Kritik an Lauterbachs Vorlage - SPD-Innenpolitiker Fiedler will Cannabis-Gesetz stoppen
Nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach soll das Cannabis-Gesetz zum 1. April 2024 in Kraft treten. Dann sollen Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen dürfen. Doch in Teilen der SPD-Bundestagsfraktion gibt es Kritik daran. So wandten sich die beiden führenden Innenpolitiker der Fraktion, Sebastian Fiedler und Sebastian Hartmann, in einem Brief an ihre Fraktionskollegen und rieten von der Zustimmung ab. Sie warnen, dass Lauterbachs Vorlage die angestrebten Ziele verfehlen werde. SPD-Politiker Sebastian Fiedler erklärte auf radioeins: "Als ehemaliger Kriminalbeamter kann ich wirklich allein einem solchen Vorstoß wirklich nicht zustimmen. Allein in den Niederlanden darf man nur 5 Gramm mit sich herumschleppen."
Es ist eines der Prestigeprojekte der Ampel-Regierung: die Cannabis-Legalisierung. Am Freitag soll über das Gesetz im Bundestag abgestimmt werden. Doch es gibt auch immer noch viel Kritik daran: von den Innenminister der Länder, der Ärztekammer – und auch von Abgeordneten der Ampel selbst, genauer der SPD. Der Gesundheitsminister Karl Lauterbach bleibt trotzdem dabei: Legalize it - auch gegen den Willen einiger Parteikollegen: "Wir dürfen hoffen, dass wir mit diesem Gesetz, zwei Drittel des Schwarzmarkts beenden können. Und damit lösen wir ein großes Problem, weil das Schwarzmarkt-Cannabis ist heute in toxischen Konzentrationen auf dem Markt, die sehr schädlich sind" - so Lauterbach.
Sie haben am Montag einen Brandbrief an Ihre SPD-Fraktionskollegen geschickt. Was ist so schlimm am Gesetzentwurf?
Fiedler: Ich überlege, wo ich jetzt anfangen soll. Also es gibt mehrere Dinge, die ja auch die Innenminister der Länder dazu bewogen haben, einen Brief zu schreiben. Der Brief, den wir geschrieben haben, der hat eher informatorischen Inhalt. Es geht unter anderem darum, dass die Polizeibehörden, aber auch die Ordnungsbehörden der Länder massiv zusätzlich belastet werden mit zusätzlichen Tätigkeiten, weil nicht überall im öffentlichen Raum Konsum erlaubt ist, sondern in bestimmten Bereichen eben nicht und zu bestimmten Uhrzeiten eben nicht. Es müssen diese Anbauvereinigungen kontrolliert werden. Und das kann man eigentlich den Sicherheitsbehörden gerade aktuell in einer so derartigen Belastungssituation, in der sie sich befinden, überhaupt nicht zumuten. Das ist ein Argument, wenn ich noch ein zweites noch nennen darf, dass man wirklich 25 Gramm mit sich herumschleppen darf. Das ist Stoff für 75 Joints. Das verfolgt ja nicht das Ziel, Konsumierende zu entkriminalisieren, sondern das sind aller Erfahrung der Sicherheitsbehörden nach Dealer, die so viel mit sich herumschleppen. Und als ehemaliger Kriminalbeamter kann ich wirklich allein einem solchen Vorstoß wirklich nicht zustimmen. Allein in den Niederlanden darf man nur 5 Gramm mit sich herumschleppen.
Was sich, Herr Fiedler, jetzt nicht wenige fragen: Die Freigabe war doch grundsätzlich im Koalitionsvertrag vereinbart. Warum jetzt ein paar Tage vor der Abstimmung diese Diskussion?
