„Hindu first“ - All India Radio heißt nur noch Akashvani
Ohne jede Vorwarnung verschwand nach 86 Jahren der traditionelle Name des indischen Rundfunks, All India Radio. Seit dem 3. Mai wird mit „Akashvani“ eine Bezeichnung in Hindi verwendet, und zwar in allen Sprachen.
Ein an diesem Tag verteiltes Rundschreiben ordnete die sofortige Umsetzung der Maßnahme an. Dem sind die Sender von All India Radio auch prompt nachgekommen.
Das Fernsehen trat bereits bei seinem Start im Jahre 1959 in Hindi als Doordarshan an. 1997 wurde es mit dem Hörfunk zur heutigen Rundfunkanstalt Prasar Bharati („Indischer Rundfunk“) zusammengelegt. Aus der damaligen gesetzlichen Regelung stammt der Name „Akashvani“, der jetzt nach 26 Jahren auf einmal rigoros durchgesetzt wird.
Dieses Vorgehen ist nicht unumstritten, da es inkonsequent bleibt. So wird lange suchen, wer sich zum Beispiel über die Finanzierung von Vividh Bharati, dem 1957 geschaffenen Unterhaltungsprogramm des Hörfunks, informieren möchte: Offizielle Dokumente kennen es bis heute nur als „Commercial Broadcasting Service“.
Die „Satellite Message“ vom 3. Mai, die den weiteren Gebrauch der etablierten Marke untersagt, ist ihrerseits nicht etwa in Hindi geschrieben, sondern in jener gedrechselten Karikatur der englischen Sprache, die in Indien auch 76 Jahre nach dem Ende der britischen Verwaltung das Maß aller Dinge ist.
Was da als Dekolonialisierung daherkommt, kann deshalb auch anders gedeutet werden: Als weiterer Ausdruck von Modis Politik „Hindu first“, die bis in privateste Bereiche übergreift.
So oder so hat das nunmehr ehemalige All India Radio anderen Ländern seit 2020 nicht mehr viel zu sagen. Seinerzeit war als Darstellung des „Lockdown“ der gesamte Auslandsdienst abgeschaltet worden.
Danach kam es nur noch zu bescheidenen Wiederaufnahmen. Eingestellt bleibt, auch wenn die Hausleitung das regelrecht leugnet, insbesondere das Programm in englischer Sprache mit dem wieder typisch indischen Namen „General Overseas Service“.
Zurückgekehrt sind in erster Linie die Sendungen für die Nachbarländer. Derzeit (weiteren Änderungen folgt diese Seite) sieht das so aus:
01.30-03.00 Uhr: 1071 kHz; Panjabi
01.45-03.15 Uhr: 15050 kHz; Chinesisch
02.00-11.00 Uhr: 594 kHz; Bengalisch
03.00-03.30 Uhr: 1071, 7380 kHz; Sindhi
03.00-04.30 Uhr: 11570 kHz; Tibetisch
03.30-04.30 Uhr: 15050 kHz; Indonesisch
03.45-05.15 Uhr: 15410 kHz; Nepalesisch
06.00-07.30 Uhr: 15030 kHz; Farsi
06.00-09.45 Uhr: 1071 kHz; Urdu
06.30-08.00 Uhr: 9950, 11620 kHz; Dari
06.30-08.00 Uhr: 11560, 15185 kHz; Pascht.
07.30-08.30 Uhr: 15030 kHz; Arabisch
11.00-12.30 Uhr: 9910, 11560, 15030 kHz; Nepal.
11.30-15.30 Uhr: 1071 kHz; Urdu, Saraiki, Panjabi
12.00-20.30 Uhr: 594 kHz; Bengalisch
12.30-14.00 Uhr: 15030 kHz; Chinesisch
12.45-14.15 Uhr: 9940, 11560 kHz; Tibet.
