Plattenkritik - Fragments: Time Out Of Mind Sessions (1996 - 1997): The Bootleg Series Vol. 17 von Bob Dylan
Bob Dylan bleibt überraschend wie immer. Erst veröffentlichte er wie aus dem Nichts heraus das aufwendig gestaltete Buch "Die Philosophie des modernen Songs" und jetzt folgt Teil 17 seiner Bootleg Series. Dabei ist Bob Dylan gerade noch bis 2024 auf seiner "Rough And Rowdy" Worldtour unterwegs, doch einen Song von seinem preisgekrönten Album "Time Out Of Mind" hat er nicht auf der Setlist. Typisch Dylan!
Dylans Bootleg Series sind so etwas wie der heilige Gral seiner Fans. Bei jeder Ausgabe staunt man darüber, was so alles in seinem Archiv schlummert. Nicht verwendete Songs, alternative Aufnahmen, die oft besser klingen als die Originalveröffentlichungen sowie Liveaufnahmen in höchster Qualität.
Nun wird also das Geheimnis um "Time Out Of Mind" gelüftet. Das Album wurde von Fans und Kritik gefeiert und gewann den Grammy in der Kategorie "Album Of The Year". Produzent war damals Daniel Lanois und das Ergebnis klang fantastisch.
Aber Bob Dylan war in seiner Karriere oft unzufrieden mit seinen Produzenten. Mark Knopfler und auch Daniel Lanois haben diese Erfahrungen gemacht und seit geraumer Zeit produziert Dylan deshalb seine Alben unter dem Pseudonym Jack Frost in Eigenregie.
Auf dem fünf CDs umfassenden Boxset "Fragments" gibt es nun eine Remix-Version von "Time Out Of Mind" zu hören. Stripped down sozusagen, ohne den typischen Lanois-Ansatz. Die Songs klingen nun tatsächlich anders, erdiger und direkter.
Herzstück von „Fragments“ sind die CDs 2 & 3, denn hier finden sich die Outtakes und alternative Versionen der Songs. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Songs Bob Dylan außen vor gelassen hat und teilweise klingen die alternativen Versionen viel intensiver als die Versionen auf seinen Alben. Bob Dylan gibt Rätsel auf und hat Freude daran. Dechiffrieren lässt sich dieser einzigartige Musiker nicht.
Auf der vierten CD befinden sich bislang unveröffentlichte Liveaufnahmen der Songs von "Time Out Of Mind", die Bob Dylan mit seiner exzellenten Tourband in den Jahren von 1998 - 2001 auf seiner "Never Ending World Tour" gespielt hat. Die Konzerte in diesem Zeitraum waren absolute Highlights für seine Fans, Dylan und seine Band in Bestform und jeden Abend gab es eine neue Setlist. Dylan Fans sind ihm damals nachgereist, um möglichst viele Konzerte erleben zu können, denn jedes davon war einzigartig.
Nur die fünfte CD ist etwas enttäuschend. Die Aufnahmen sind hervorragend, aber alle Tracks hat Bob Dylan bereits 2011 auf "Tell Tale Signs: Bootleg Series Vol. 8" veröffentlicht. Angesichts der vielen unveröffentlichten Aufnahmen, die immer noch in den Archiven schlummern, ist das etwas merkwürdig, aber thematisch passt das natürlich trotzdem. Doch es gibt ja auch mehrere Versionen von „Fragments: Time Out Of Mind Sessions“ im Handel, es muss ja nicht die Deluxe-Ausgabe sein.
Dieses Box-Set ist für Dylan Fans unverzichtbar, wie jeder andere Teil seiner Bootleg Series auch. Mit "Time Out Of Mind" hat Bob Dylan 1998 gezeigt, wie kraftvoll seine Songwriterkunst ist. Alle, die ihn damals schon abgeschrieben hatten, wurden eines Besseren belehrt. Das Alterswerk von Bob Dylan ist genau so bedeutend wie sein Frühwerk. Welcher Künstler kann das schon von sich behaupten? Bob Dylan bleibt ein Mysterium und so soll es auch bleiben.
Carsten Wehrhoff, radioeins