Ausstrahlung aus England - Al Jazeera auf Kurzwelle

Al Jazeera, FM 93.9
© Abdallah Alsalmi

Nach Al Arabiya und der BBC greift ein weiterer Programmveranstalter für Gaza auf den AM-Rundfunk zurück: Der Ton des arabischen Hauptprogramms von Al Jazeera wird aus England stundenweise auf Kurzwelle ausgestrahlt.

Zuerst versuchte man am 15. November eine Übertragung vom Mittag bis in den frühen Nachmittag auf 15675 kHz sowie am Abend auf 9965 kHz.

Am 16. November begann dann ein täglicher Betrieb von 17.00 bis 19.00 Uhr MEZ auf 15385 kHz. Die einmalig erprobten Sendeplätze bis 15.00 und ab 19.00 Uhr konnten zunächst nicht mehr gehört werden.

Bis jetzt kommuniziert Al Jazeera die Ausstrahlung auf Kurzwelle nicht. Prominente Werbung (Abbildung) gibt es stattdessen für die UKW-Frequenz 93,9 MHz. Anfragen, auch in arabischer Sprache, werden in Doha ignoriert.

Womöglich läuft die Bestellung der Sendezeit von London aus. Allerdings hat Al Jazeera seine dortige Präsenz gerade eingeschränkt. Das englische Abendprogramm ist im Juli entfallen und die Sendezeit von der Zentrale übernommen worden. Das war verbunden mit dem Abbau von rund 40 Arbeitsplätzen.

Al Jazeera
Ein Gebäude von Al Jazeera in Doha

Neu ist die Kurzwelle für Al Jazeera nicht. 2015 gab es schon einmal solche Übertragungen, damals pikanterweise aus Abu Dhabi. Das war möglich, weil die dortige Kurzwellenanlage seit zwei Jahrzehnten vollständig aus London verwaltet wird.

Damit nicht genug: Ab 2009 lief der Fernsehton von Al Jazeera auch auf der 1500 kW starken Mittelwelle 954 kHz, aus einer Sendestation an der Nordwestküste von Katar. Diese Anlage verfügt über eine den Bereich von Ägypten bis Syrien abdeckende Richtantenne. Ihre neuesten Ausrüstungen lieferte eine Firma aus Berlin.

Seit einigen Jahren ist die Frequenz 954 kHz jedoch außer Betrieb und zumindest bis jetzt auch nicht wieder eingeschaltet worden. Aktiv ist nur noch die Rundstrahlfrequenz 675 kHz von Radio Katar.

Andere AM-Sender existieren in Katar nicht mehr. Der Standort im Norden von Doha, von dem aus bis vor zwei Jahrzehnten auch auf Kurzwelle gesendet wurde, ist nur noch auf UKW aktiv.

Keine größeren Diskussionen gibt es (abgesehen von Israel) derzeit um die redaktionelle Praxis von Al Jazeera. Am ehesten begegnet man noch Umschreibungen und Andeutungen. Offene Äußerungen bleiben Ausnahmen.

So trifft man auch bei Youtube auf keine Sperrungen von Beiträgen oder gar ganzer Kanäle. Stattdessen wird der Zugriff auf unliebsame Videos erschwert.

Shireen Abu Akleh: ‘Assassinated in cold blood’: Dieses Video hat eine Altersbeschränkung und ist nur auf Youtube verfügbar.
Sperrung in Deutschland, hier in einer Einbettung auf den eigenen Seiten des Senders | © aljazeera.com
The following content has been identified by the YouTube community as inappropriate or offensive to some audiences.
Warnhinweis in Großbritannien | © Al Jazeera
This video may be inappropriate for some users.
Warnhinweis in den USA | © Kim Andrew Elliott

Dieses Vorgehen ließ sich schon 2022 beobachten. Besonders interessant war zumindest seinerzeit, wie unterschiedlich das in den einzelnen Ländern konkret aussah.

So gibt es in Deutschland den Verweis auf eine „Altersbeschränkung“. Die betreffenden Beiträge sind nur eingeloggten Inhabern eines Youtube-Kontos zugänglich.

In Großbritannien erschien hingegen der Hinweis auf eine „Youtube-Community“, welche das Material als „für bestimmte Zuschauer unangemessen oder anstößig identifiziert“ habe. In den USA hieß es einfach, das Video sei „für einige Nutzer unangemessen“. Beide Versionen ließen sich, im Gegensatz zur Sperrung in Deutschland, ohne weiteres wegklicken.

Al Jazeera: Tagesschau (Germany)
Sendebeitrag vom 18.11.2023 | © Al Jazeera

Aufmerksamen Zuschauern konnte bei Al Jazeera am 18. November ein kurzes Zitat aus der Tagesschau auffallen.

Das war indes nur eine Marginalie. Eine volle Auseinandersetzung erschien in dieser Mediensendung bereits im Mai 2022:

„Deutschlands toxischer Antisemitismus und dessen Folgen für die dortigen Karrieren palästinensischer und arabischer Journalisten.“
25.02.2021: Right Now with Stephen Kent S1E1
Der erste Beitrag von „Rightly“ | © Youtube

Noch ein Jahr zuvor versuchte Al Jazeera, gezielt Anhänger der politischen Rechten in den USA anzusprechen. Im Februar 2021 erschien ein entsprechendes Youtube-Format mit dem Titel „Rightly“.

Die Redaktion erfuhr zu ihrem Entsetzen davon erst aus der Zeitung. Ein Protestschreiben an die Geschäftsführung sprach von einem „Affront“, der „die Marke irreparabel beschädigen“ werde, und einem „Verrat an der Mission des Senders“.

Die Behandlung dieses Themas in der bereits erwähnten Mediensendung „The Listening Post“ war, gemessen an deren sonstiger Meinungsfreudigkeit, auffallend zurückhaltend.

Es blieb unklar, was „Rightly“ überhaupt bezwecken sollte. Ende 2021 wurde es jedenfalls wieder eingestellt. Auch dessen Gestalter erhielten nur einen vagen Verweis auf „Budgetgründe“.

Speziell auf die USA zielt Al Jazeera damit nur noch mit dem Digitalformat „AJ+“. Es ist eine bescheidene Weiterführung der US-Version des Fernsehprogramms, die Al Jazeera wegen schlechter Einschaltquoten 2016 abrupt eingestellt hatte.

IIeana Ros-Lehtinen
Die heutige Lobbyistin der Emirate noch als Abgeordnete bei einem Besuch von Radio Martí | © Büro Ros-Lehtinen

In den USA ist Al Jazeera inzwischen mit dem Label „ausländischer Agent“ versehen – ein Rechtsbegriff aus dem zweiten Weltkrieg, dessen Exhumierung auch gleich eine Anregung nach Moskau lieferte.

Eine maßgebliche Rolle bei dieser Einstufung spielte IIeana Ros-Lehtinen, eine frühere Abgeordnete des Repräsentantenhauses, die sich 2018 aus der Politik zurückgezogen und anschließend eine Tätigkeit als Lobbyistin für die Vereinigten Arabischen Emirate aufgenommen hat.

2020 formulierte sie Sätze wie „Katar nutzt Al Jazeera, um die Hamas zu fördern“. Mindestens eine Stelle aus diesem Papier hat das US-Justizministerium in seiner Verfügung direkt abgeschrieben. Die Einstufung „ausländischer Agent“ stützt sich somit auf nichts anderes als die Ausarbeitung einer Agentin der Emirate.

 

Beitrag von Kai Ludwig,
mit Informationen von Tarek Zeidan;
Stand vom 19.11.2023