14.15-15.15 Uhr: 15030 kHz; Suaheli
14.30-16.00 Uhr: 11560 kHz; Paschtunisch
15.30-17.00 Uhr: 9950 kHz; Belutschi, Dari
17.45-21.30 Uhr: 1071 kHz; Urdu
18.00-22.30 Uhr: 9620 kHz; Farsi, Arab., Französ.
Aus der Kurzwellenstation bei Delhi kommen die Frequenzen 9910, 9940, 11560 und 11570 kHz sowie außer von 15.30 bis 17.00 Uhr auch 9950 kHz. Ansonsten wird noch die Kurzwellenanlage bei Bangalore genutzt.
Alle anderen Kurzwellensender des Auslandsdienstes sind mittlerweile stillgelegt. Zuletzt traf es 2021 die Station Aligarh, die einst einen großen Teil der für Europa bestimmten Frequenzen bediente.
Die beiden Mittelwellen sind ihrerseits die letzten in Indien noch aktiven Hochleistungssender mit 1000 kW. Mit der auch in Europa bekannten Frequenz 1566 kHz von der Sendeanlage bei Nagpur ist es vorbei, seit das dort verbreitete Nachtprogramm („National Channel“) Anfang 2019 eingestellt wurde.
Von den für Bangladesch bestimmten Sendungen aus der Mittelwellenstation bei Kalkutta ist hierzulande nichts zu hören. Anders verhält sich das mit der Frequenz 1071 kHz. Sie kommt aus einer Anlage bei Rajkot, die seit 1971 mit einer aus vier Masten bestehenden Antenne nach Pakistan und damit auch weiter in Richtung Europa strahlt.
Wie in einer Präsentation des nicht mehr aktiven Lieferanten auch jetzt noch nachzulesen ist, kamen die beiden Senderblöcke aus Zagreb. (Die in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnte Technik mit 600 kW Gesamtleistung ging zum Bayerischen Rundfunk nach Ismaning; sie wurde dort 1994 durch einen Transistorsender ersetzt und unmittelbar danach verschrottet.)
1991 reihte sich Rajkot ein in den „Club“ der Sendeanlagen, deren Antennen in Flugunfälle verwickelt wurden. Bis zum Wiederaufbau des zerstörten Mastes war nur noch ein Rundstrahlbetrieb möglich, indem zwei der verbliebenen Masten geerdet blieben.
Darüber hinaus konnte ab 1994 nur noch einer der Senderblöcke betrieben werden, da für die mittlerweile vom Hersteller abgekündigte Technik keine Ersatzteile mehr zu erhalten waren. 2003 kam der Sendebetrieb zunächst ganz zum Erliegen.
Als schon niemand mehr damit rechnete, wurde die Station doch noch neu ausgestattet und 2012 reaktiviert. Zum Einbau kam die jetzt unter anderem auch noch in Polen (225 kHz) und Nordmazedonien (810 kHz) eingesetzte Technik französischer Bauart, ein Abfallprodukt militärischer Technologien.
Wohl wirklich nicht mehr zu erwarten ist ein nochmaliger Rückgriff auf die Kurzwelle für Inlandsversorgungen. Dafür waren in Indien einst an die 30 Sender aktiv.
Davon ist jetzt noch genau einer übrig, und zwar in Kaschmir. Auch diese Ausstrahlung aus Leh läuft nur noch mit wenigen Kilowatt und in bescheidenem zeitlichem Umfang; derzeit auf der Tagfrequenz 6000 kHz von 8.30 bis 11.30 Uhr, auf der Nachtfrequenz 4760 kHz von etwa 4.00 bis 6.30 Uhr und von 13.30 bis 17.30 oder 18.00 Uhr. In Europa kommt davon kaum noch etwas an.
Anders war das noch beim vorletzten dieser Sender, einer stärkeren Anlage einheimischen Typs in Jeypore. Mehrere Kurzwellenhörer schalteten am Silvesternachmittag 2021 eigentlich nur zum Abschied vom alten Jahr ein und erfuhren erst hinterher, was sie da gehört hatten: Den Schwanengesang der Kurzwelle 5040 kHz.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 06.05.2023