Album der Woche - "Ende nie" von Wanda

"Ende nie" von Wanda © Polydor
"Ende nie" von Wanda | © Polydor

Auf dem neuen Album "Ende nie" hat sich die Band aus Wien der finstersten Phase ihrer Geschichte gestellt. Einem persönlichen Trauma haben Wanda Songs von bewegender Tiefe und Wahrhaftigkeit abgerungen. "Ende nie" ist ein Sieg des Lebens über den Tod.

Wanda war von Beginn an immer beides: Einerseits charmant, andererseits raubeinig und direkt. Der Welt und sich selbst gegenüber schonungslos. Mit Texten, die ein geschundenes Herz offenbaren und dann trotzdem oder gerade deshalb viele zum Mitsingen bringen. 2022 mussten Wanda den Tod ihres Keyboarders Christian Hummer verarbeiten. Etwas, das selbstredend nicht leicht ist und auch fast 2 Jahre später, bei der Veröffentlichung ihres neuen Albums "Ende Nie", abgeschlossen ist. Doch das Schreiben neuer Songs half. "Das kann natürlich niemals eine Trauerbewältigung ersetzen," sagt Marco Michael Wanda, "wenn man jemanden verliert, dann trauert man und das dauert. Es ist auch wichtig, sich diese Zeit zu nehmen, aber ein Halt oder so ein Ast, an dem ich mich festhalten konnte, war das Studio. Wir sind sofort nach Christians Tod eigentlich ins Studio gegangen und haben das gemacht, was das Letzte war damals, dass uns Freude gemacht hat: Das Musikmachen. Zum Glück hatten wir diese Möglichkeit."


Album der Woche am Montag

IMAGO/hurricanehank

Album der Woche am Dienstag

IMAGO/hurricanehank

Album der Woche am Mittwoch

IMAGO/hurricanehank

Album der Woche am Donnerstag

IMAGO/hurricanehank

Am ergreifendsten ist mit Sicherheit in dieser Beziehung der Album-Opener, der Song "Bei Niemand anders". Es gab Reaktionen, die Marco sehr bewegt haben. "wir kriegen Rückmeldungen wie auf kein Lied, das wir jemals veröffentlicht haben", sagt er. "Es scheint die Menschen tief zu berühren. Es kommen sehr viele Leute auf uns zu und berichten uns einfach von ihren Verlusten oder ihren Krisen und das freut mich sehr. Also das war das Ziel. Ich habe das Lied geschrieben, als es mir sehr schlecht ging, und ich wollte anderen Menschen damit Mut zusprechen und Hoffnung machen." Dazu hört man erstmalig auf der Platte Marco am Klavier. "Dadurch, dass Christian nicht mehr Klavier spielen kann, musste irgendjemand diese Lücke schließen. Und ich bin der Einzige, der seit seiner Kindheit Klavier spielt", meint der Wanda-Sänger. "Ich bin 4 Prozent so talentiert wie Christian und bemühe mich so, dieser Rolle gerecht zu werden. Und es war sehr schön, am Klavier zu schreiben, weil ich dadurch auch mit ihm so eine Art Dialog geführt habe. Also ich habe mir immer vorgestellt, er sitzt neben mir und verzieht ganz schmerzverzerrt das Gesicht, wenn ich mich mal vergreift oder irgendwas schlechtes Spiel. So und er hat mich da ein bisschen durchgeführt durch diesen Prozess."

So steht "Ende Nie" einmal mehr für den großen Zusammenhalt der Band. Einer Band, die vor einer Dekade mit dem Song "Bologna" ihren Erfolgskurs startete und nicht nur in Österreich, sondern sich vor allem auch in Deutschland eine Riesenfangemeinde erspielt hat. Kein Wunder – sind Wanda doch eine absolut bestechende Live-Band. In Sachen Rockkonzert und Live-Kosmos gibt es in Wien eine Tradition, die so ziemlich eindeutig mit einer Bandvereinigung in den 70ern begonnen hat: Mit der Hallucination Company. Einer Gruppe von Musikern und Schauspielern, die sich um Gründungsmitglied und Wiener Legende Ludwig "Wickerl" Adam sammelte und deren Auftritte mehr als wild waren. Legendär, weiß Marco. Die Auftritte von Wanda gehen zwar nicht bis hin zum Schauspielerischen, aber das Ethos der Company, was die Bühne betrifft, teilen Wanda schon. Auch wenn sie mittlerweile von dem Lederjacken-Uniformgedanken abgerückt sind. Inhalte sind viel wichtiger als der äußere Schein.

Marco Michael Wanda meint dazu: "Ich muss sagen, am Anfang dieser Reise, als ich diese Band gegründet habe, stand auch der große Wunsch, mich zu entwickeln oder auch jemand anders zu werden. Also ich bin ganz froh, dass ich nicht mehr dieser cholerische, drogennehmende 27-jährige Rockstar mit offenem Hemd bin, sondern dass ich mich zumindest ein bisschen verändert habe."

"Wir fühlen uns ein bisschen wie ein zerschossenes Schiff", meint er weiter, "es ist ein bisschen so wie bei einem tragischen Western, wo einer nach dem anderen verschwindet. Und so sind wir ins Studio gegangen, ohne daran zu denken, dass wir diese Songs veröffentlichen. In erster Linie war es als etwas Therapeutisches gedacht. Aber es ist ein Album entstanden und das wollen wir natürlich rausbringen. Und wir wollen auf die Bühne. Wir wollen jetzt vor allem mehr als je zuvor das machen, was uns wirklich Freude macht. Und das ist in erster Linie der Austausch mit dem Publikum."

Mit "Ende nie" haben Wanda eine Antwort auf etwas ganz Tragisches gefunden und diese Antwort umarmt das Leben, so ist es letztlich sogar ein positives, lebensbejahendes Album geworden. Es gibt darauf Liebeslieder wie "Wachgeküsst", "Woher soll ich wissen" oder das rotzige "Fuck Youtube", aber alle spiegeln sie einen größeren Rahmen, sind von Demut, Warmherzigkeit, Verständnis geprägt, alles ist hier auf existenzielle Weise dringlich, wie "Jeder kann es sein", der im Wortsinn überlebensgroße Titelsong "Kein Ende nie" oder das tröstende "Bei Niemand anders". Und schließlich gibt es noch ein Highlight am Ende des Albums, den Song "Niemand was schuldig". Ein Song mit dem Novum eines 1-minütigen Intros mit einer Reverse-Gitarre und Streichersatz, der sich am Schluss auf der Bühne in einem Gitarrengewitter verliert. Doch er ist auch auf Platte schön.

Claudia Gerth, radioeins

Tracklist

1 Bei niemand anders
2 F*** Youtube
3 Therapie
4 Sie steht nicht auf Dich
5 Keine Angst
6 Ich hör Dir zu
7 Wachgeküsst
8 Woher soll ich wissen
9 Jeder kann es sein
10 Kein Ende nie
11 Immer OK
12 Niemand was schuldig
13 BONUS TRACKS:Nimm's mit an Schmäh (Klavierdemo)
14 Bologna (live @ Wiener Stadthalle 2023)
15 Columbo (live @ Wiener Stadthalle 2023)

Schreiben und gewinnen