Zerwürfnis mit den Autonomiebehörden - Betätigungsverbot für Al Jazeera im Westjordanland
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Zu den Kontroversen um Al Jazeera gehört jetzt auch ein Zerwürfnis mit den von der Fatah geführten palästinensischen Autonomiebehörden. Sie untersagten dem Sender vom Jahreswechsel an vorerst die Betätigung im Westjordanland (der Gazastreifen steht bekanntlich nicht unter ihrer Kontrolle).
Bei dem Verbot geht es um die Jenin-Brigaden, eine in Verbindung unter anderem mit der Hamas stehende Miliz, gegen die seit Anfang Dezember eine Offensive der Autonomiebehörden läuft.
Konkret Anstoß nahmen sie an der von Al Jazeera für die Jenin-Brigaden verwendete Bezeichnung „Widerstandskämpfer“. In einer Stellungnahme heißt es, das Einschreiten sei die
» ... Konsequenz der gefährlichen Rolle, die Al Jazeera in der gesamten arabischen Welt und insbesondere in Palästina spielt, indem es Zwietracht sät und interne Konflikte befeuert; dies in klarer Orientierung an den zionistisch-amerikanischen Bestrebungen und feindlichen Plänen gegen unsere arabische und insbesondere palästinensische Sache. «
In einer Pressemitteilung sprach Al Jazeera erneut von „Widerstandskämpfern“ und formulierte eine „Verurteilung“ der „Hetzkampagne der Fatah“.
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Erwähnung an dieser Stelle fand Al Jazeera zuletzt im November 2023, als der Ton seines arabischen Hauptprogramms über die Sender in England auf Kurzwelle erschien. Das blieb aber ein Versuch, der nach kurzer Zeit abgebrochen wurde.
Stattdessen nannte man für Gaza die UKW-Frequenz 93,9 MHz. Was das zu bedeuten hatte, konnte nicht ermittelt werden. Anfragen (in diesem Fall auch aus Ägypten in arabischer Sprache nach Doha gerichtete) pflegt Al Jazeera zu ignorieren.
Nicht nur die nochmalige Nutzung der aus London vermarkteten Kurzwellensender (das gab es 2015 schon einmal, seinerzeit pikanterweise über Abu Dhabi) blieb eine Eintagsfliege. Auch sonst hat Al Jazeera seine Aktivitäten in der britischen Metropole inzwischen deutlich reduziert und etwa 40 Arbeitsplätze abgebaut.
Damit entfielen im Juli 2023 die aus London abgewickelten Strecken des englischen Programms. Die betreffende Sendezeit am Abend bespielt seitdem die Zentrale in Doha.
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Vor einigen Jahren hatte Al Jazeera die ab 2009 praktizierte Übertragung seines arabischen Fernsehtons auf der Mittelwelle 954 kHz beendet. Sie kam aus einer Sendestation an der Nordwestküste von Katar.
Die Frequenz lief dort mit 1500 kW über eine den Bereich von Ägypten bis Syrien abdeckende Richtantenne. Die heutigen Senderanlagen stammen von einer Firma aus Berlin. Weiterhin aktiv ist hier die Rundstrahlfrequenz 675 kHz von Radio Katar.
Andere AM-Sender existieren in Katar nicht mehr. In der Vergangenheit gab es aus einer Station im Norden von Doha auch Ausstrahlungen auf Kurzwelle. Der Standort ist seit zwei Jahrzehnten aber nur noch auf UKW aktiv.
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Zu den Merkwürdigkeiten in der Geschichte von Al Jazeera gehört der 2021 unternommene Versuch, mit dem Youtube-Format „Rightly“ gezielt das politisch rechte Spektrum in den USA anzusprechen.
Die Redaktion erfuhr zu ihrem Entsetzen davon erst aus der Zeitung. Ein Protestschreiben an die Geschäftsführung sprach von einem „Affront“, der „die Marke irreparabel beschädigen“ werde, und einem „Verrat an der Mission des Senders“.
Es blieb unklar, was diese Übung eigentlich bezwecken sollte. Nach wenigen Monaten wurde sie jedenfalls beendet. Auch die Gestalter des Formats erhielten dazu nur einen dürren Verweis auf „Budgetgründe“.
Wenn man die Aggressivität kennt, welche die Mediensendung des englischen Programms von Al Jazeera generell und ganz besonders auch in Richtung Deutschland pflegt, dann wirkte die dortige Behandlung dieses Themas auffallend zurückhaltend.
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Damit beschränkt sich Al Jazeera in den USA wieder auf das Digitalformat „AJ+“. Die Fernsehsendungen hatte man wegen schlechter Einschaltquoten 2016 abrupt eingestellt.
Inzwischen gilt Al Jazeera dort als „ausländischer Agent“ – ein Rechtsbegriff aus dem zweiten Weltkrieg, dessen Exhumierung auch gleich eine Idee nach Moskau lieferte. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei IIeana Ros-Lehtinen, eine frühere Abgeordnete des Repräsentantenhauses, die sich 2018 aus der Politik zurückgezogen hat.
Anschließend begann Ros-Lehtinen eine Tätigkeit als Lobbyistin für die Vereinigten Arabischen Emirate und formulierte Sätze wie „Katar nutzt Al Jazeera, um die Hamas zu fördern“. Mindestens eine Stelle aus dem Papier hat das US-Justizministerium direkt abgeschrieben. Die Einstufung „ausländischer Agent“ stützt sich somit auf die Ausarbeitung einer Agentin der Emirate.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 04.01.2025