Rad'n'Roll - Wie viel Fahrrad steckt in den Berliner Wahlprogrammen?
Es steckt doch einiges an Fahrradthemen drin in den Wahlprogrammen der Berliner Parteien. Henrik Barth mit einem Überblick.
In knapp drei Wochen wird wieder gewählt. Außer der SPD-Werbung für das “29-Euro-Ticket für alle” spielt die Mobilität im Berliner Wahlkampf eigentlich keine Rolle. Im Alltag kommt allerdings keiner an dem Thema vorbei, weshalb sich radioeins-Fahrradexperte Henrik Barth gefragt hat, wie viel Fahrrad in den Wahlprogrammen steckt.
Henrik, du hast dir CDU, SPD, Grüne, FDP und AfD mal vorgenommen. In welchem Programm steckt denn am meisten Rad?
Ich fange mal umgekehrt an, am wenigsten Rad findet sich bei der SPD. Im Wesentlichen ist das ein Satz: "Wir bauen Fuß- und Radwege aus, sorgen für mehr Verkehrssicherheit in der Stadt" - wie das erreicht werden soll, Fehlanzeige. Nach dem Motto: Bloß niemandem auf die Füße treten.
Außer Konkurrenz wettert die AfD und fordert ein Ende der Bevorzugung des Radverkehrs, das sieht der Union-Spitzenkandidat Kai Wegner allerdings auch so, wie er bei uns im Schönen Morgen auf radioeins gesagt hat. Bei der AfD hat mich nur überrascht, dass sie sich mehr Gedanken zum Thema machen als die Sozialdemokraten. Nicht überrascht hat mich, dass der dringende Umbau der Fahrradinfrastruktur, damit beispielsweise auch Kinder sicher mit dem Rad in der Stadt unterwegs sein können, nur als "Schikanen für Autofahrer" und ich zitiere weiter, als "ideologische Überdimensionierung von Radverkehrsanlagen zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs" angeprangert wird. Wo allerdings der Platz für "bedarfsgerechte Rad und Fußwege" herkommen soll, die die AfD einrichten will, bleibt ihr Geheimnis. Mit der Einschätzung einer ideologisch angetriebenen Verkehrspolitik sind die Rechtspopulisten allerdings nicht alleine, auch Union und FDP sehen da Ansätze.
Generell lassen sich zwei Lager ausmachen. Lager Nr. 1 will vor allem Autofahrern nicht auf die Füße treten, aber andererseits für alle da sein. Die Union will bestehende Radwege sanieren und, falls nötig, neu bauen, und auch innerhalb von 24 Stunden jedes Schlagloch reparieren. Die FDP will weder den Autoverkehr aus der Innenstadt verdrängen noch gezielt unattraktiv machen, gleichzeitig aber eine sichere und gut ausgebaute Fahrradinfrastruktur schaffen - fragt sich nur wo?!
Lager Nr. 2 - Grüne und Linke - treten Autofahrer*innen, um bei dem Bild zu bleiben, auf die Füße, und machen deutlich, wer eine sichere und gut ausgebaute Fahrrad- und Fußgänger-Infrastruktur will, muss den öffentlichen Raum umverteilen und ja, auch zu Lasten des Autos, weil das eben Jahrzehntelang die erste Geige gespielt habe.
Alle Parteien fordern eine sichere Fahrradinfrastruktur, wie wollen sie die denn in die Tat umsetzen?
Gehen wir mal ein paar Punkte durch: Die Bezirke finanziell und personell besser ausstatten, will die Union, allerdings nur, um bestehende Radwege zu sanieren oder neu zu bauen.
Die Linke will auch mehr Personal für die Tiefbauämter, wobei das Ziel viel ambitionierter ist, sie fordert einen verbindlichen Ausbauplan zur Fertigstellung des Berliner Radverkehrsnetzes bis 2030.
Bei durchgehenden Fahrradschnellwegen, wie etwa geplant entlang der Stammbahn von Potsdam bis zum Park am Gleisdreieck, herrscht übrigens Konsens: Union, FDP und natürlich Grüne und Linke stehen dahinter - wird allerdings noch Jahre dauern.
Fahrradstraßen, so wie in der Linienstraße in Mitte, sprich parallel zu Hauptstraßen, wollen die Liberalen deutlich ausweiten. Klingt erstmal gut, aber Fahrradinfrastruktur direkt an Hauptstraßen wollen sie nicht. Wie dann allerdings ein flächendeckendes Wegekonzept geschaffen werden soll, da mache ich ein großes Fragezeichen dahinter.
Pop-up-Radwege aus purem Aktionismus lehnen die Liberalen ab, die Linken sehen darin ein effektives Mittel und wollen aber auch, dass das Land bei Projekten von stadtweiter Bedeutung beschleunigen kann bzw. mehr Macht hat, den Bezirken zu sagen, wo es langgeht.
Noch mal zurück zur Einstiegsfrage, wo steckt am meisten Rad drin?
Grüne und Linke sind da vorne, wenn wir uns darauf einigen, dass ohne eine Umverteilung des Straßenraumes, eine sichere und gut ausgebaute Fahrrad- bzw. Fußgänger-Infrastruktur nicht möglich ist. Die Grünen können natürlich mit dem punkten, was sie schon umgesetzt haben: Als sie "die Verkehrsverwaltung übernommen haben, gab es dort nur 3,5 Stellen für die Radverkehrsplanung, jetzt sind es über 70." Und weiter heißt es im Wahlprogramm "statt 5 Millionen Euro sind heute über 30 Millionen Euro im Landeshaushalt für den Radverkehr vorgesehen." Das klingt natürlich erstmal super und auch, dass "in den vergangenen Jahren 100 Kilometer Radwege in Berlin gebaut oder modernisiert" wurden. Aber zur Wahrheit gehört auch - wir haben immer noch einen gewaltigen Flickenteppich und der Umbau geht nur schleppend voran.
Beruhigend finde ich in dem Zusammenhang, dass sich auch bei FDP und Union, trotz aller schwammigen Einschränkungen a lá "wo immer möglich", zumindest Ansätze für einen sicheren Radverkehr finden.