Geöffnet:
Wochentags von 08 Uhr bis 22 Uhr
Wochenende von 09 Uhr bis 22 Uhr
https://www.berlinerbaeder.de/baeder/wellenbad-am-spreewaldplatz/
Bar Travolta, Wiener Straße 14
Auch diese Lokalität ist ein Kreuzberger Urgestein, eine laute Rock’n Roll-Höhle mit Kicker, Flipper und preiswerten Getränken. Old Kreuzberg School sozusagen. Und mit blutiger Geschichte, weshalb die Kneipe auch „Mördereck“ genannt wird. Diese Bezeichnung soll mit dunklen Geschehnissen in weiterer Vergangenheit zu tun haben, aber Blut floss hier vor nur wenigen Jahren wirklich. Am 1. Juli 2003 erschießt ein Mann, ein Sportschütze, wie sich später herausstellt, seine Ex-Freundin kaltblütig vor dem „Travolta“. Ein Barkeeper aus der Wiener Straße, der in diesem Moment vorbeifährt, schreit den Todesschützen an und wird von ihm ebenfalls ins Visier genommen. Er bleibt blutüberströmt vor der gegenüberliegenden Eckkneipe „Weiße Taube“ liegen, überlebt, verliert aber ein Auge. Der Schütze flüchtet in die Ohlauer Straße, kauft hier noch seelenruhig eine Zeitung, bevor er von zwei Polizisten gestellt wird. Es kommt zum Schusswechsel, ein Beamter bleibt schwer verletzt auf dem Gehsteig liegen, während seine Kollegin auf den Täter schießt. Der Getroffene flüchtet auf einen Hinterhof und erschießt sich dort selber.
In diesem Zusammenhang bekommt ein „Bloody Mary“ im „Travolta“ eine ganz eigene Note....
Das Wohnhaus der Wiener Straße 10
1866 erhielt der Ackerbürger Friedrich Wilhelm Krop eine Bauerlaubnis für die damalige „Verlängerte Oranienstr. 10/11“, heute „Wiener Str. 10/11“ und baute auf dem Grundstück Nr. 10 eines der wenigen gutbürgerlichen Wohnhäuser in der Straße für seine eigene Familie. Auf dem benachbarten Grundstück Nr. 11 dagegen entstand eine typische, fünfgeschossige Mietskaserne. Die Gegend befand sich damals noch im Grünen, vor den Toren der Stadt, in der dünn besiedelter Luisenstadt jenseits des Luisenstädtischen Kanals und beherbergte aber bereits die sogenannte „Kreuzberger Mischung“ aus Wohnen und Arbeiten in mittelständischen Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben. Witwe Krop verkaufte 1905 Haus Nr. 10 und aus ihrer Wohnung wurde ein Speiselokal mit Garten, während hinten ein Gewerbehof mit Fabrikgebäuden entstand.
Seit 1929 befanden sich im Gastraum des „Wiener Gartens“ ein „Verkehrslokal“ der NSDAP und ein „Sturmlokal“ der Kreuzberger SA. Hauptsächlich durch den SA-Sturm 27, zeitweise auch durch die Stürme 25 und 5, wobei letzterer vom – von den Nazis zum Märtyrer stilisierten – Sturmführer Horst Wessel angeführt wurde. Der vorherige Treffpunkt im Lokal „Kock“ in der Wiener Str. 25 war von KPD-Anhängern zerstört worden und weil der Wirt des „Wiener Gartens“ den Nazis nahe stand, zogen sie hierher um.
Die Wiener Str. war eine gut erreichbare Durchgangsstr, sie lag nahe der von SPD und KPD dominierten Viertel um Lausitzer Platz und Eisenbahnstr. Und der „Wiener Garten“ mit seinen großen, verschachtelten und über zwei Etagen verteilten Räumen eignete sich gut als Sturmlokal. So wurde aus der ehemaligen Kegelbahn des Lokals nach 1933 ein Folterkeller.
Nach der endgültigen Machtübernahme der Nazis verlor der „Wiener Garten“ seine Funktion als Sturmlokal, die Gastwirte wechselten, das Lokal kam herunter, und wurde später von einem treuen NSDAP-Mitglied übernommen.
In der Pogromnacht am 9.11.1938 diente es allerdings wieder als eine Art Sturmlokal. In dieser Nacht wurde auf der gegenüberliegenden Seite das Kaufhaus der jüdischen „Gebrüder Leyser“ zerstört – die heutige Feuerwache.
Nach 1945 war der ehemalige „Wiener Garten“ u.a. das Vereinslokal von „Hansa 07“, dem ansässigen Fußballverein, später dann ein italienisches Restaurant. Heute kann man in der Wiener Straße 10 allerfeinste türkische Speisen des Restaurants Mercan genießen und dabei im grünen Vorgarten sitzen.
Café Mori, Wiener Straße 13
Das Café Mori ist nicht nur Kiez-Liebling, sondern auch sowas wie ein Hot Spot der brasilanischen Community in Berlin.