Rad'n'Roll - Neue beheizte Fahrradbrücke in Tübingen
Stellen Sie sich vor, Sie fahren im Winter über eine Fahrradbrücke und die ist eisfrei, weil die Fahrbahn beheizt wird. Klingt utopisch - ist aber schon länger Realität in Tübingen. Jüngst war die Unistadt wieder in den Schlagzeilen, als Stadt mit der teuersten Radbrücke Deutschlands: 16 Millionen Euro hat die neue, inzwischen dritte beheizbare Fahrradbrücke der Stadt gekostet. Purer Luxus oder durchdachte Fahrradinfrastruktur? Mehr dazu von radioeins-Fahrradexperte Henrik Barth.
Tübingen liegt auf mehreren Hügeln verteilt, was Brücken notwendig macht, um riesige Umwege zu vermeiden. Außerdem müssen sich Rad- und Autofahrer nicht mehr die Fahrbahn teilen, erklärt der parteilose Oberbürgermeister Boris Palmer gegenüber radioeins. Diese Brücken ermöglichen es, den Berg, den Fluss, die Bundesstraße und die Eisenbahn in einem Zug zu überqueren. Dadurch spart man viel Zeit und gewinnt an Sicherheit. Diese Strecken können jetzt auch Schulkinder sicher fahren.
Die Frage der Beheizung
Aber müssen die Brücken wirklich beheizbar sein? Reicht nicht ein einfacher Winterdienst? In Tübingen sorgt der Fluss Neckar an zwei bis drei Monaten im Jahr für Nebel, was häufig zu überfrierender Nässe führt. Der Streudienst kann oft nicht schnell genug vor Ort sein, um Unfälle zu verhindern. Deshalb messen Sensoren auf den Brücken Feuchtigkeit und Temperatur. Ist die Fahrbahn vereist, wird sie auf zwei bis drei Grad erhitzt. Das passiert an rund 30 Tagen im Jahr. Laut der Stadt Tübingen ist die Beheizung mit Ökostrom klimafreundlicher als der Einsatz des Winterdienstes.
Kosten und Nutzen
Die neue Brücke hat 16 Millionen Euro gekostet, davon entfielen rund 500.000 Euro auf die Abtauanlage. Diese Investition rechnet sich laut Oberbürgermeister Palmer mit Blick auf die Lebensdauer der Brücken. Der Aufwand beträgt etwa zwei bis drei Prozent der Baukosten, verlängert aber die Lebensdauer erheblich, da kein Salz gestreut werden muss. Salz ist für Stahlbetonbrücken schädlich und führt früher oder später zu Schäden. Ohne Streusalz geht die Stadtverwaltung von einer doppelt so langen Lebensdauer der Brücke aus.
Finanzierung und Kritik
Es gibt viel Kritik an der möglichen Verschwendung von Steuergeldern, besonders in sozialen Netzwerken. Viele fragen sich, wie sich Tübingen ein solch teures Projekt leisten kann, angesichts eines Haushaltslochs von 40 Millionen Euro. Ohne Zuschüsse von Bund und Land wäre das nicht finanzierbar gewesen, betont Palmer. Die Investition lohnt sich, da der Radverkehr das umweltfreundlichste und für Kommunen billigste Verkehrsmittel ist. Eine Reise des Gemeinderats nach Kopenhagen war die Initialzündung für die Pläne. Seit der Umsetzung ist das Fahrrad das Hauptverkehrsmittel in Tübingen.