Bundesrat könnte Teil-Legalisierung verzögern - Lütke (FDP) über Cannabis-Freigabe: "Ich stehe hinter dem Gesetz, so wie wir es verhandelt haben"
Nachdem der Bundestag die geplante Teil-Legalisierung von Cannabis beschlossen hat, könnte der Bundesrat sie noch aufhalten. Mehrere Landesminister haben Widerstand angekündigt, weil die Zeit bis April nicht für die nötigen Vorbereitungen reiche. Offenbar zeichnet sich eine Mehrheit ab, die Freigabe zumindest zu verschieben. Wir sprechen darüber mit der FDP-Abgeordneten Kristine Lütke, die in der Teil-Legalisierung einen "historischen Wendepunkt" der Cannabispolitik hin zu einem Umgang, der der gesellschaftlichen Realität entspreche, sieht.
Der Bundestag hat das Cannabisgesetz zwar mehrheitlich beschlossen, in Kraft tritt es nun aber doch noch nicht zum 1. April 2024. Der Grund: Die Länder stellen sich quer. Kritik kommt dabei vor allem von Landespolitikern aus den Koalitionsparteien SPD und Grüne selbst – obwohl die Ampel es maßgeblich vorangetrieben hat. Die fünf Wochen bis April reichten nicht für die nötigen Vorbereitungen.
Heute wird über das Gesetz im Bundesrat entschieden. Eine Verzögerung um ein halbes Jahr gilt dabei als wahrscheinlich.
Parteiübergreifend haben die Justizministerinnen und -minister der Länder rechtzeitig darauf hingewiesen, dass die geplante Amnestie zum Problem werden könnte. Auch der Richterbund sagt schon lange, dass der Zeitplan nicht zu schaffen ist. Warum haben Sie das Cannabis-Gesetz trotzdem so ins Gesetzgebungsverfahren geschickt?
Lütke: Letzten Endes gilt ja, dass wenn wir jetzt eine Regelung treffen, eben zur Straffreiheit, dass dann natürlich auch die Menschen straffrei gestellt werden müssen, die jetzt in den letzten Wochen noch quasi auffällig geworden sind mit dem damaligen Straftatbestand. Und wir haben unseren Zeitplan eingehalten. Es war absehbar, dass das Cannabis-Gesetz verabschiedet wird. Und deswegen ist es natürlich so, dass zunächst mehr Arbeit anfällt, aber sich dann natürlich langfristig diese auch minimiert, weil natürlich weniger Fälle nachkommen.
Ja, aber es sind zehntausende Fälle, die da anfallen in den nächsten fünf Wochen. Teilweise könnte es dann sogar Regressforderungen im Nachhinein geben. Und Ihr Parteikollege, der einzige FDP-Landesjustizminister, Herbert Mertin aus Rheinland-Pfalz, ist genauso sauer wie seine Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen und wirft dem Bund Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten vor und sagt, den Landesjustizverwaltungen würde das Gefühl gegeben, sie könnten ebenso gut den Mond anbellen. So kann man doch kein Gesetz gemeinsam mit den Ländern verabschieden, bei so viel Unmut.
Lütke: Also nochmal, die Bedenken sind ja auch im Gesetzgebungsprozess schon die ganze Zeit vorgetragen worden. Wir haben ja auch viele Veränderungen noch eingeflochten.
Aber warum haben Sie es nicht verschoben um ein halbes Jahr?
Lütke: Wir haben einen Zeitplan gesetzt, den haben wir eingehalten, und wir hatten das Gesetz auch schon mehrere Male verschoben gehabt, sodass es jetzt eben zum Abschluss gekommen ist. Alles weitere muss dann eben im Bundesrat entschieden werden. Der ist ja schließlich ein eigenes Verfassungsorgan und das ist ja auch im Sinne der Gewaltenteilung ein guter Weg, dass wir verschiedene Organe haben, die sich mit den Gesetzen auf unterschiedliche Art und Weise auseinandersetzen.
So wird es ja wahrscheinlich passieren, die Länder könnten jetzt über den Vermittlungsausschuss erwirken, dass das Gesetz später in Kraft tritt. Der 1. Oktober ist da jetzt schon im Gespräch. Im Vermittlungsausschuss wäre es dann auch möglich, es auch inhaltlich nochmal zu verändern. An den geplanten Anbauvereinigungen, in denen Cannabis angebaut, aber nicht konsumiert werden darf, gibt es sowieso auch schon Kritik. Ist eine Überarbeitung vielleicht sogar ganz sinnvoll?
Lütke: Das denke ich nicht. Ich stehe hinter dem Gesetz, so wie wir es verhandelt haben. Ich sehe jetzt vor allem die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der SPD in der Pflicht, auch nochmal auf ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern zuzugehen, das Gesetz vielleicht nochmal etwas genauer zu erklären, nochmal darzulegen, sodass wir hier zu einem guten Miteinander finden.
Naja, wir hören ja aber auch eben von Ihrem FDP-Landesjustizminister genauso viel Kritik wie von den anderen. Und das ist ja nicht die einzige. Zu viel Bürokratie, zu viel Verantwortung für die ehrenamtlichen Vereinsvorsitzenden der Cannabis-Clubs, zu viel Kontrollaufwand für Polizei und Verwaltung. Die unionsgeführten Länder sind übrigens komplett dagegen. Die CSU in Bayern prüft sogar eine Klage. Und jetzt eben stellen sich auch die Justizminister dagegen. War das ganze Gesetz in der Form vielleicht doch keine so gute Idee?
Lütke: Doch, das Gesetz ist eine gute Idee, dass die CSU sich dagegenstellt, das war ja wirklich absehbar. Das hat auch wenig mit den Inhalten als mit Überzeugung zu tun. Die Regelungen, die wir getroffen haben, das ist ein guter Kompromiss zwischen dem Ausgleich von Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutz, der uns ja sehr wichtig ist. Im Zentrum steht dieses Gesetzgebungsverfahren. Aber eben auch zwischen der Entkriminalisierung und der Teillegalisierung einer modernen Drogenpolitik, die an den gesellschaftlichen Realitäten orientiert ist.
Das Interview mit der FDP-Abgeordneten Kristine Lütke führten Kerstin Hermes und Julia Menger