Album der Woche - Ocean To Ocean von Tori Amos
Ihr neues Album schrieb die amerikanische Ausnahmemusikerin dieses Jahres im Lockdown in Cornwall, wo sie lebt und sich beim Schreiben von den faszinierenden Landschaften und alten Mythen der Grafschaft inspirieren ließ. Eine Landschaft, die einem Demut vermittelt. "Ocean To Ocean" bringt eine universelle Geschichte über den Tiefpunkt und die Erneuerung des eigenen Lebens zum Ausdruck
Against All Odds, also allen Widrigkeiten zum Trotz führte die krisenhafte Zeit der Pandemie zu einem Album voller Wärme und Verbundenheit, mit tiefen Wurzeln in ihrem frühesten Songwriting. Sie verfiel in einen emotionalen Zustand, der so tief war wie schon lange nicht mehr und an die Selbstbeobachtung erinnert, die ihr Debütalbum "Little Earthquakes" ausmacht.
"Dies ist eine Platte über deine Verluste und wie du mit ihnen umgehst", sagt Tori Amos. "Wenn man lange genug gelebt hat, kann man zum Glück erkennen, dass man sich nicht wie die Mutter fühlt, die Ehefrau, oder die Künstlerin, die man sein möchte.“ In der Isolation des Lockdowns habe sie sich in ihrer eigenen privaten Hölle wiedergefunden und wusste, zu schreiben ist das einzig Sinnvolle.
Sie schrieb über und für nahestehende Personen: "Spies" ist für Ihre Tochter, "Swim to New York State" für ihren Ehemann und der Song "Birthday Girl" für ihre Nichte. "29 Years" ist über sie selbst, oder besser ein Song für sich selbst. Ein Song über eine schwer fassbare Wahrheit, nach der sie seit 29 Jahren ihre Hände ausstreckt.
So persönlich das Album auch ist, so verhandelt es auch jene politischen Themen, derer wir alle Zeuge wurden und immer noch werden. Der Titeltrack "Ocean To Ocean" nähert sich auf poetische Weise einem Unverständnis darüber, wie die Zerstörung unserer Natur hingenommen werden kann. Dann geschah ein Teil ihres Schreibens auch als Reaktion auf die Unruhen im US-Kapitol im Januar 2021 und in einer Reflexion über die Missetaten des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. So sind die Gefühle, die auf dem Album mitschwingen: Liebe, Verlust, Angst, Wut und Hoffnung.
Sie habe sich vorgenommen, sagt Amos, die Dinge so zu betrachten, dass sie ihr zu Selbststärkung verhelfen. "Aber was ist eigentlich Stärke? Manchmal ist man noch nicht bereit, aufzustehen. Dann man muss am Boden anfangen", sagt Amos weiter. Und dabei geht es nicht darum, sein Leid zu kompensieren mit Pillen oder einem doppelten Schuss Tequila. Es geht darum, es auszuhalten, eine gewisse Zeit im Dreck zu sitzen.
Claudia Gerth, radioeins