Album der Woche - "The Force" von LL Cool J
"The FORCE" - ein Akronym für "Frequencies of Real Creative Energy" - ist der Titel des Comeback-Albums von Hip-Hop-Ikone, Grammy-Gewinner, Hollywood- und TV-Star LL COOL J, der sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen will.
Das Leben von LL COOL J gleicht einem Film. Begonnen hatte er als 16-Jähriger bei dem legendären Rick Rubin-Label Def Jam Recordings und wurde zu einem der ersten globalen Superstars des Rap. Neben diversen Grammys erhielt er einen Stern auf dem "Walk of Fame" und wurde in die Rock & Roll Hall of Fame aufgenommen. Vier Jahrzehnte nach seiner Debütsingle und 11 Jahre nach dem letzten Album erscheint nun mit "The FORCE" sein Comeback-Album, das auch brisante Themen wie Rassenungerechtigkeit, Missbrauch durch die Strafverfolgungsbehörden, Isolation und Beobachtungen behandelt, die durch die Pandemie und das eigene Vermächtnis hervorgerufen wurden.
Features auf den 14 Tracks kommen von weiteren großen Namen der Hip-Hop-Historie wie Eminem, Nas, Snoop Dogg und Busta Rhymes. Mit Rapperin Saweetie, das Feature in dem Song "Proclivities", ist auch eine Vertreterin der neuen Rap-Generation auf "The FORCE" mit dabei. Produziert wurde das Album vollständig von Q-Tip, seines Zeichens Grammy-Gewinner, Rock & Roll Hall of Famer und Gründer von A Tribe Called Quest. Q-Tip war schon immer für seine komplexen und innovativen Sounds bekannt; für seine auf Jazz-, R&B- und Rocksamples basierenden Beats, die den Hip-Hop der 90er Jahre grundlegend prägten. So scheint das Album "The Force" genau die richtige Mischung zu sein aus Kopfarbeit und Instinkt.
Der Track "Passion" macht seinem Namen alle Ehre. Er ist absolut leidenschaftlich allein in dem Sample von "Sun Touch", einem Stück von Jazzlegende Herbie Hancock aus dem Jahr 1975. Es ist ein Gedankenstrom mit Rundumschlag und kommt von dem LL Cool J-Porträtgemälde in der Smithsonians National Portrait Gallery von Kehinde Wiley über Scarface zu der Miniserie "The Temptations". So zu verstehen ist die Zeile: "Dennis you got no passion".
Die All-Star-Hymne "Saturday Night Special" (feat. Rick Ross & Fat Joe) bezieht sich nicht nur auf ein klassisches Thema im Rap, denn Saturday Night Special ist ein Slangausdruck für eine billige Kompakthandfeuerwaffe, sondern greift auch den Beef zwischen Drake und Kendrick Lamar auf.
In dem Song "30 Decembers" heißt es "This world ain't like I remember" und reflektiert nicht nur die eigentliche Welt, wie sie sich seit den 90ern verändert hat, sondern auch die Rap-Welt. LL Cool J weiß genau, wie sich das Genre entwickelt hat. Zu seinem Respekt mischt sich das Bedauern darüber, dass es heute allzu oft nur um Reichtum und weibliche Hinterteile geht in Rap-Tracks. "30 Decembers" jedenfalls sammelt Gedanken während einer Fahrt in der U-Bahn und dem Betrachten der Leute und des Stadtbildes. Am Ende formuliert der Mann, der zwei Fitnessbücher veröffentlichte und gern aus motivierenden Gründen in Sportmetaphern spricht, "ich komme aus Queens und wenn ich es geschafft habe, dann schaffst du es auch." Das sagt er nicht einfach so dahin, seine Kindheit war prekär. Mit vier Jahren erlebte er, wie sein Vater seine Mutter und seinen Großvater lebensgefährlich anschoss. Vor der Gewalt flüchtete er sich in die Musik und veröffentlichte seine ersten Tracks mit 16.
