„Nationales Sicherheitskonzept“ - Lettland: Russisch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk soll entfallen

LTV: Premjer o sakrytii obschtschestwennych SMI na russkom
Meldung in eigener Sache auf LTV | © lsm.lv

Schon vor Jahren konstatierten Beobachter der Lage im Baltikum einen Mangel an russischsprachigen Medienangeboten, durch den Moskauer Produkten das Publikum regelrecht in die Arme getrieben wird. Lettland entschied sich jetzt nicht für Abhilfe, sondern für das Gegenteil.

Ein „Nationales Sicherheitskonzept“ sieht vor, bei der staatlichen Finanzierung des Rundfunks ab 2026 keine Mittel für die Produktion russischsprachiger Inhalte mehr bereitzustellen. Damit soll „ein einheitlicher Informationsraum“ geschaffen werden.

Wenn das so umgesetzt wird, bedeutet es die Einstellung der russischsprachigen Sendungen auf LTV 7 (so der heutige Name des zweiten Fernsehprogramms) und die Abschaltung der russischen Hörfunkwelle.

In Riga – mehr als ein Drittel der dortigen Einwohner sind Russen – wurde diese politische Linie im vergangenen Jahr mit der Eliminierung des Siegesdenkmals augenfällig. Auch der Status als Hochburg exilrussischer Medien ist in der lettischen Hauptstadt nicht etwa geschätzt, sondern gilt als gefährlich.

Doshd – Optimistic Channel
Die im März 2022 geräumte Redaktion in Moskau | © Doshd

Handfest zu spüren bekam das bereits der Fernsehsender Doshd. Wegen des mit dem Kriegsbeginn sofort eskalierenden Drucks der russischen Behörden hatte er am 3. März 2022 den Betrieb in Moskau eingestellt.

Die Verantwortlichen verließen noch am selben Abend das Land. Die Senderzentrale wurde geräumt.

Youtue: Kotrikadse i Dsjadko
Die ersten Lebenszeichen aus Tiflis | © youtube.com/user/tdzyadko

Erste Lebenszeichen kamen danach zunächst aus Tiflis. Aus der eigentlich geplanten Niederlassung in Berlin wurde nichts, da die erforderlichen Arbeitsvisa nicht zu erhalten waren.

Daher entschied man sich für die vermeintlich naheliegendste Wahl Riga. Die dortige Präsenz von Doshd stieß bald auf Kritik aus der Ukraine, wo die Weiterverbreitung des Programms 2017 verboten wurde.

Ein zweideutiger Moderationstext führte schließlich im Dezember zum Rauswurf. Zur Begründung des Lizenzentzugs hieß es, der Sender habe eine Wetterkarte gezeigt, in der die Krim als Teil des russischen Staatsgebiets dargestellt war. Dessen Erwiderung: Man habe seit 2014 schlicht keine Wetterberichte mehr im Programm.

Seinerzeit hatte Doshd, ausgelöst durch seine Behandlung des Themas Leningrader Blockade, die russische Lizenz als vollwertiger Fernsehveranstalter verloren. Die Mitwirkenden des Senders stellten das Vorgehen der lettischen Behörden dem ohne größere Differenzierungen gleich.

Irritiert äußerten sich auch Reporter ohne Grenzen und Alexei Nawalny.

„... wurde von einem ausländischen Agenten erstellt und/oder verbreitet.“
Ein Rückblick auf alte Zeiten: Behördlich vorgegebene Warnung vor dem „Material ausländischer Agenten“ | © tvrain.ru

Der Rauswurf aus Riga war umfassender Art: Auch die Visa wurden widerrufen. Verteidigungsminister Pabriks sagte (wiederum ukrainischem Wunsch entsprechend), das Team solle „nach Russland zurückgehen“.

Etwas anders klang der Kommentar des Fernsehsenders TV3, bei dem Doshd sich eingemietet hatte: Man habe „keine andere Wahl“, als die Räume kurzfristig zu kündigen.

Aus Panik wurde der Redakteur, dessen Formulierung den Lizenzentzug ausgelöst hatte, fristlos entlassen. Das mündete in ein internes Zerwürfnis. Die Moderatorin einer Wirtschaftssendung und zwei weitere bekannte Mitarbeiter verließen den Sender und erklärten, Doshd habe seine eigenen Werte verraten.

Die Gründerin von Doshd, Natalja Sindejewa, sagte anschließend, sie „bedauere alles“. Man habe damit, Entscheidungen aus dem Bauch zu treffen, „viele dumme Fehler“ begangen.

Tatsächlich aus Berlin kommt heute ein Exilprojekt früherer Mitwirkender von Echo Moskwy. Zum neuen Standort von Doshd wurde hingegen Amsterdam, wo man seit der Flucht aus Moskau bereits einen Fuß in der Tür hatte.

Auf unklare Weise bestehen Teile der Distributionsstrategie aus Friedenszeiten bis heute fort: Das noch im Dezember wieder aufgeschaltete Satellitensignal ist erneut verschlüsselt.

Die Übertragung im öffentlichen Internet ist davon nicht betroffen. Das Liveprogramm und Abrufvideos sind weiterhin auch auf Youtube verfügbar und damit ohne weiteres aus Russland zugänglich. Zu der Sperrung von Youtube, die im Vorjahr fast schon herbeigeschrieben wurde, ist es bis heute nicht gekommen.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 08.10.2023