Album der Woche - "bis einer weint" von Bibiza

"Bis einer weint" von Bibiza © Columbia
"Bis einer weint" von Bibiza | © Columbia

Vienna Calling – einmal mehr, denn es gibt wieder gute Popmusik aus der österreichischen Hauptstadt. Franz Bibiza, ja er heißt tatsächlich so klangvoll, ist Wiener. Aufgewachsen im Bezirk Mariahilf nahe am berühmten Naschmarkt. Sein zweites Album heißt "bis einer weint" und ist das Gegenstück zur Vorgängerplatte "Wiener Schickeria". Denn: Trotzdem Bibiza erst 25 Lenze zählt, ist er doch ganz vernarrt in das Format Album, während andere in seiner Altersgruppe nur noch Streamingdienst-Playlisten kennen.

"Ich liebe lange Alben und ich will ein bisschen dagegen arbeiten gegen diese schreckliche Single-Kultur. Für mich ist auch so der Hauptanspruch, wenn man ein Album macht, dass das einen roten Faden hat und eben nicht eine Playlist ist", sagt Bibiza. Deshalb sind die Songs auf der Platte untereinander vernetzt. Bestimmte Schlüsselbegriffe blitzen immer wieder auf.

Insgesamt ist die neue Platte eine invertierte Version seines ersten Albums "Wiener Schickeria". Das kam in Rot daher, das neue ist in Schwarz. "Das neue Album überspannt halt irgendwie Persönliches. Es gibt ein bisschen Gesellschaftskritisches, dann meinen Blick auf die Welt. Es fängt noch sehr ekstatisch an, findet da irgendwie Anschluss an die Vorgängerplatte und dann beginnt es, im Laufe des Albums zu weinen." Es geht um Wohlstandsverwahrlosung und auch um die Reue, die auf hedonistische Eskapaden folgt. Es sei das "einsichtigere Album aus derselben Welt", sagt Bibiza.


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Es geht um die Quittung des Ganzen. So heißt symptomatisch der Song im Herzen des Albums auch "Die Rechnung kommt", was ja nicht nur auf ein persönliches, ausschweifendes Leben bezogen ist, sondern auch auf die ganze Welt, die über ihre Verhältnisse auf Kosten der Umwelt lebt. Auf dem Album rächt sich dann die Umwelt in einem Song, indem sie die Donau über die Ufer treten lässt. Mit den grandiosen Zeilen "Österreich liegt jetzt am Meer-Für Manche ist's der Untergang-Für die Hofburg ein Strandzugang" auf den Lippen tanzt Bibiza dann in die Apokalypse, denn trotz der ernsten Themen, sind die Songs nicht elegisch langsam. Bibiza liebt die Gegensätze. "Ich lieb so treibende Musik, die halt dann irgendwie pessimistisch oder ein bissel traurig ist. Denn ich find "happy happy" ist nie leiwand und "schlecht schlecht" auch nicht. Also es musste immer irgendwie sein bissel ein Widerspruch drin sein. Und ich glaub, mir war selber gar nicht so bewusst, dass die Songs schon sehr ehrlich sind."

So beschäftigt sich Franz Bibiza in seinen Songs nicht nur mit der offenbar kaputten Nasenscheidewand in dem Song "Discoschnupfen", in dem nebenbei gesagt der formidable Wiener Schauspieler Nicholas Ofczarek auftritt; sowie mit Treubrüchen wie in "Böses Spiel", sondern in "Nicht schon wieder" auch mit der gefühlskalten Leere, die sich bei Partys ausbreitet, bei denen man nur mit Fremden Smalltalk führt. Schatten des Ruhms für die neue Mittelpunktfigur der Wiener Musiklandschaft.

Apropos kaputte Nasenscheidewand. Selbstredend ist auch auf dem neuen Album wieder häufig Kokain das Thema. Vom Georg Danza bis zum Marco Wanda, alle Wiener singen vom weißen Schnee. Da fragt man sich, ob Kokain dort mittlerweile zur musikalischen Folklore gehört: "Ich habe damit nix zu tun", sagt Bibiza ironisch. "Das muss man einfach stolz weitertragen als Wiener. Da gibt's kein Drumherum." Unausweichliche Bürde oder Ausdruck des Morbiden, wofür Wien so bekannt ist, so genau weiß man es nicht.

Außerdem ist Wien natürlich auch für Falco bekannt. Ein Weltstar, an dem man in der österreichischen Hauptstadt nicht vorbeikommt. Viele sind mit seinen Songs großgeworden, haben sich an seiner Debütplatte "Einzelhaft" abgearbeitet. Auf ihr ist der Song "Siebzehn Jahr" zu finden, aus dem wiederum Bibiza in seinem ersten veritablen Hit zitiert: "Schick mit Scheck". So ein großer Fan von Falco sei er aber gar nicht, nur der Song gefällt ihm besonders, sagt Bibiza. Die Idee mit dem Zitat entstand in 10 Sekunden und war als kleine Hommage gedacht. Danach schrieben sich das Feuilleton die Finger mit Falcovergleichen wund. Trotzdem goutiert Bibiza Falcos Haltung, die immer wieder in den Talk Shows präsent war. Gehört hat er von den alten Wienern aber viel eher Ludwig Hirsch und Georg Danzer. Dazu Red Hot Chili Peppers, The Cure und The Smashing Pumpkins. Doch das ist lange her. Mittlerweile ist Bibiza schon eine ziemliche Weile selbst im Musikgeschäft aktiv und gilt als durchaus hart arbeitender Künstler.

Nicht zu vergessen: In dem Song "Tanzen" vermittelt Bibiza eine ziemliche originelle Einsicht, die so mancher Mann auch im Jahr 2024 noch vermissen lässt: Bibiza weiß darum, dass es Frauen bisweilen wirklich (!) nur um’s Tanzen geht, wenn sie in Clubs unterwegs sind. Sie wollen nicht angesprochen noch bewertet werden, sondern einfach nur tanzend die Welt vergessen. "Ja, ich will mich generell als relativ aufgeschlossen sehen", sagt Bibiza. "Und ich glaub, ich habe eine sehr liebe Mama, die mir immer wieder mal was Richtiges gesagt hat. Außerdem bin ich in einem ganz guten Umfeld, was das angeht."

Beim Texten stand nie die Frage im Raum, ob er auf Englisch singen soll. "Ich träume auf Wienerisch und deswegen singe ich auch so", meint Franz Bibiza. Beim Schreiben der Songtexte geht es immer darum, ob sie performativ funktionieren. Deswegen würde er auch niemals einen Song mit Overdubs machen, die das gute Performen auf der Bühne unmöglich machen und so heißt das Programm für die Liveshow: Schweiß, Tränen, Freude und der totale Abriss.

Claudia Gerth, radioeins

Tracklist

1 Bis einer weint
2 Aufnimmawiederschaun
3 Wunschkonzert
4 Nicht schon wieder!
5 Salamander & Chamäleons
6 Discoschnupfen
7 Check in / Check out
8 Luxusparese
9 Die Rechnung kommt
10 Der Mann mit der Glatze
11 Kaputt aber geil
12 Rauchen ist tödlich!
13 Tanzen
14 Die Donauwalze
15 Donau
16 Schwimmen
17 Hinfalln
18 Böses Spiel
19 Angefahrn
20 Nirgendwo dazwischen
21 Gute Nacht

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