Fiedler: Erstens stimmt das nicht, dass ein paar Tage vor der Abstimmung diese Diskussion entsteht. Seit über einem Jahr weise ich darauf hin. Es gibt schon Presseveröffentlichungen aus dem letzten April. Und zum anderen müssen Sie ja zur Kenntnis nehmen, dass wenn das Gesetz eben schlecht ist, dass man das nicht dagegen abwägen kann, dass die aktuelle Drogenpolitik auch schlecht ist. Also insoweit Ihre Frage ist nicht ganz mit der Realität in Übereinklang zu springen. Die Kritik gibt es schon ganz, ganz lange.
Seit Jahren wurde die Cannabis-Freigabe verhindert. Das Problem wurde trotz Verbot immer größer. Auch Karl Lauterbach war ursprünglich ja gegen eine Freigabe, hat aber irgendwann sinngemäß gesagt, der bisherige Weg hat nicht geklappt, also müssen wir einen neuen gehen. Damit hat er aber recht, oder nicht?
Fiedler: Das ist total unstreitig. Ich kenne wirklich niemanden, der vernünftig ist, der das abstreiten würde. Es gibt in der Debatte überhaupt niemanden, der nicht der Auffassung ist, dass die aktuelle Drogenpolitik ein Riesenproblem gewesen ist. Das gilt im Übrigen nicht nur für Cannabis. Wir haben in allen deutschen Großstädten ein Crack-Problem. Wir haben Kokainschwämme. Wir haben große Sorgen dafür, dass Fentanyl in Zukunft unsere Märkte überspülen dürfte. Wir haben Höchststände an Drogentoten. Niemand kann behaupten, dass die aktuelle Drogenpolitik eine gute gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Aber dennoch muss man ja eben sagen dürfen, dass das aktuelle Gesetz das Kind mit dem Bade ausschüttet. Also ich sag nochmal, bestimmte Regelungen wären ja auch wirklich anders möglich gewesen. Und im Konsens mit den Ländern, das ist ja nun leider Gottes nicht der Fall. Das ist ja nicht meine persönliche Kritik, sondern die Länder laufen ja entsprechend Sturm dagegen.
Jetzt haben wir gerade eben Karl Lauterbach auch nochmal gehört mit seiner Aussage, wir dürfen hoffen, dass wir mit diesem Gesetz zwei Drittel des Schwarzmarktes beenden können. Hat der Bundesgesundheitsminister keine Ahnung oder wo liegt sein Denkfehler?
Fiedler: Das weiß ich nicht. Das wird eben irgendeiner aufgeschrieben haben. Ich weiß nicht, wer das gemacht hat. Ich halte das für einigermaßen abenteuerlich. Und noch schlimmer ist, dass wir eine Übergangsphase haben werden. Wenn das Gesetz am 01.04. gilt, dann gibt es zu diesem Zeitpunkt überhaupt gar keine legalen Märkte. Es gibt noch keine Abnahmemöglichkeiten für Konsumierende in Anbauvereinigungen. Es wird noch keine, noch nicht viele Privatwohnungen geben, wo angebaut worden ist. Das bedeutet in dieser Übergangsphase im Frühjahr und Sommer werden alle, die 25 Gramm mit sich rumschleppen dürfen und öffentlich konsumieren dürfen, diesen Stoff nur am Schwarzmarkt, also bei der organisierten Kriminalität kaufen können. Und das ist ein zumindest mittelfristiges Konjunkturprogramm für die organisierte Kriminalität.
Kurz zum Abschluss: Glauben Sie denn, dass Sie mit Ihrem Brandbrief noch eine Mehrheit für den Gesetzentwurf verhindern können?
Fiedler: Wir haben da nicht Brandbrief drübergeschrieben und das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe ja meine persönliche Auffassung ihnen kundgetan und es gibt eben noch mehrere andere Abgeordnete, unter anderem aber nicht nur meiner Fraktion, die große Probleme mit diesem Gesetzentwurf haben. Wir machen es uns da einfach nicht leicht. Wir sind eine breit aufgestellte Partei und da muss man solche Diskussionen dann auch durchaus mal führen dürfen.