Album der Woche - "To The Ghosts" von Cults

"To The Ghosts" von Cults © Virgin/Universal
"To The Ghosts" von Cults | © Virgin/Universal

Sie rufen die Geister der Vergangenheit. Das New Yorker Duo Cults taucht hinab zu den Momenten der Jugend und verfolgt die verschlungenen Geisterwege, die in die Gegenwart führen. Ihre Alben sind immer Momentaufnahmen. Die beiden New Yorker Musiker Madeline Follin und Brian Oblivion alias Cults nennen ihre Alben Therapiesitzungen, bei denen sie die Schnappschüsse ihrer Zeit zu Bildern ausformulieren.

Zu Bewegtbildern in ihrem Fall, denn die ehemaligen Filmstudenten machen Musik, die wahnsinnig filmisch wirkt. Die Songs von Cults werden nicht umsonst so häufig für Soundtracks von Filmen und Serien verwendet.

"To The Ghosts" ist während der Pandemie entstanden und da gab es keine Schnappschüsse. Nur Stille. Deswegen sind sie reflektorisch abgetaucht in ihre eigene Vergangenheit und haben die Wege der Adoleszenz noch einmal nachgezeichnet. "To The Ghosts" sprechen sie, zu den Geistern ihrer früheren Ichs.

Der Blick zurück findet sich auch auf dem Albumcover. Madeline sitzt im Spotlight, dreht den Betrachtern den Rücken zu und schaut in den Nebel. Ein wunderschönes retroästhetisches Foto, das Brian an die Horrorfilme von David Cronenberg erinnert, an "The Fly" oder "Naked Lunch". Madeline hat einfach ihren unbeeindruckten Blick aufgesetzt. Ein Blick, der sich in den Songs widerspiegelt. Ihre Songs haben den Charme einer plüschigen 60er-Jahre Dramatik gepaart mit dem kühlen, unnahbaren Sound von Vintage-Synthesizern und mit düsteren Texten. Perfekt für das Drama der Aufs und Abs des Lebens. Besonders emotional wird’s, wenn die launischen Gitarren aufblitzen.

Das Album beginnt mit einem Glockenschlag und dem Song "Cry Baby". Ein Song über schlechte Gesellschaft, die einen jeden Tag belästigt. So wie die ätzende Präsenz von mediengeilen Politikern, die einen durch TV und Radio im Alltag ständig ungewollt begleiten.

"Left My Keys" wiederum ist eher ein nostalgischer Moment, der Highschoolerinnerungen einfängt, als es okay war, mal für ein paar Stunden aus dem Alltag zu verschwinden, ohne sich verantwortlich zu fühlen. Der Song erinnert daran, dass Jugend ihre eigenen Probleme hatte, aber im Rückblick doch unbeschwert wirkt. In diesem Song umhüllen ätherische Gitarren einen hypnotischen Backbeat, während die Synthesizer schimmern und Madeline haucht: "I can feel it happening again." "Es geht darum, erwachsen zu werden und das Gefühl zu haben, zurückgelassen zu werden", verrät sie. "Man denkt, man verpasst Dinge und erreicht nicht genug. Man wird ein wenig älter und merkt, dass es einem egal ist. All die Dinge, über die man sich Sorgen gemacht hat, zählen nicht mehr. Man wird mit dem, was man hat, zufrieden. Es ist befreiend, das Gefühl loszulassen, ein Teil von etwas sein zu müssen."

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"Eat it cold" dreht sich um die Geschichten, die in Familien von Generation zu Generation weitererzählt werden und die einiges an Wahrheit vermissen lassen. Ist man selbst erwachsen, muss man sich nun entscheiden, ob man die Geschichten selbst weitergibt. Als Kind denke man, dass die Erwachsenen wissen, was sie tun, meint Madeline, doch ist man plötzlich selbst in dem Alter, bemerkt man, dass man keinen Schimmer hat. Es wird den Eltern vor ihr nicht anders gegangen sein.

"Open Water" ist der wütendste Song auf dem neuen Album. Eine Abrechnung mit dem Expartner. Nach einer Trennung kann man sich manchmal einfach nur wünschen, der andere würde verschwinden aus dem eigenen Leben, weil man dessen Anwesenheit nicht erträgt. Und so spielt der Song mit der Fantasie, er würde ins offene Wasser schwimmen, um zu verschwinden. Ein durchaus drastisches Bild, das sich in eine wunderschöne Melodie kleidet. Wehmütig unterstrichen von einer Trompete.

Das Album wurde von Cults & Shane Stoneback co-produziert, von John Congleton gemixt und von Heba Kadry NYC gemastert. "To the Ghosts" von Cults ist einmal mehr eine geschmackvolle, atmosphärische Platte auf hohem Niveau.

Claudia Gerth, radioeins

Tracklist

1 Crybaby
2 Left My Keys
3 Onions
4 Crystal
5 Leave Home
6 Eat It Cold
7 Honey
8 Knots
9 Behave
10 Open Water
11 Cells
12 You're in Love With Yourself
13 Hung the Moon

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