Der düsterste Track ist gleich der Opener "Spirit of Cyrus" mit einem Feature von Snoop Dogg. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Chris Dorner war Beamter beim Los Angeles Police Department. 2013 sind ihm die Sicherungen durchgebrannt. Damals bekam LL Cool J einen Anruf von einem hochrangigen Polizisten in L. A.: "Geh nicht aus dem Haus, die Polizei sucht diesen Typen, tot oder lebendig. Und der sieht genau aus wie du." Jahre später hat ihn der Fall wieder inspiriert. Ohne zu urteilen, wollte er sich der Frage nähern: Was bringt uns dazu, durchzudrehen? Daraus ist dieser Song entstanden.
Der Track "The Basquiat Energy" ist eine Ode an den berühmten Maler und Künstler Jean-Michel Basquiat, den LL Cool J verehrt und dessen Energie ihn buchstäblich gepackt hat, als er sich erneut den Film "Downtown 81" angesehen hat. Eine Momentaufnahme einer ultra-hippen Subkultur der Post-Punk-Ära Manhattans.
"Ich glaube auch, dass ich eine Art von Lovesong im Rap etabliert habe, in dem Frauen auf Augenhöhe mit Männern agieren. In dem sie respektiert und ermächtigt werden. Das macht mich stolz", sagt der Autor und Sänger von "I need Love" aus dem Jahr 1987. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich LL Cool J neben der starken Saweetie noch eine weitere starke Frau als Featuregast einlud.
Einer der stärksten Songs "Black Code Suite" strahlt mit dem Feature Gast Sona Jobarteh. Die Londoner Musikerin und Komponistin mit gambischen Wurzeln, spielt die westafrikanische Stegharfe, die Kora und singt dazu. Sie ist die erste Frau in dieser musikalischen Tradition. Der Song verbindet alltägliche schwarze Kultur und kulinarische Bilder mit Popkultur: "Ich bin der Geist von Stevie Wonder, als Superstition geschrieben wurde, ich bin der Chris Rock, wenn du jemanden ohrfeigst, ich bin der Einfallsreichtum, die geistige Schärfe von Duke Ellington. Ich bin wirklich eine Rarität. Ich bin der Sound von Miles Davis. Es ist unmöglich, mich zu begraben."
Angesprochen auf seine lange musikalische Auszeit sagte LL COOL J im Interview mit dem NME: "Ich bin quasi wieder zur Schule gegangen, was das Schreiben von Songs und das Rappen, das Arbeiten als MC mit dem Mic angeht." Man müsse sich das wie einen Sportler vorstellen, der in der Nebensaison an seiner Technik feilt. Auf die Frage, ob er Druck verspüre, antwortete der als James Todd Smith geborene Musiker und Schauspieler, dass er sich ausschließlich selber "künstlerischen Druck" mache: "Ich möchte etwas schaffen, das ich liebe, etwas, das ich als bedeutsam empfinde."
Nach über einem Jahrzehnt musikalischer Auszeit erscheint das 14. Studioalbum des MC aus Queens zum 40. Jahrestag der Gründung von Def Jam Recordings. 1984 war "I Need a Beat" von LL COOL J eine der ersten Veröffentlichungen auf dem damals frisch gegründeten New Yorker Label. LL wurde zu dessen Flaggschiff-Künstlern und ist der erste Rap-Künstler, der zehn aufeinanderfolgende Platin-Plus-Alben hatte. Darunter sein von der Kritik gefeiertes Debütalbum "Radio" sowie seine Platte "Mama Said Knock You Out". Zu seinen Hits gehören "Going Back to Cali", "Doin' It", "Around the Way Girl", "Loungin'", "Headsprung" und die erste Rap-Ballade des Hip-Hop "I Need Love". Vier Jahrzehnte später repräsentiert "The FORCE" auch das musikalische Erbe von Def Jam Recordings.
Claudia Gerth, radioeins
Tracklist
1. Spirit of Cyrus (feat. Snoop Dogg)
2. The FORCE
3. Saturday Night Special (feat. Rick Ross, Fat Joe)
4. Black Code Suite (feat. Sona Jobarteh)
5. Passion
6. Proclivities (feat. Saweetie)
7. Post Modern
8. 30 Decembers
9. Runnit Back
10. Huey In The Chair (feat. Busta Rhymes)
11. Basquiat Energy
12. Praise Him (feat. Nas)
13. Murdergram Deux (feat. Eminem)
14. The Vow (feat. Mad Squablz, J-S.A.N.D., Don Pablito)