Friedelstraße - Litfaßsäule

Friedelstraße: Litfaßsäule
Friedelstraße: Litfaßsäule | © radioeins

Vor 30 Jahren eröffnete in der Friedel das „Theater im Keller“ – ein Bühne für Travestieshows und damals so ziemlich der einzige Ort für Kleinkunst weit und breit. Heute ist die Friedelstraße ein Magnet für Kreative. Viele Musiker, Künstler und Schauspieler wohnen, Modedesigner, Filmproduzenten und Galeristen arbeiten hier. Impulsgeber für den kreativen Wandel der Friedel: das ehemalige „Kinski“, der erste Laden für Kunst, Kultur und Partys bis in die Morgenstunden...

Theater im Keller

Seit dem 3. Januar 1987 bietet das „Theater im Keller“ von Michael Brenncke und Ludwig Auster-Brenncke Travestie der besten Art. Damals, als Romy Haag die ungekrönte Königin der Westberliner Nächte war, hatten solche Shows Konjunktur und man freute sich im strukturschwachen und eher armen Nordneukölln über die bunten Paradiesvögel, die die damals eher graue Friedelstraße so wunderbar belebten.

Theater im Keller in der Friedelstraße © radioeins/Warnow
Theater im Keller in der Friedelstraße © radioeins/Warnow

Heute ist das „Theater im Keller“ eines der letzten seiner Art, aber noch immer sehr gut besucht. Zum Stammpublikum zählt der ehemalige Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky genauso wie Starfriseur Udo Walz oder Schauspielerin Simone Thomalla.

Gespielt wird an drei Abenden in der Woche, jeweils ab 20.30 Uhr. Donnerstags führt Schauspieler Michael Brenncke noch immer selber durch die Classic Show, derweil freitags und samstags eine jährlich wechselnde Show vor allem Touristen anzieht. Sogar amerikanische Soziologie-Studenten verschlägt es regelmäßig hierher – die Show ist Pflichtteil ihres Auslandssemesters!

Tickets kosten zwischen 27,- und 37,- € und können unter 030-47997477 oder www.travestie.info gebucht werden.

Kinski

Einer der Gründe für den kreativen Wandel der Friedelstraße ist in der Hausnummer 28 zu finden. Hier, im früheren Atelier der Goldschmiedin Heide Hagen, rief der Filmemacher und Kameramann Peter Domsch 2001 gemeinsam mit zwei Freunden den Kulturverein Kinski e.V. ins Leben. Denn was die Drei vermissten in der damals quasi kneipen- und clubfreien Gegend war ein kreativer Ort, an dem man zusammen kommen konnte. Ihre Idee: Das Kinski sollte „die 60-Watt-Osram-Birne für all die kunstbesessenen Nachtfalter“ werden. In Windeseile entwickelte sich der Laden mit unverputzten Wänden und goldenem Stuck an der Decke zu einem zentralen Treffpunkt für Nachbarn, Künstler, Musiker, Regisseure und Nachtschwärmer.

Die perfekte Mischung aus Kneipe, Club und Kino sprach sich schnell auch außerhalb des Kiezes rum. Umgeben von unfassbaren Rauchschwaden gab es regelmäßig Partys bis in die Morgenstunden. Das Kinski wurde langsam aber sicher Kult. Dabei wollte es nie Szeneschuppen sein, sondern ein Ort, der offen ist für jeden: Wer zum ersten Mal kam, zahlte einen Euro und schon war er Mitglied. Wer wollte, konnte eigene Platten mitbringen und auflegen, Videoinstallationen zeigen, seine Fotos ausstellen. So hat das Kinski jahrelang die Nachbarschaft in der Friedelstraße geprägt und die Aufbruchsstimmung Anfang des Jahrtausends erst in Rollen gebracht.

Doch im Sommer 2015 mussten die Gründer des Vereins das Kinski schließen – natürlich wegen zu hoher Mieten! 14 Jahre wurde hier getrunken, gefeiert, philosophiert, getanzt und geweint.  Unter dem schönen Motto: „Alle sind das Kinski und jeder kann das Kinski sein. Es funktioniert von allen für alle.“

Mehr im Netz:
de-de.facebook.com/Kinski-Kulturverein-eV-146920108663578/

Kulturcafé (ehemaliges Kinski)

Nach dem das legendäre „Kinski“ schließen musste, öffneten sich hier im Oktober 2016 die Pforten des „Kulturcafé“. Phillip, ein langjähriger Bewohner der Friedel 28, wollte zumindest die Tradition eines kulturfokussierten Treffpunktes mit Konzerten, Lesungen, Vorträgen fortsetzen. Da er selber seit vielen Jahren Yogalehrer ist, hat er beide Konzepte miteinander verbunden, so dass neben Kaffee und Kuchen an Nachmittag auch sechs mal pro Woche Yogakurse angeboten werden.

Kinski in der Friedelstraße © radioeins/Warnow
Kinski in der Friedelstraße © radioeins/Warnow

An den Wochenenden (Fr & Sa) finden dann diverse Veranstaltungen statt, über die man sich per Newsletter oder bei den Berliner Programmzeitschriften Zitty und Tip informieren kann. Das Kulturcafé ist auch einer der Orte, an denen Veranstaltungen im Rahmen des Kunstfestivals „48 Stunden Neukölln“ vom 23. bis 25. Juni 2017 stattfinden.

Galerie ORI

ORI heißt soviel wie Sklave bzw. Licht – je nachdem, aus welcher Sprache man dieses Wort übersetzt. Die Mischung aus Galerie, Projektraum, Bühne und Bar wurde vor zehn Jahren unter anderem von Schülern der berühmten Berliner Fotokunst-Agentur „Ostkreuz“ gegründet, um eigene Werke und die anderer Fotografen auszustellen. In den Räumlichkeiten, in denen erst ein Goldhändler, dann eine Waschmaschinenreparatur und schließlich niemand mehr zu finden war, entstand somit eine Ideenwerkstatt, die zum künstlerischen Gestalten einlädt.

Galerie ORI in der Friedelstraße © radioeins/Warnow
Galerie ORI in der Friedelstraße © radioeins/Warnow

Von den Gründern ist zwar kaum noch einer mit dabei, dafür kommen stets neue Kreative mit Ideen und Gestaltungswillen dazu. Aus dem ursprünglichen Fotolabor zum Entwickeln eigener Werke ist inzwischen ein Fotostudio geworden und neben den monatlich wechselnden Ausstellungen wird hier ein interdisziplinäres Kulturprogramm mit Filmvorführungen, einer Lesebühne, Kunstperformances und vielem mehr geboten. Der Kommerz bleibt hier noch vor der Tür, das ORI finanziert sich über Spenden, Treseneinnahmen und viel Idealismus des ständig fluktuierenden ORI-Kollektivs.

Auch das ORI nimmt am Kunstfestival „48 Stunden Neukölln“ teil (23. Bis 25. Juni). In diesem Jahr präsentiert es mit der Ausstellung „Wo Schatten ist, ist auch Licht“ - getreu dem eigenen Namen - Gegenentwürfe zum Festivalmotto „Schatten“.