ARD-Doping-Recherche - Großer Dopingverdachtsfall in China belastet Welt-Anti-Doping-Agentur

Ein Hinweisschild weist im Tokyo Aquatics Centre auf die Doping-Kontrollstation hin.
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Ein Hinweisschild weist im Tokyo Aquatics Centre auf die Doping-Kontrollstation hin. | © picture alliance/dpa | Michael Kappeler Download (mp3, 8 MB)

Eine gemeinsame Recherche der ARD-Dopingredaktion und der New York Times stellt die Glaubwürdigkeit von Chinas Anti-Doping-System und die Wächterfunktion der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) erheblich infrage. Demnach blieben für 23 chinesische Spitzenschwimmer im Jahr 2021 positive Dopingproben folgenlos – weil die WADA nicht handelte. Drei betroffene Athleten wurden nach dem möglichen Vertuschungsfall in Tokio Olympiasieger. ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt berichtet darüber.

Ein unveröffentlichter Verdachtsfall von massenhaftem Doping unter chinesischen Spitzenschwimmern belastet die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) schwer. Aus einer gemeinsamen Recherche von ARD-Dopingredaktion und New York Times geht hervor, dass bei einem nationalen Wettkampf Anfang 2021 insgesamt 23 chinesische Athletinnen und Athleten positiv getestet wurden. Unter den Schwimmern waren spätere Olympiasieger von Tokio. Alle 23 wurden bei Kontrollen der chinesischen Anti-Doping-Agentur CHINADA positiv auf das verbotene Herzmittel Trimetazidin getestet.

Der einflussreichen Sportnation China gelang es daraufhin, mit großem Aufwand und unter staatlicher Einflussnahme einen mutmaßlichen Dopingskandal unmittelbar vor den Olympischen Spielen 2021 in Tokio abzuwenden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA akzeptierte letztlich die abschließende Forderung aus einem unter Mithilfe von chinesischen Geheimdienststellen angefertigten Untersuchungsbericht, der ARD und New York Times vorliegt - und ließ den Fall ohne unabhängige Überprüfung auf sich beruhen. Wurden so positive Tests vertuscht?

Im Film "Geheimsache Doping: Die Akte China" stellen ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt und die Autoren Nick Butler und Lea Löffler eine Frage in den Mittelpunkt: Wie kann es sein, dass einer der größten Dopingverdachtsfälle der Sportgeschichte niemals öffentlich geworden ist? Die WADA, die nach Meinung von Sportrechtsexperten bei der Behandlung des Falls ihre eigenen Regularien verletzt hat, teilte auf ARD-Anfrage mit, sie habe auf Basis der Analysedaten "keine Grundlage" gesehen, die "...Erklärungen der Kontamination anzufechten".

Sie stützt dies unter anderem auf "niedrige Konzentrationen" und "schwankende Werte" in den Dopingproben. Die WADA sagt, sie habe sich an ihr Regelwerk gehalten. Die chinesische Anti-Doping-Agentur CHINADA erklärte, dass "keine Anti-Doping-Verstöße" vorgelegen hätten und somit kein Handlungsbedarf bestanden habe. Der Welt-Schwimm-Verband teilte mit, er sei "zur Verschwiegenheit verpflichtet". Die Vorgänge seien "sorgfältig und professionell" geprüft worden, daher habe man nichts weiter unternehmen müssen.

Die ARD-Dopingredaktion hat den chinesischen Untersuchungsbericht im September 2023 vertraulich zugespielt bekommen und dessen Authentizität gemeinsam mit der New York Times verifiziert. Demnach sind bei dem Wettkampf knapp zwei Jahre zuvor 23 Athletinnen und Athleten teilweise mehrfach positiv auf Trimetazidin getestet worden, darunter die spätere Doppel-Olympiasiegerin Zhang Yufei und Qin Haiyang, der Weltschwimmer des Jahres 2023.

Die ARD zeigt die Dokumentation "Geheimsache Doping: Die Akte China" am Sonntag, 21. April ab 23:05 Uhr im Ersten. Eine Langfassung des Stücks gibt es bereits in der ARD Mediathek.